Früher hatte ich selten mal eine kreative Blockade. Heute habe ich selten mal keine.
Es gehört Mut zum „sich Ändern“. Es ist unbekanntes Terrain, welches sich auftut. Veränderung könnte Gutes bringen, aber eben auch Verschlechterung. Besser lasse ich alles so, wie es ist. Aus dieser Angst heraus entscheide ich mich, den Beruf einfach immer weiter zu machen, meine eventuell schlecht laufende Beziehung immer weiter gehen zu lassen, und mich am besten nie wieder irgendwelchen Gefahren auszusetzen.
Das Gute liegt aber immer in der Veränderung. Wo auch sonst. Leben ist Veränderung. Stillstand ist wie gefangen sein. Wenn Freiheit „Offenheit und Kraft“ bedeutet, dann könnte das Gegenteil „kraftlos, ohnmächtig und ängstlich“ sein.
Es gibt einen Song von Janis Joplin, in dem sie singt: „Freedom is just another word for nothing left to lose“.
Also bin ich frei, wenn ich nichts habe. Heißt das dann auch, wenn ich viel habe, werde ich zunehmend gefangener und ängstlicher? Nicht nur im Materialistischen, sondern gerade auch in einer Position, die ich mir erarbeitet habe oder in der ich mich befinde? Habe ich durch meine erarbeitete Position jetzt auf einmal auch Angst bekommen?
Ich werde oft gefragt, warum ich, nach so vielen Jahren, immer noch so aufgeregt bin, wenn ich einen Auftritt habe. Um ehrlich zu sein, ich hatte früher weniger Lampenfieber. Es gab früher aber auch kaum Erwartungen an mich. Ich habe gemacht, was ich wollte und wie ich es wollte. Diese Leichtigkeit ist schön und inspirierend. Heute bin ich oft einer der Headliner auf Veranstaltungen, die Erwartung ist viel höher. Ich denke mir dann: „Bitte lass es gut werden! Ich wünsche, oder besser noch, bestelle, dass es gut wird“. Ich habe auf jeden Fall mehr Versagensangst.
Kann es sein, dass ein ganzes Land, welches viel besitzt, auch mehr Angst hat? Könnte es sein, dass diese Angst erst durch den Besitz unbewusst entsteht? Wir könnten das, was wir haben, verlieren. Es könnte uns dann schlechter gehen. Aber vor wem haben wir jetzt Angst? Gibt es da wirklich jemanden? So richtig rational ist die Furcht nicht. Aber doch ist da etwas. Mehr Sinn würde alles ergeben, wenn da eine klare Bedrohung wäre. Vielleicht erschaffen wir unterbewusst eine Bedrohung, damit alles wieder Sinn ergibt. Wer oder was kann denn das sein? Schauen wir uns mal um, da wird sich doch wer finden lassen, der uns etwas wegnehmen will.
Wenn ich hier so schreibe, frage ich mich, ob ich weniger haben sollte. Ich besitze nicht viel, eigentlich fast nichts. Ich habe kein Studio (mehr) oder Auto. Keinen Fernseher oder keine teure Uhr. Doch besitze ich eine Art von erarbeitetem Erfolg, der mich formt, eventuell aber leider auch in eine ängstliche Richtung. Ich kann es selber noch nicht ganz analysieren. Erkennen kann ich aber, dass nach großen Erfolgen das Musizieren erst leichter ist, dann aber zunehmend schwieriger wird.
Wird das Musizieren schwieriger, je mehr ich erreicht habe? Erklärt das meine kreativen Blockaden? Ich tue mich sehr oft schwer, etwas fertig zu bekommen. Kann es sein, dass das nur so ist, weil ich denke, ich habe etwas zu verlieren? Ich muss beim Produzieren zunehmend mehr kämpfen, die Leichtigkeit und die Freiheit zu behalten. Wie komme ich aus dieser Gedanken-Gefangenschaft wieder heraus?
Innovation sehe ich bei Künstlern, die sich nicht so sehr festgelegt haben. Der Erfolg bleibt dann eventuell aus oder besser, zum Glück bleibt er aus. Produzieren sie doch die wirklich progressive Musik. Ich benutze das Wort progressiv hier nicht als Musikrichtung, sondern als eine Beschreibung von Offenheit. Für mich ist progressiv „nach vorne schauend, verändernd“ und konservativ ist eher „nach hinten schauend und beibehaltend“.
Egal welche Musik du jetzt gerade gut findest, es gibt sie nur, weil jemand in der Vergangenheit mal etwas anders gemacht hat. Ich möchte vorsichtig andeuten, dass das Kritisieren des Neuen und Progressiven wahrscheinlich aus Angst entsteht. Und doch ist diese Veränderung so wichtig, denn ohne sie hätten wir keine der Musikrichtungen von heute. Produzenten, die progressive Musik machen, werden immer viel Kritik abbekommen. Das ist die unbewusste Angst vor Veränderung. Wenn du als Künstler kritisiert wirst, machst du aus meiner Sicht etwas richtig, denn du polarisierst durch Veränderung, lässt dich nicht durch Angst regieren.
Abschließend möchte ich sagen: Diese Angst, hat eigentlich jeder von uns. Wo haben wir das gelernt? In der Schule vielleicht? Wurde uns ganz früh schon beigebracht, Angst haben zu müssen. Kann ich mithalten, muss mich bessern, darf nicht durchfallen. Angst als Antrieb sehen, um im Wettkampf zu bestehen. Ich erinnere mich, dass früher oft gesagt wurde, Konkurrenz belebe das Geschäft. Neue Studien haben ergeben, dass dem nicht so ist. Der Wettkampf macht oft einfach unproduktiv und ängstlich.
Das könnte dich auch interessieren:
Neelix on Tour – die Kolumne Pt. 1
Neelix on Tour – die Kolumne: Erfolg ist, wenn du ein netter, respektvoller Mensch bist
Interview: Neelix – der riesige Baum
Unsere Lieblings-Goa-Festivals