
Ok, dieser Test war ein voller Erfolg. Zumindest für mich persönlich und mein Clubbing-Verhalten. Natürlich höchst irrelevant für alle Leser*innen – aber ich habe eine neue Ebene des Auflegens kennengelernt, die völlig anders war als alles, was ich bis jetzt kannte. Leute waren auf einer ganz anderen Ebene connected und der DJ stand in völliger Wechselwirkung mit dem Raum. Resonanz, Resonanz, Resonanz. Und das alles nur wegen eines kleines Mischpults, das anders aufgebaut sein soll? Nur wegen eines Stücks Technik aus Plastik, Stahl und bissle Elektronik? Die merkwürdige Antwort ist: Ich glaube, ja.
Um die Sache schnell aufzulösen: Es geht um Rotary-Mixer. Und die haben eigentlich die meisten Dinge an Board, die ein normaler Clubmixer auch hat. Und die machen einen schlechten DJ sicherlich nicht zu einem guten. Was aber definitiv unterschiedlich ist: das Produkt-Design. Unter Designer*innen sagt man gerne „Form follows function“. Und andersherum ist es genauso. Wenn du das Konzept DJ-Mischpult nochmal neu aufbaust, andere Kontrollregler nutzt und gewissen Funktionen einen viel größeren Raum gibst – dann landet man eben auch bei einer anderen Art der Performance und bei einer anderen Art, Musik zu mischen. Wir schauen uns heute mit Vergnügen den neuen Omnitronic TRM-222 an und gucken, warum und ob Rotary so gut funktioniert. Aber vorher schaut ihr als Hausaufgabe bitte nochmal die New Yorker DJ-Legende Joe Claussell an seinen geliebten Rotary-Knöppen in-the-mix an.
Drehregler. Und zwar only Drehregler. Das ist einer der entscheidenden Unterschiede zu herkömmlichen Mixern. Und Omnitronic macht hier direkt vieles richtig. Die Potis beim TRM-222 sind deutlich schwergängiger und größer – und versprechen so viel mehr Gefühl – das dann wiederum smootheste Übergänge ermöglicht. „Wenn Sie auf einem Rotary Mixer spielen und zwei Regler drehen, hat der Fluss definitiv einen anderen Sinn und der Übergang ist sehr glatt.” – Zitat Masters-At-Work-Gründer Louie Vega. Zunächst muss man aber auch sagen, dass sich das gesamte Mischpult-Layout von Omnitronic nochmal verbessert hat. Vor kurzer Zeit hatten wir den Einsteiger Rotary TRM-402 von Omnitronic. Hier kam zu einem sehr günstigen Preis das Rotary-Konzept auf den Tisch – und das sogar mit vier Kanälen. Jetzt ist mit dem TRM-222 trotzdem nochmal eine ganz andere Liga bei mir zu Besuch. Ein 2-Kanal Mixer mit Frequenzisolator, VCF-Filter und externem Effektweg. Schwer, wuchtig und durchgestylt. Irgendwo zwischen analogem Oszillatorendesign und Mischpult. Und dabei extrem klar aufgeteilt. Als zentrales Klang-Formungs-Werkzeug liegt der Master-EQ ganz oben mit angenehm riesigen Knöpfchen.
Bässe, Mitten und Höhen können entweder um 9 dB angehoben oder vollständig gekillt werden. Die Grenze zwischen Bässen und Mitten ist bei 300 Hz angesetzt – zwischen Mitten und Höhen ist sie bei 4.000 Hz. Beim Club-Schlachtschiff DJM-V10 von Pioneer DJ ist die untere Crossover-Frequenz bei 200 Hz. Damit hat der TRM-222 einerseits ganze neun Halbtonschritte mehr unter seiner Kontrolle, wenn man den Bassbereich ganz herunterregelt. Hinzu kommt, dass flache Filterkurven wie beim Omnitronic viel musikalischer und „wärmer“ klingen für das menschliche Gehör und eben nicht wie die nasty Filterfahrten, die man so oft hört.
Mit dem Master-EQ schweißt man einerseits zwei Tracks auf brachiale Weise zusammen – kann aber auch komplette Vocals oder Melodien herausnehmen – und auf einen Ruck wieder in den Mix bringen. Mit fähigen DJs am Rotary wird ein Mischer mehr zu einem Instrument als zu einem bloßen Summieren von zwei Tracks. Somit kommt man schnell zu DJ-Sets, bei denen nicht nur die bloße Track-Selektion, sondern auch die finale Klangbearbeitung zu einem Stilelement wird.
Nicht weniger prominent platziert ist deswegen der Filter in der Mitte der Oberfläche. Man kann beide Kanäle jeweils auf den Filter routen und so den Sound von sehr unterschiedlichen Tracks durch Filterung stark angleichen. Auch das ist unterschiedlich im Vergleich zu den allermeisten Mixern: Wo dort jeder Kanal einen eigenen Filter hat, verfolgt man hier die Philosophie, lieber zwei Tracks zu einem Klangagglomerat zusammenzufahren. Spannend ist jedenfalls der Hinweis des Manuals: „Experimentieren Sie ausgiebig mit den Filtereinstellung vor dem ersten Live-Auftritt.” Recht haben sie. Die Resonanz bringt – wenn sie voll aufgedreht ist – durchaus eine scharfe, aufbrausende Note in den Gesamtsound. Das Manual sagt also weiter: „Um unerwartete Ergebnisse zu vermeiden, sollten Sie zuerst mit einer niedrigen Einstellung beginnen.” Der Filter klingt am Ende doch aber sehr saftig – man will ihn einfach benutzen.
Da sich der TRM-222 für einen Straßenpreis von 649 Euro mit Modellen weit über der 1.000-Euro-Marke von Rane, AlphaTeta oder Ecler messen muss, hat man hier auch an möglichst vielseitige Anschlüsse und Erweiterungen gedacht. Auf der Rückseite sieht man das ganze Ausmaß: vom Master- und zusätzlichen Booth-Ausgang, die beide entweder mit XLR oder Chinch rausgehen, zum Effektausgang – der über Send und Return die Möglichkeit gibt, Effektgeräte wie Keinemusiks Teil1 einzuschleifen – bis zum Timecode-Ausgang, der es DJs mit einem digitalen Vinyl-System extrem einfach macht, sich anzuschließen. Laut Omitronic wurde die Community der Marke in die Entwicklung miteinbezogen, die sich einen Record-Ausgang dazugewünscht hat – here it is.
Durch die gleichzeitige Benutzung der Chinch- und XLR-Ausgänge an Master, Booth und Record-Ausgang hat man sogar die Gelegenheit, sechs Monitorpaare gleichzeitig anzuschließen ohne irgendwelche Splitter oder zusätzliche Verstärker. Klingt gut soweit – dieses Detail wird bestimmt beliebt bei Raves in der Natur.
Wieder zurück auf der Vorderseite gibt es noch ein paar liebevolle Details, die richtig Spaß machen: allein die analogen VU-Meter als Gainanzeige der beiden Channels. Das ist en vogue und gehört sich so für einen Rotary. Oder auch der Fakt, dass man auch fix auf Kanal 1 ein Aux-Kabel anschließen kann, macht den Mixer auch abseits des Cluballtags ein ganzes Stück praktischer.
Ob das Rotary-Konzept etwas für einen ist – so eine Frage geht natürlich ins Reich der Philosophie. Und vielleicht bin ich im Testzeitraum auch sehr in diese Sphäre abgedriftet, kann ja sein. Deswegen entschuldigt die Überschrift – aber fest steht, dass dieses Mischpult die Sichtbarkeit von Rotary-Mixern in der Clubszene erhöhen wird, weil es einen gewissen Preis mit einem gewissen Look und einem gutem Gefühl vereint.