Woche für Woche machen es die Großen der Szene vor. Sie spielen unzählige Gigs auf der ganzen Welt, obwohl die letzten Singles vielleicht nur mäßig waren. Und schnell kommt der Gedanke auf: „Das kann ich auch, das will ich auch.“
Also ran an die teuren Maschinen – oder die gecrackte Software. Kick, Hi-Hat, Snares, eine nette Bassline, drei bis vier lustige Synth-Sounds und fertig ist der Track. Ja, so einfach kann man heute elektronische Musik machen – dank moderner Mittel auch klanglich in einer Qualität, von der man früher nur träumen konnte.
„Mutti, ich habe jetzt eine Single draußen, sogar noch auf meinem eigenen Label. Richie Hawtin hat sie sich auch schon heruntergeladen. Jetzt brauche ich dringend eine Agentur, die mich groß rausbringt.“ Meine Ironie im Satzbau lässt unschwer erkennen: ganz so leicht hoppelt der Hase dann doch nicht übers Feld. Erfolgreich sein ist wie eine Schwangerschaft: jeder gratuliert dir, aber keiner hat eine Ahnung, wie lange du dafür geübt hast.
Hier schließt sich der Kreis zur Frage: Brauche ich einen Booker? Viele junge Künstler glauben, dass ihnen eine Agentur mit hundertmal mehr Kontakten schnell den Kalender füllen wird. Die geweckten Hoffnungen enden in den meisten Fällen jedoch in großer Ernüchterung, denn natürlich wird das Interesse an einem Künstler nicht plötzlich größer, nur weil er in einer Agentur ist. Was zählt, sind die Qualität der eigenen Musik, die Labels, auf denen man veröffentlicht, die eigene Außendarstellung und selbstverständlich der daraus resultierende Bekanntheitsgrad. Gewisse Voraussetzungen sollte man also schaffen, bevor man sich eine Agentur sucht.
Was also tun? Akquise ist der erste Schritt ins eigene Netzwerk. Man sollte die wichtigen und richtigen Leute kennenlernen und sich anbieten – nicht anbiedern: Veranstalter, Werbetreibende, Radiosender, Label-Manager und freilich viele gleichgesinnte Kollegen. Vor allem aber sollte man bessere Musik machen und diese auf möglichst viele verschiedene Märkte streuen. Das gilt für Newcomer genauso wie für etablierte Künstler. Jammern, dass der Kalender nicht voll ist, bringt einen kreativen Menschen nicht weiter. Im Gegenteil: es blockiert und bremst aus.
Eine Agentur will im Endeffekt auch nur Geld mit dem Act verdienen, also muss der wirtschaftliche Faktor auf beiden Seiten stimmen. Ein Künstler, den man über die Jahre hinweg aufbauen muss, bringt kurz- und mittelfristig keinen Ertrag und verspricht noch lange nicht, dass sich investiertes Geld, Zeit und Nerven irgendwann überhaupt einmal bezahlt machen.
Ist man den Weg einmal gegangen und lässt sich möglichst exklusiv von einer Agentur vertreten, läuft es so ab: die Agentur bietet den Künstler auf ihrer Plattform an, betreibt selbst Akquise und nutzt bestehende Kontakte. Aber auch dieser Prozess ist anfangs mit viel Geduld verbunden. Hier sollte man sich aber auch einmal in die andere Seite hineinversetzen können und hinterfragen: Bringe ich dem Veranstalter einen Mehrgewinn? Natürlich beantwortet diese Frage jeder gern mit „ja“. Man muss jedoch lernen, realistisch einschätzen zu können, welche Stufe des Treppchens man belegt. Realistisch heißt, volltrunkene Liebesbekundungen im Club oder das Schulterklopfen der besten Freunde entziehen sich dieser Beurteilung.
Ich habe in letzter Zeit einige Acts erlebt, die auf Teufel komm raus Erfolg haben wollen. „Anlauf statt Gleitgel“ ist kein Rezept. Es heißt schließlich „Klasse statt Masse“ und nicht andersherum. Meine Erfahrung aus über 15 Jahren im Musikgeschäft hat mich gelehrt: in der Ruhe liegt die Kraft, denn gut Ding braucht mitunter richtig viel Weile. Manchmal muss man einen Schritt zurückgehen, um dann zwei nach vorn zu machen. Auch ich bin den holprigen Weg gegangen, bin oft hingefallen und falle auch immer noch hin. Es kommt dann darauf an, sich immer wieder aufzurichten und aus seinen Fehlern zu lernen. Nur wer das Tag für Tag realisiert, wird auch in zehn Jahren noch lachen.
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