Montag Moll? Nicht mit mir – die Kolumne von Marc DePulse

Marc DePulse – aus dem Leben eines DJs: Montag Moll? Nicht mit mir

Montag. Der erste Tag der Woche und auch gleich der schlimmste von allen, glaubt man Freunden, Bekannten und Netzwerk-Memes. Auf einer Beliebtheitsskala rangiert der Montag irgendwo zwischen Fußpilz, Achselschweiß und Onkel Donald aus Übersee. Montag, das Synonym für miese Laune und Schlechtwetter. Der Tag, an dem die Sonne nie durchkommt, die Mundwinkel stets gesenkt bleiben. Und bekanntlich lacht montags nicht mal die eine, die immer lacht.

Fragt man die gleichen Leute, welchen Tag in der Woche sie am liebsten mögen, antwortet die Mehrheit vermutlich mit „Freitag“ – dank der Nähe zum Wochenende. Zugegebenermaßen habe ich mir selber diese Frage noch nie gestellt. Also bin ich kurz in mich gegangen und kam zu folgendem Entschluss: für mich ist es tatsächlich der sonst so unliebsame Montag – und die Begründung liegt auf der Hand. An keinem anderen Tag der Woche finde ich so gut zu mir selbst, fahre runter, komme an. Denn in der Regel habe ich ein bewegtes Wochenende hinter mir, viel Unrat verzehrt, wurde von Hektik getrieben und habe wenig geschlafen. Montag ist der ultimative Zeitlupen-Tag, man hat keine Termine, aber dafür gefühlt noch leicht einen sitzen. Den Pott Kaffee in der Hand, der Blick gen Ferne, immer noch ein dezentes Summen im Ohr, ein Grinsen im Gesicht, die Augen nur zur Sichel geöffnet und der Schlafanzug klebt den ganzen Tag wie Latex am Körper.

Doch warum genießt der erste Werktag der Woche so einen schlechten Ruf? Es ist einzig und allein an einen Faktor geknüpft: dein Job. Und das liegt völlig auf der Hand. Hat man Samstag und Sonntag viel zu wenig Freizeit genossen, sich noch längst nicht vollends erholt, doch schon blickt mal wieder einer langen Woche entgegen, in der man fremdbestimmt das tun muss, worauf man keine Lust hat. Sofern man keinen Job hat, den man gerne macht. „Such dir einen Job, den du liebst, und du wirst nie wieder ein Problem mit Montag haben“, lässt sich natürlich leicht sagen, wenn man auf der anderen Seite thront.

„Gib jedem Tag die Chance, der schönste deines Lebens zu werden“, zierte jahrelang die Tapete über meinem Jugendzimmer-Bett. Es war die Zeit, in der Wand-Tattoos plötzlich hip wurden. Aber auch wenn die Sprüche noch so Klischee behaftet sind, steckt trotzdem viel Weisheit dahinter. Übersetzt ist es also die Fähigkeit, Dinge hinzunehmen, die man nicht ändern kann und alle unguten Sachen von sich fern zu halten. Sprich: lass dir den Tag nicht von Nichtigkeiten verderben und verschwende nicht so viel Zeit mit negativen Menschen. Am Ziel der eigenen Glückseligkeit ist man angekommen, wenn einem fortan alles nur noch scheißegal ist. Aus Erfahrung bin ich an solchen Punkten übrigens am kreativsten. Blockaden zu lockern befreit den Kopf von Ballast und stellt den inneren Herbst auf Frühling.

Und als DJ? Klar freut man sich aufs Wochenende. Endlich mal wieder neue Tracks testen, die frischesten Releases spielen, die Plattensammlung einfach mal richtig laut hören. Doch ist diese Zeit ja nur ein kleiner Abschnitt des Tages, an dem man sich zu größten Teilen auf Flughäfen, Bahnhöfen, in Hotels und Taxis herumgeschlagen hat. Zwischen all dem Trubel also mal zur Ruhe kommen? Fehlanzeige. Jeder auch noch so umtriebige DJ liebt die Entschleunigung danach und beansprucht die Stille für sich. Sich und die Welt einfach mal ausbremsen. Hashtag „djsunday“.

Das Ding mit dem entspannten Montag funktioniert natürlich auch nur dann, wenn die eigene kleine Ich-AG gut läuft. Kommt man jedoch von einem ruhmreichen Wochenende nach Hause und blickt einem leeren Folgekalender entgegen, ist die Sektlaune schnell verflogen.

Doch allen Vorurteilen zum Trotze – egal, ob man Montag mit einem oder mit zwei Mittelfingern schreibt: alle elf Minuten vergeht am Montag eine Minute. Und ich finde das ganz großartig. Aus jedem noch so tristen Tag kann man für sich das beste heraus holen und die Zeit lebenswert gestalten. Lebkuchen gibt es schließlich früh genug wieder im Supermarkt.

 

 

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Foto:
 Jörg Singer/Studio Leipzig