Neelix on Tour – die Kolumne: Teurer Studioschmuck und der Unterschied zwischen Tracks und Songs

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Neelix on Tour – die Kolumne: Teurer Studioschmuck und der Unterschied zwischen Tracks und Songs.

 

Ich weiß noch, als wäre es gestern gewesen. Mein Freund Marc und ich haben uns zwei schwarze Hüte gekauft. Ganz billige, ohne Aufdruck. Wir haben dann von unseren alten Vision-Street-Wear-Shirts die Schilder aus dem Kragen abgetrennt und an die Hutkrempe genäht. Warum haben wir das gemacht? Wollten wir uns abheben? Wollten wir bewundert werden?

Versuche ich mit materialistischen Sachen, eine innere Schwäche auszugleichen? Wahrscheinlich fühle ich mich besser, wenn ich mir dieses oder jenes gönne. Funktioniert diese Befriedigung? Bin ich allein damit oder haben das andere auch? Vielleicht hat das ja jeder. Wenn ja, woher kommt das? Vielleicht wurde uns ja unbewusst – oder auch bewusst – beigebracht, dass uns etwas fehlt und das es Abhilfe gibt, die natürlich Geld kostet.

Ich war früher Skater, beziehungsweise bin es noch. Wenn ich nach vielen Jahren des Übens, mit viel Blut und Schmerz, einen schweren Trick endlich geschafft habe, habe ich mich tierisch gefreut. Diese erworbene Fähigkeit war sehr viel Wert für mich. Vielleicht hat es ja der lange Weg so kostbar gemacht.

Bedeutende Werte brauchen also vielleicht eine Geschichte oder eine ideelle Verbindung. Eine Ausnahme hiervon könnte die emotionale Bindung sein, die kann schnell erzeugt werden und ist leichter planbar. Aber wie geht das? Warum hat die Marke Moog auf mich eine emotionalere Wirkung, als zum Beispiel die Marke Elektron? Warum ist das so? Kommt das nur durch Mundpropaganda von den Leuten um mich herum – Leuten zu denen ich eventuell aufschaue? Aufschaue wegen Fähigkeiten. Also will ich das Skateboard von dem haben, der etwas kann, was ich auch gerne können möchte.

Klassische Werbung also. Gibt es schon subtilere Werbung, die ich gar nicht mitbekomme? Hat Apple eine emotionale Strategie bewusst geplant und mich damit beeinflusst? Ich glaube, dass diese emotionale Werbung nur kurz angeschoben werden muss und ab diesem Punkt tatsächlich die Menschen/Käufer ganz eigenständig die Werbung übernehmen. Der Wunsch danach, besonders zu sein und sich abzuheben, ist so groß, dass wir ganz von allein Werbung für „uns“ machen, das aber durch ein Produkt, welches wir bewerben. Für mich ist das auch im Studiobereich nicht anders.

Vor circa drei Jahren ließ ich mir mein erstes richtiges Studio bauen. Es war unglaublich schön. Der Klang war so toll. Ich war mir sicher, dass ich hier viel besser Musik produzieren würde als bei mir zu Hause. Zum neuen Studio habe ich mir dann auch noch einen Analog-Synthesizer gekauft – muss man haben, hieß es. Und super gute Boxe – sind die besten, sagte man mir. Nun saß ich da: „Schön ist es hier und es klingt auch super.“ Leider fehlte mir schnell ein Fenster und frische Luft, saß ich doch nun in einem Luftschutzbunker. Produziert habe ich letztlich leider nur selten in diesem Studio, ich brauchte diese ganzen Sachen gar nicht. Also saß ich dann wieder zu Hause in meiner Küche.

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Die Einfachheit meiner Küche ist inspirierend. Mein Studio war es leider nicht.

Könnte zu viel Technik und das Konzentrieren auf teures Equipment, um den Klang zu verbessern, mich unbeweglicher machen? Kreativität braucht Freiheit, Offenheit, Beweglichkeit und Einfachheit. Ich bin freier, wenn ich mich nicht ständig frage, ob die Qualität des Klanges gut ist.

Capo (alias Liquid Soul) hat mir mal einen interessanten Unterschied aufgezeigt. Er sagte: „Es gibt Songs, und Tracks. Ein Track läuft so nebenbei durch. Die Leute werden sich nicht lange daran erinnern, weil das Thema schwach ist. Und dann gibt es Songs mit starken Themen, diese werden ewig bestehen und die Leute werden sich immer daran erinnern.“

Wenn ein Produzent in seinem professionellen Studio oft Tracks produziert und ich ihn dann mal zu mir in die Küche einlade würde, könnte es sein, dass er dann dort öfters Songs produzieren würde?

Teurer Studioschmuck, der in den 19-Zoll-Racks verstaubt, hilft nicht eingestaubte kreative Abläufe zu beflügeln. Im Gegenteil, zumindest aus meiner Sicht. Mich hat es eher gebremst und verwirrt. Ich habe das komplette Studio mit allem darin einfach wieder verkauft.

Das Gerede, was alles gut ist und was man haben muss, ist zu vernachlässigen. Es erinnert ein wenig an: „Kennst du einen guten Zahnarzt? Ja, meiner ist der beste.“ Wir schwärmen vielleicht von unseren Sachen, um zu glänzen. Ich habe was, was du nicht hast. Ich weiß was, was du nicht weißt.

Es ist natürlich sehr wichtig, dass eine Produktion gut klingt. Mein Gedanke ist nur, Know-how ist oft wichtiger als Equipment. Nur weil ich mir eine gut klingende Gitarre kaufe, heißt das nicht, dass ich jetzt besser Gitarre spiele.

Am besten ist aber natürlich ein super Gitarrist mit einer gut klingenden Gitarre (lacht).

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