Milk & Sugar – Zwei Jahrzehnte

Wie viele Künstler können schon von sich behaupten, die elektronische Szene, wie man sie heute vorfindet, bereits seit über zwei Jahrzehnten maßgeblich mitgeprägt zu haben? Eine Handvoll? Wie viele es auch sein mögen, Michael Kronenberger und Steffen Harding aka Milk & Sugar gehören auf jeden Fall dazu. Unvergessen sind Titel aus ihrer Anfangszeit wie „Higher & Higher“ aus dem Jahr 2000 oder „Love Is In The Air“ aus dem darauffolgenden Jahr. Auch 2003 konnten sie mit „Let The Sun Shine“ einen waschechten Disco-House-Hit landen. Sie kollaborierten mit Jamiroquai, Janet Jackson, Usher und anderen und tourten mehrfach um die Welt. Doch leben Milk & Sugar ihre Karriere mitnichten nur aufgrund alter Tage. Auch jetzt, zwei Jahrzehnte später, ist das Duo relevant und bringt regelmäßigen Output – so zum Beispiel die diesjährige „Beachhouse“-Ausgabe vor wenigen Wochen sowie ganz frisch die „House Nation Ibiza 2018“-Compilation, die am 28. September erschienen ist.

Milk-Sugar 2015

 

20 Jahre Milk & Sugar. Wie klingt das für euch?

Michael: Als wären wir richtig alt geworden! (lacht) Nein, im Ernst: Keiner von uns hätte bei der Gründung von Milk & Sugar daran gedacht, dass wir so lange durchhalten. Musiktrends sind immer gekommen und gegangen, aber Housemusik hat offenbar etwas Beständiges; etwas, was noch in ferner Zukunft die Menschen bewegen wird. Egal, welche Religion, welche Hautfarbe oder welches Alter, die Magie von House hat die Menschen immer in ihren Bann gezogen und wird es auch weiterhin tun. Und wir sind sehr dankbar dafür, ein Teil dieser Bewegung zu sein.

Diese Magie habt ihr regelmäßig mitkreiert und damit die elektronische Szene und vor allem das House-Genre maßgeblich beeinflusst. Erinnert ihr euch noch an eure ersten Gigs bzw. an aufregende Meilensteine, durch die ihr erste Erfolge gefeiert habt?

Steffen: Es waren die 90er, wer sich daran noch erinnert, war nicht dabei. Aber auf jeden Fall ist uns noch die Release-Party zu unserem ersten Vinyl auf Milk & Sugar Recordings im Gedächtnis geblieben. Wir hatten als Veranstalter gute Kontakte zur Presse hier in München und so sind wirklich viele unserem Ruf gefolgt, mit uns auf dem – damals legendären – Alabama-Gelände zu feiern. Wir haben natürlich nach der Release-Präsentation auch aufgelegt, allerdings ist die Party später ausgeartet, da wir einen äußerst großzügigen Alkohol-Sponsor dabei hatten. Für Verwirrung haben auch die Go-go-Tänzerinnen gesorgt, die ein Freund von uns organisiert hatte. Er hatte uns nicht darüber informiert, in welchen Etablissements die Damen normalerweise engagiert sind, und so waren wir alle ein wenig verwundert, als plötzlich die Hüllen fielen.

Seit 1998 hat sich die Szene extrem gewandelt, für viele positiv, für manche auch negativ. Wie seht ihr die Entwicklungen?

Michael: Wir sind sehr dankbar dafür, dass wir diese Entwicklung miterleben durften! Der Siegeszug von elektronischer Musik hat das Leben der meisten DJs und Produzenten vollkommen verändert. Standen die DJs zuvor nur als Dienstleister in einer dunklen Ecke des Clubs, so sind wir heute der Hauptgrund, warum die Leute überhaupt weggehen. Das war absolut revolutionär, auch wenn es einem heute ganz normal vorkommt. Ein Problem ist allerdings, dass sich heute jeder „DJ“ nennen kann und quasi umsonst über das Internet auf die gesamte Musikdatenbank der Welt Zugriff hat. Wir haben vor 20 Jahren mit Vinyl angefangen und mussten uns erst einmal einen großen Grundstock von Platten kaufen, bevor wir überhaupt spielen konnten.

Steffen: Zu zehn bis 20 Euro pro Vinyl, was für uns Studenten echt hart war! Und dann sind wir auch oft nach Amsterdam oder London gereist, um uns dort mit Platten einzudecken, die es hier in Deutschland nicht gab. Es ist also heute durchaus leichter, als DJ anzufangen, das darf man auch nicht vergessen.

Über zwei Jahrzehnte hinweg habt ihr es geschafft, stets relevant zu bleiben. Was ist eurer Meinung nach die Formel dafür?

Michael: Wir haben immer nur die Musik aufgelegt, die uns persönlich gefallen hat. Und das hat offenbar auch unserem Publikum immer gut gefallen. Wenn man das in eine Formel packen würde, würde es bedeuten, dass man seinen eigenen Stil entwickeln muss. Playlists aus dem Internet runterzuladen und ein Tomorrowland-Set nachzuspielen, ist fantasielos.

Ihr könnt erfolgreiche Compilations sowie noch immer gefeierte Club-Hits vorweisen. Wie hat sich eure Arbeit – vor allem auch im Studio – im Laufe der Zeit entwickelt?

Steffen: Sie hat sich eigentlich gar nicht so sehr verändert – bis auf die Tatsache, dass wir nun an verschiedenen Projekten parallel arbeiten können. Früher haben wir mit einem Analogpult gearbeitet, da musste man erst eine Produktion fertigstellen, bevor man die nächste anfangen konnte. Wir haben aber auch ein tolles Netzwerk von Leuten, mit denen wir zusammenarbeiten, und vieles geht leichter von der Hand als früher.

Michael: Apropos Compilations: Die haben wir in den 90ern tatsächlich noch mit Vinyl und zwei Plattenspielern gemischt – und wir sind wirklich froh, dass wir in der jetzigen digitalen Ära keine Klangverluste mehr haben. Unsere alten Mix-CDs klangen, sagen wir mal, gewöhnungsbedürftig!

Ihr beide müsst euch in all der Zeit wohl sehr aneinander gewöhnt haben. Wie hat sich eure Beziehung in dieser Zeit verändert?

Steffen: Wir sind ein eingespieltes Team und viele sagen, wir seien fast wie ein altes Ehepaar. (lacht) Wir sind noch immer mit viel Leidenschaft bei der Sache, was Voraussetzung für diesen Job ist. Aber wir sind sehr professionell im Business geworden und unterstützen auch junge Künstler mit unserem Netzwerk und unseren Kontakten.

Aktuell erschienen ist die „House Nation Ibiza 2018“-Compilation. Erzählt uns etwas mehr über dieses Projekt und die Bedeutung, die Ibiza für euch hat.

Michael: Wir haben auf der Compilation wieder zwei Mixe, einen etwas deeperen und einen clubbigen. Wir bringen pro Jahr mehrere Compilations heraus und daher arbeiten wir eng mit den angesagtesten Labels zusammen und bekommen auch jedes Mal einige exklusive Tracks. Die Mischung ist sicherlich ein Grund dafür, dass unsere Compilations immer in die Albumcharts kommen. Bei iTunes gibt es natürlich alle Einzeltracks zum Download, als Bonus noch die zwei DJ-Mixe, und auch die CDs sind meist schnell ausverkauft. Ibiza war für uns einer der Startpunkte unserer Karriere und es ist noch immer etwas Besonderes, auf dieser Insel als DJ aufzulegen.

Der Sommer ist quasi rum. Was sind eure Pläne für die kommenden kalten Wochen und Monate?

Steffen: Wir planen gerade unsere Tourdates für den Rest des Jahres und werden sicherlich auch international unterwegs sein. Im Oktober geht es nach Mexiko und wir hoffen, dass wir Silvester ebenso wie letztes Jahr wieder irgendwo auf der südlichen Halbkugel auflegen werden.

Milk & Sugar im Jahr 2038: Worüber reden wir dann?

Michael: Natürlich über die guten alten Zeiten!

Steffen: Und über Ibiza!

 

Aus dem FAZEmag 080/10.2018 
Text: Triple P

 

 

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