Ninja Tune – 30 Jahre Peter Quicke

Credit: Ninja Tune

Angefangen aufzulegen hat Peter Quicke bereits in den 70er-Jahren in seiner Heimatregion Devon im Südwesten Englands. In den 80er-Jahren studierte er Philosophie in Manchester. Nach fünf Jahren im heimischen Käse- und Eiscreme-Imperium inklusive Tätigkeiten auf der hauseigenen Farm lernte er 1992 Matt Black und Jonathan More alias Coldcut kennen. Das Duo hatte zwei Jahre zuvor das Label Ninja Tune und den Verlag Just Isn’t Music gegründet. Heute beschäftigt Ninja Tune rund 60 Mitarbeiter*innen mit Offices in London, Los Angeles, Berlin und Paris und zählt mit seinen Sub-Labels wie Big Dada und Counter Records zu den bekanntesten Imprints der Musikwelt.

Künstler*innen wie Bonobo, ODESZA, Thundercat, Young Fathers, Bicep und The Cinematic Orchestra sind gemeinsam mit dem Londoner Label gewachsen und jeweils zu legendärem Status innerhalb ihres Metiers avanciert. Beeindruckend dabei ist, dass sich Ninja Tune soundtechnisch mitnichten beschreiben lässt. Vielmehr zeichnet sich das Label durch einen ausgesprochen einzigartigen Vibe aus. Peter Quicke, der im kommenden September 30 Jahre bei Ninja Tune zelebriert, spielte dabei eine entscheidende Rolle.

Darauf angesprochen, geht Quicke an die Anfänge zurück, um die Philosophie des Labels in Worte zu fassen: „Coldcut hatten zu Beginn einen ganz speziellen Vibe mit ihren DJ-Food-Alben, die im Prinzip das Image von Ninja Tune zu Beginn sehr prägten. Es ging um gesampelte Hip-Hop- und Jazz-Beats. Die Szene veränderte sich und diese Styles wurden durch Acts wie Portishead oder Morcheeba immer salonfähiger. Über die Jahre haben sich Stile und Genres immer wieder in andere Richtungen entwickelt, House-Musik war dabei damals kein allzu großer Bestandteil unseres Schaffens, es entwickelte sich mit der Zeit immer mehr dorthin. Heute blicken wir auf großartige Künstler*innen wie BICEP oder Sofia Kourtesis, die unglaublich gute Sachen machen und zur Label-Identität gehören. Die Absicht war irgendwann, stets einen Bezug zur elektronischen Musik beizubehalten, dabei aber immer offen gegenüber Neuem zu sein. So offen, dass wir auch Sachen wie Black Country, New Road signen, die gerade wieder eine fantastische EP auf Technicolour veröffentlicht haben und schon in die Charts eingestiegen sind. Im Grunde geht es uns um gute Musik.“

Diese gab es in den vergangenen 30 Jahren in rauen Mengen, unzählige Releases des Katalogs gelten heute als Meilensteine der Musikgeschichte – darunter z.B. Veröffentlichungen von Amon Tobin oder The Herbaliser. In diesen drei Jahrzehnten erlebte das Londoner Brand aufgrund seiner langen Schaffenszeit wie nur wenige Labels Dinge wie Kommerzialisierung und Digitalisierung: „Es ist absolut unabdingbar, mit der Zeit zu gehen und sich anzupassen. Auch wir haben immer mal einige Extrarunden drehen müssen, um stets aktuell zu bleiben. Heute muss man eben Medien wie TikTok oder YouTube bedienen. Und es bringt nichts, diese Kanäle zu ignorieren, nur weil man sich unter Umständen nicht damit identifizieren kann. Die Welt entwickelt sich, und um gesehen und gehört zu werden, müssen immer wieder Anpassungen erfolgen. Ich erinnere mich noch an Zeiten, wo die wichtigsten Elemente unseres Büroalltags Stift und Zettel waren. Wollen wir diese Zeiten wirklich wieder zurück? (lacht)“

Auch seine persönliche Rolle innerhalb der Firma hat sich mit der Zeit verändert – vom Allrounder zur beratenden Funktion mit Büros auf mehreren Kontinenten: „Als ich angefangen habe, habe ich mich praktisch um alle anfallenden Aufgaben gekümmert. Von A&R, über Vinyl-Produktion, Presse, Bemusterung, Accounting, Statements, Copyright und mehr. Heute haben wir zum Glück ein fantastisches Team, das das alles viel besser kann.“ Gemeinsam mit diesem führt das Label eine herausragende Beziehung zu seinen zahlreichen Künstler*innen, die in Interviews eben jene immer wieder ansprechen. Der Grund dafür? Für Quicke das Ergebnis von Kommunikation auf Augenhöhe: „Ich bin nach all den Jahren immer noch fest davon überzeugt, dass es ein großer Unterschied ist, ob ein Label von Künstler*innen oder von einer Agentur bzw. Manager*innen gegründet wird. Außerdem hatten wir immer einen äußerst fairen Blick auf die Dinge. Unser 50/50-Deal, den wir mit allen Künstler*innen bis heute umsetzen, gepaart mit der langen und engen Partnerschaft, die wir mit ihnen eingehen, macht in der Summe vielleicht einen Unterschied in der Beziehung mit den Acts. Ich persönlich empfinde es als unsere Aufgabe, nicht nur Releases zu veröffentlichen, sondern gemeinsam mit den Künstler*innen etwas zu erschaffen. Es freut mich natürlich, dass wir solch ein Image genießen. In meinen Augen machen das aber viele andere Labels genauso oder ähnlich. Wir wissen, wer wir sind, konzentrieren uns auf unsere Identität und sind damit bislang ganz gut gefahren.“

Für die nächsten Monate stehen zahlreiche hochkarätige Releases an, darunter „fantastische Sachen von Young Fathers, Thundercat, Folly Group, Sofia Kourtesis, Kadhja Bonet, TSHA und mehr“, wie Quicke verrät. Zu guter Letzt richtet er auch noch Wünsche an FAZE: „Vielen Dank für euren Support über all die Jahre und von ganzem Herzen alles Gute zu eurem zehnjährigen Jubiläum. Es ist sehr erfreulich, dass es dort draußen noch ein qualitativ hochwertiges Printmedium über solch einen langen Zeitraum schafft. Auf die nächsten zehn!“

 

Aus dem FAZEmag 121/03.22
Text: Triple P
Credit: Ninja Tune
www.ninjatune.net