Moses hat gesprochen – auf Wiedersehen Soundcloud

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Moses hat gesprochen #039, FAZEmag 066/08.2017

Hallo SoundCloud,

nach zehn Jahren und über 200 Mio. USD-Investments liegst du nun im Sterben. Dein leises Röcheln und deine letzten Zuckungen sind schrecklich mitanzusehen. Du hast Musikstreaming aus dem Boden gestampft. Du hast auch uns Independent-Künstlern eine Plattform geboten. Ich habe dich geliebt, verehrt und auf Händen getragen. Ich habe dir deine schlechte Usability verziehen und auch das umgekehrte Prinzip, dass ich als Künstler dafür bezahlte, dass ich meine eigene musikalische Leistung online stellen wollte. Das umgekehrte Prinzip war rebellisch – und hier hatte ich doch die Möglichkeit, eine große Zielgruppe zu erreichen und meine Musik der breiten Öffentlichkeit vorzustellen.

Alternativen wie Mixcloud waren wie gefälschte Louis-Vuitton-Taschen – ähnlich, aber scheiße. So blieb ich dir treu, auch wenn du mich regelmäßig mies behandelt hast. Als wir beide in diesen Urheberrechtsstreit gerieten, wurdest du eklig und unfair. Du hast Firmen wie Universal erlaubt, direkt in deine Matrix einzugreifen und völlig selbstständig Titel und Mixe zu löschen, die sie nach eigenem Ermessen als copyrightverletzend einstuften.

Ab diesem Zeitpunkt hatten wir beide Stress. Deine App ist schlecht und schlecht weiterentwickelt worden, meine Mitgliedschaft aufgekündigt und ich liebäugelte mit deinem österreichischen Konkurrenten. Dein T-Shirt mit der fancy Wolke trage ich immer seltener. Nun streichle ich dir über den Kopf und sehe dich sterben. Ein 900 TB großes Musikarchiv stirbt im Zweifel mit dir.

Ich hoffe, du hast noch eine Chance. Deine Diät könnte dir guttun, den über 170 Mitarbeitern vielleicht nicht – aber hey, das übergeordnete Ziel zählt. Vielleicht küsst dich noch ein Venture-Capital-Prinz wach und findet ein Monetarisierungssystem, das fair ist und dich wieder aufweckt.
Ich wünsche es dir.

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