Neu im Kino: Das Tier im Dschungel – von Disco zu Techno

Foto: Elsa Okazaki

Am 5. Oktober ist es so weit: Der Film „Das Tier im Dschungel“ des österreichischen Regisseurs Patric Chiha (Foto) läuft in den deutschen Kinos an. Frei nach einer Kurzgeschichte von Henry James erzählt der Streifen ein düsteres, verführerisches Nachtclub-Drama, das sich von 1979 bis 2004 und somit von Disco zu Techno erstreckt. Der auf der diesjährigen Berlinale aufgeführte Film handelt von einer Geschichte der Liebe, die sich schnell zu einer Geschichte der Besessenheit entwickelt und die Zuschauer*innen auf eine packende Reise entführt, angesiedelt zwischen dem queeren Discoglitter der 1970er-Jahre und dem ekstatischen, schweißtreibenden Techno-Trance der 90er. Inspiration fand Chiha auch im Berliner Berghain.

Die Presse ist sich einig: Mit „Das Tier im Dschungel“ hat Patric Chiha sein bis dato fesselndes und ergreifendstes Werk auf die Kinoleinwand projiziert. „Glanzvoll und hypnotisch. Eine der schönsten Überraschungen dieser Berlinale“, weiß etwa die französische Zeitung Le Monde das Werk zu schätzen; das Portal Cineuropa spricht von einer „unglaublichen existenzialistischen Reise, romantisch, euphorisch, melancholisch und melodramatisch zugleich.“ Worum es in „Das Tier im Dschungel“ genau geht, das wissen zunächst weder die Zuschauer*innen noch die Protagonist*innen (großartig: Anaïs Demoustier als May und Tom Mercier als John). Über zwei Dekaden hinweg scheint das Liebespaar auf ein mysteriöses Ereignis zu warten, dessen Auswirkung und Form ihnen in keinster Weise bekannt zu sein scheint. Während ihre gegenseitige Liebe und Besessenheit im Laufe der Zeit immer stärker wird und das Warten auf das große Unbekannte Jahr für Jahr fortwährt, durchleben die beiden verschiedene Ären der Musik und kommen letztlich auch mit dem Aufstieg des Technos nach der Jahrtausendwende auf intimste Art und Weise in Kontakt.

Mit seinem Film liefert Regisseur Patric Chiha eine Ode an den Nachtclub und beschreibt diesen in höchst anspruchsvoller ästhetischer Manier als einen pulsierenden Ort der Freiheit, der Liebe, des Tanzes und des Rauschs, der vergeblich versucht, sich von gesellschaftspolitischen Gefahren unbeeindruckt zu lassen. Eine Beschreibung, die nur zu gut auf den legendärsten, sagenumwobensten Technoclub zutrifft: das Berghain. Und so überrascht es nicht, dass Chiha bei seinen Besuchen im Berliner Techno-Tempel eine maßgebliche Inspiration für „Das Tier im Dschungel“ fand.

„Während der langen Zeit, in der ich an diesem Film geschrieben habe, ging ich immer wieder in Clubs, vor allem in Berlin. Im Berghain gibt es zwei Räume, die Tanzfläche und eine Art Balkon, von dem aus man die Tanzfläche beobachten kann. Die Hälfte der Zeit tanze ich, die andere Hälfte stehe ich auf dem Balkon und beobachte die Leute, projiziere Geschichten auf sie, die diese Nacht in eine Fiktion verwandeln, die viel größer ist als eine Nacht im Club. Es ist ein großer Genuss, wenngleich auch ein wenig morbid zu leben und auch zuzusehen, wie man lebt. Übrigens haben wir eine Idee aus dem Berghain übernommen, wo gegen 5 Uhr morgens […] im oberen Raum die Jalousien geöffnet werden. Plötzlich kommt man aus der Nacht heraus und das Leben beginnt wieder. Dann werden die Jalousien wieder geschlossen, um uns nicht abrupt aus dieser Fiktion zu reißen. Diese seltsame Zeitlichkeit zwischen Tag und Nacht, Leben und Tod ist gleichzeitig euphorisierend und sehr melancholisch.“

„Das Tier im Dschungel“ läuft ab dem 5. Oktober in ausgewählten deutschen Kinos.
www.grandfilm.de/das-tier-im-dschungel

FR/BE/AT 2023, 103 Minuten, DCP-2k, franz. OmU-Fassung
Regie: Patric Chiha
Drehbuch: Patric Chiha, Axelle Ropert, Jihane Chouaib
Kamera: Céline Bozon, Schnitt: Karina Ressler, Julien Lacheray
Ton: Atanas Tcholakov
Sound Design: Mikael Barre
Originalmusik: Yelli Yelli & Florent Charissoux, Dino Spiluttini
Choreografie: Lorenzo de Angelis
Ausstattung: Eve Martin
Kostüm: Claire Dubien, Hair & Make-Up: Lila vander Elst, Paul-François Matraja
Produktion: Charlotte Vincent, Katia Khazak (Aurora Films), Cassandre Warnauts, Jean-Yves Roubin (Frakas Productions), Ebba Sinzinger und Vincent Lucassen (WILDart FILM)

mit: Anaïs Demoustier, Tom Mercier, Béatrice Dalle, Martin Vischer, Sophie Demeyer, Pedro Cabanas, Mara Taquin, Bachir Tlili u. a.


Aus dem FAZEmag 140/10.2023