Mike Sheridan ist zurück. Neue Musik vom dänischen Electronica-Ass hatte zuletzt lange auf sich warten lassen, doch nun präsentiert der Kopenhagener, der bereits mit acht Jahren seine ersten Schritte als Produzent machte, sein frisch erschienenes Album „Atmospherics“. Das letzte Release des 32-Jährigen liegt mittlerweile über zehn Jahre zurück, weshalb die neue LP zweifellos als Zäsur in der Karriere Sheridans betrachtet werden kann, die 2007 mit der „Alt & Intet“-EP auf MIS Records ihren Lauf genommen hatte. Für das Album hat er sich auf die Suche nach seinem – wie er selbst sagt – inneren Klang begeben – und ist fündig geworden. „Atmospherics“ ist eine Ansammlung von Dub, Techno, Pop und moderner kompositorischer Musik, ein experimenteller Raum, der aus Eindrücken aus Film, Kunst und all den guten Sachen aus seinem Bücherregal zusammengesetzt ist.
„Der innere Klang – was genau meinst du damit eigentlich?“, wollten wir vom Skandinavier zu Beginn wissen. „Als ich ein Teenager war, hatte ich diese Klangwelt in meinem Kopf, die die treibende Kraft in meiner Musik war. Das ist es, was ich mit einem ‚inneren Sound‘ meine“, erläutert er. „Ich hatte immer das Gefühl, dass ich in der Lage sein würde, diese Art von Musik zu machen, wenn ich nur ein bisschen weiter gehen würde, und das habe ich dann auch getan. ‚Atmospherics‘ entstand, als ich mich wieder mit dieser Form von Energie verband, und als ich sie anzapfte, war es offensichtlich, dass viele der Dinge, von denen ich als Teenager träumte, nun in Reichweite waren.“
„Atmospherics“ ist also nicht nur das Resultat von Sheridans zahlreichen Einflüssen, die ihn in den letzten Jahren in den Bereichen der Filmkunst, des Theaters und der bildenden Kunst umgeben haben, sondern auch eine tiefe Reise in die Vergangenheit, während er sich mit seinem 14-jährigen Ich konfrontiert sah: „‚Atmospherics‘ entstand, als ich eine Erfahrung machte, die man als ‚inneres Kind‘ bezeichnet. Ich spürte, dass es eine Version von mir gab, die mich rief, und ich wurde neugierig und hatte das Bedürfnis zu sehen, was passieren könnte, wenn ich mich der aktiven Arbeit mit ihr widmen würde. Der Beginn dieser Reise war sehr ermutigend, denn ich erkannte, dass ich eine Sprache weiterentwickeln konnte, von der ich dachte, dass sie in gewisser Weise verschwunden war.“ Sheridan entschied sich, ein Produzent der Emotionen seines inneren Kindes zu sein, baute Konzepte um sie herum und schuf einen Raum, in dem sich die Musik entfalten konnte. „Ich stellte fest, dass ich in der Lage war, ‚mich‘ auf eine Art und Weise zu unterstützen, von der mich mein Ego zuvor abgehalten hatte“, erklärt er.
Auf diese Weise ist nun eine Collage aus verschiedensten Genres und Einflüssen wie Dub, Techno, Pop und moderner kompositorischer Musik entstanden, die laut Sheridan sowohl auf die Clubszene verweist, in der für ihn alles angefangen hatte, als auch auf die große Vielfalt an Inspirationen und Erfahrungen, die er während seiner Arbeit als multidisziplinärer Künstler sammeln konnte. Zur elektronischen Facette der LP sagt er: „Die elektronische Komponente des Albums ist ein Prozess, eine Instrumentierung und ein Handwerk; zunächst wurde fast alles so gemacht, wie ich es als Teenager gemacht habe, dann neu abgemischt und mit all den Werkzeugen und Maschinen bearbeitet, zu denen ich als Erwachsener Zugang habe. Dann wurden die Rollen an Musiker*innen und Kollaborateur*innen vergeben, die ich bewundere, und dann wurde es aufgenommen – Schritt für Schritt fand die Musik eine Form, als sie sich sowohl technisch als auch gesellschaftlich öffnete.“
„Atmospherics“ steckt voller Kollaborationen. Sheridan hat mit einer Vielzahl an Produzent*innen und Sänger*innen zusammengearbeitet, darunter Agnes Aldén, Janus Rasmussen und BYLJA, die dem Album allesamt ihren eigenen Stempel aufdrücken. „Ich bin sehr stolz auf die Arbeit, die wir geleistet haben“, gibt der Danish-Grammy-Gewinner abschließend zu Protokoll. Aktuell arbeite er an einer Live-Interpretation des Albums, wolle aber nichts überstürzen. Na, solange nicht wieder zehn Jahre ins Land ziehen, hat er unseren Segen.
„Atmospherics“ ist am 17. November via HFN Music erschienen.
Aus dem FAZEmag 142/12.2023
Text: M.T.
Foto: Andre Hansen
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