Northern Lite – Es bleibt alles anders

Wir schrieben das Jahr 1997, als erstmalig aus dem sonst musikalisch eher brach liegenden Thüringen mit Northern Lite eine Band auf der Bildfäche erschien, die gekonnt Elektronisches mit klassischen Rockband-Elementen vermischte und so 2001 mit “Small Chamber Works” ein innovatives Debütalbum vorlegte, das gleich zahlreiche Anhänger fand. Seither gab immer wieder auch Veröffentlichungen, die seitens der Fans nicht als typischer Northern Lite-Sound akzeptiert und auch schon mal abgelehnt wurden. Doch Ende November erscheint mit “I Like” das nunmehr achte Album der heute dreiköpfigen Band aus Erfurt, und hierauf geht es dann doch wieder ganz Northern Lite-typisch neopoppig zu. Wir sprachen mit Sänger und Songwriter Andreas Kubat über Sinnkrisen, Hoffnungslosigkeit und das tolle Gefühl, endlich zu sich selbst gefunden zu haben.

Wo seht ihr selbst nach 15 Jahren Bandgeschichte die größten Unterschiede zwischen Northern Lite in den Anfangstagen und Northern Lite heute? Auf welchen Ebenen – persönlich und/oder musikalisch – habt ihr euch gefühlt am meisten voran entwickelt?
Wir haben eine Menge Erfahrungen gemacht, und es war eine echt geile Zeit, aber zu deiner Frage: Früher haben wir ausnahmslos alles aufgesaugt und haben uns auch ziemlich viel Blödsinn erzählen lassen, nicht jeder – wir ganz sicher nicht – wird in das Musikbusiness hineingeboren. Im Gegenteil, wir haben sogar erst ziemlich spät begriffen. dass wir überhaupt Teil davon sind. Ich glaube, wir haben so langsam gelernt, welches Wissen sinnvoll ist und welches unwichtig, und welches sogar manchmal gefährlich (z.B. für die eigenen Ideale). Was das Persönliche angeht, hat sich meine Einstellung zu Drogen grundsätzlich geändert. Ich war mir früher sicher, dass das nun mal zum Lebensstil gehört, wenn man sich in der elektronischen Musikszene bewegt. Heute weiß ich, das ist Quatsch und war nur eine Ausrede vor mir selbst. Das eine hat mit dem anderen überhaupt nichts zu tun. Drogen zu nehmen oder nicht macht einen nämlich weder „cool“ oder „uncool“, noch zum Teil einer bestimmten Szene, noch separiert es einen von dieser. Das ist einfach nur eine Frage jeder einzelnen Person selbst. Ich musste mir einfach mal beweisen, wer der Chef in meinem Kopf ist und daher ein paar „interne Kündigungen“ aussprechen. Das hat mich nicht besser, schlechter, „cooler“ oder „uncooler“ gemacht. aber definitiv wacher, leistungsfähiger und gesünder.

Seht ihr eine Entwicklung im Laufe der Zeit als einen ganz natürlichen Vorgang im Leben einer Band oder sind manche Entscheidungen in den letzten Jahren schon auch ganz bewusst getroffen worden, um etwas anders zu machen, Erfolg zu generieren oder eine andere Zielgruppe/Szene anzusprechen?
Vielleicht ist da schon etwas dran, wir haben uns schließlich eine Menge Musikindustrie-Latein anhören müssen. da gibt es einiges an zweifelhaften Weisheiten… „Singlehit macht Album fit“ zum Beispiel. Ich hasse diesen Spruch, wie oft habe ich den gehört habe … Nein, in erster Linie wollten wir nicht im Kreis gehen und nur noch Handwerker sein, die etwas herstellen, das jemand anders gern haben möchte. Wir wollten nicht die die Modern Talking der Electronic werden und denselben Sound bis zum Erbrechen wieder und wieder machen, nur weil es eben funktioniert und sich verkauft. Schon der Gedanke hat uns angeekelt. So hatten wir nicht unser Feuer für die Musik entdeckt, und so wollten wir es auch nicht herunterbrennen lassen. Also haben wir immer das nächste, andere Extrem gesucht. Aber wir waren so oder so nie ein reiner Electronic Act sondern schon immer ein Hybride, ein Kind mehrerer Welten, schon vom ersten Album an. Wir hatten also die freie Wahl, welcher Welt wir beim nächsten Streich den Vortritt lassen. ob das jeweils richtig oder falsch war, kann man nicht über Verkaufszahlen beantworten. Aber es gibt da diesen speziellen Augenblick, wenn ein Album im Studio gerade fertig geworden ist, und noch niemand außer uns hat es gehört, und wir sagen: „Man ist das geil geworden!“ – dann ist es richtig. Und dieses Gefühl haben wir gerade wieder.

Ihr habt in den vergangenen Jahren zahlreiche Höhepunkte als Band erlebt. Gab es dabei auch gelegentlich Tiefpunkte, an denen ihr möglicherweise in der Sinn- oder Kreativkrise stecktet?
Andreas: Kreativkrise nicht, musikalisch gesehen eher eine Zeitkrise, denn ich habe meist viel mehr Ideen als Zeit, diese umzusetzen. Aber ein „niemals“ wäre, auf die Sinnkrise bezogen, glatt gelogen. Eine Band kann nicht solange bestehen ohne ab und an über den Sinn oder Unsinn des eigenen Tuns nachzudenken. Und auch nicht, ohne manchmal alles hinschmeißen zu wollen. So etwas ist aber keine Frage von Erfolg oder Misserfolg, Es geht da so gut wie immer um Persönliches. Der ganz normale zwischenmenschliche Wahnsinn sozusagen. Wir haben schon früh gelernt, uns während und abseits der Touren aus dem Weg zu gehen, um den Rolling Stones-Effekt zu vermeiden. (Der Rolling Stones-Effekt: Vier Musiker reisen in vier Tourbussen bzw. Privatjets und begegnen sich nur noch wegen der Kohle – ausschließlich auf der Bühne – weil sie sich privat eigentlich hassen) Aber es bleibt nicht aus, dass man sich hin und wieder – meistens wegen Kleinigkeiten – auch einfach nur noch die Fresse einschlagen möchte. Bisher hatten wir das Glück, dass wir uns immer auf eine Gemeinsamkeit besonnen haben: unsere Vision von Northern Lite.

Zur ersten Singleauskopplung „Black Day“ gibt es bereits einen Videoclip. Wie und wo ist dieser entstanden? Versucht ihr, mit eurer Musik und euren Videos bewusst auf Missstände hinzuweisen und Leute aufmerksamer zu machen?
Wir sehen uns tatsächlich nicht nur als Unterhalter, aber auch nicht als „die Band mit dem erhobenen Zeigefinger“. Das Video ist in Bosnien entstanden und unterstützt das Gefühl des Songs ganz gut, wie ich finde. Es symbolisiert die Unumkehrbarkeit des Krieges durch die zerstörten Häuser, die niemand wieder aufbaut und die Menschen (bei einer Prozession zum Gedenken an die Gefallenen), die für immer mit den Erinnerungen an ihren eigenen schwarzen Tag leben müssen. Seht in ihre Augen, die Gefühle sind echt. Da ist nichts gespielt.

Auf „I Like“ fallt ihr erneut durch eure Kombination elektronischer Beats, klassischer Bandelemente, echter Songstrukturen und durchdachter Texte auf. Was sind sonst noch Dinge und Situationen, aus denen eure nicht immer unbedingt positiv belegten und oft emotionalen Lyrics entstehen?
Musik ist schon immer auch ein Mittel gewesen, sich auszudrücken, genau wie jede andere Kunst auch. Man will etwas loswerden, einen Gedanken der einen festhält, einen Widerspruch im Leben, der einen schreien lassen möchte, Liebe die man empfindet. so etwas muss raus. Als Musiker kann man einen Song darüber schreiben und damit den Druck abbauen. “Black Day” z.B. ist an so einem Tag der Hoffnungslosigkeit entstanden, den wohl jeder schon einmal erlebt hat. wenn man so enttäuscht ist, dass man sogar am Leben und dessen Sinn selbst zweifelt. Ich weiß, ich habe ein verdammtes Glück, dass ich in so einem Moment einen Song schreiben kann, um dieses Gefühl zu materialisieren und damit ein Stück weit aus meinem Herzen herauszubekommen. Ich gebe dem Gefühl einfach ein neues Spielfeld, so kann es von mir ablassen. Klappt nicht immer so ganz, aber es hilft. und gleichzeitig frage ich alle die das hören: „Kennst du das Gefühl?“, und suche damit nach Gleichgesinnten.

Wie geht es im neuen Jahr mit euch weiter? Ich nehme an, ihr plant bereits eure Tour zum Album?
Ja, einige Termine stehen schon fest und können auf den gängigen Webpages eingesehen werden. Weitere sind in Planung.  

Ihr feiert 2012 euer 15-jähriges Bandjubiläum. Habt ihr hierfür besondere Pläne? Odere wartet ihr damit lieber bis zum 20-Jährigen?
Ich denke schon dass wir es da einmal besonders krachen lassen werden. Wir arbeiten daran. vielleicht ein „15 jahre NL Karaoke Wettbewerb“ mit uns als Jury? Mal sehen … Wer zur Feier des Anlasses leicht oder noch besser unbekleidet aus einer Torte hüpfen möchte, kann sich schon mal mit Foto bei uns bewerben.

“I Like” ist am 25. November bei UNA Music erschienen.

www.northern-lite.de
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