Omnitronic TRM-422 – Rotary for Clubstandard

Eigentlich heilt die Zeit doch alle Hypes. Doch im Falle von Rotary-Mixern lässt sich das nicht sagen. Hier eine Auswahl gängiger Zitate über die charmanten Außenseiter der DJ-Mixer-Familie: “I start to mix slower and put more care into my mixes.” “I really enjoyed the smoothness of how you can mix with a rotary.” Oder auch: „Es geht eher darum, deine Platten für sich sprechen zu lassen, als mit irgendwelchen DJ-Tricks deinen Mix zu retten.“ Oder eben: “But whenever I hear a DJ playing a set and really killing the effects on every single record to create drama and tension, I often just think: ,Wouldn’t it be interesting if you could do the same thing, but only with your records …?’”

Zusammengefasst könnte man sagen, hier geht es nicht um ein reines Technikthema. Den Liebhaber*innen der schrulligen Rotary-Mixer geht es um eine andere Haltung zum Auflegen. Ein DJ sollte seine Tracks bestens kennen, ein Gefühl dafür entwickeln, welche Musik der Moment verlangt und damit einen authentischen Mix-Stil entwickeln, der sich durch die Oberfläche des Mixers wie von selbst etabliert. Das klingt doch erst einmal nicht verkehrt. Und es erinnert an den Gegensatz von analoger vs. digitaler Fotografie: Gerade die Limitierung von Möglichkeiten soll bei der anlogen Version das Auge offen für gute Motive halten.

Und ein Rotary-Mixer alter Schule, mit dem House-Musik-Pioniere wie Frankie Knuckles oder Theo Parrish aufgelegt haben, hatte Limitierungen. Weit weg von Effekten, Filtern oder Dreiband-EQ gab es nur die Regler Gain und einen Master-Equalizer, um Übergänge zu bestreiten. Alles in allem also ungefähr das Gegenteil des Pioneer-Schlachtschiffs DJM V10. Damit war ein DJ quasi dazu gezwungen, Platten zu spielen, welche die Crowd ohne spontane Klangmanipulationen am Mischpult mitgerissen haben.

Mehr als 50 Jahre nach dem Entstehen von House und dem Aufkommen der Rotary-Clubmixer sieht die Situation ganz anders aus, denn es gibt bereits für 30 Euro technische Optionen aufzulegen, und jeden Tag werden Hunderte Tracks releast. Man kann mit vier Decks, mehreren Loops und Effekten gleichzeitig auflegen und zeitgleich die eigenen Visuals über sein Smartphone kontrollieren. Trotzdem reißt der Wunsch nach Rotary-Mixern nicht ab, sondern wird eher immer stärker formuliert. Weil gewöhnliche Line-Mixer aber Clubstandard sind, diktiert eine geringe Nachfrage nach Rotary-Mixern einen oft sehr hohen Preis auf dem Markt.

Auf dem Test-Tisch liegt jedoch ein Modell, das das Potenzial hat, der Geschichte wieder ein anderen Spin zu geben. Der Omnitronic TRM-422 ist ein waschechter Rotary und doch kompatibel mit dem Jahr 2022. Echtes Rotary-Gefühl, zusammen mit allen Möglichkeiten, die ein Allen & Heath Xone 92 auch hat. Und zudem nochmal erweitert um Features, die es nur bei Rotary-Mixern gibt: Klangbalance auf dem Master, ein uriges Layout und Knobs mit einem angenehmen Drehwiderstand. En détail: Es handelt sich hier um einen vierkanaligen, komplett analogen Clubmixer. Die Oberfläche ist sehr geordnet und deswegen intuitiv bedienbar. Das liegt vor allem an der Aufteilung, aber auch an den in drei Größen gestaffelten Potis, die uns direkt zeigen, welche Features des Mixers ganz besonders glänzen sollen:

Mit den drei größten Potis wird der Equalizer auf dem Master gesteuert. Bis zur völligen Isolation kann jedes Frequenzband geregelt werden. Meine Meinung: Eine solche Kontrolle über den gesamten Mix an den Händen zu haben, muss es bei jedem DJ-Mixer geben. Hiermit kann man einerseits feinfühlige Frequenzanpassungen der Tracks an das Clubsystem vornehmen. Andererseits verleiht man so Übergängen einen roten Faden, da man alle Kanäle mit dem gleichen Treatment versieht. Kein Wunder also, dass immer mehr Effektgeräte, die man bei einem normalen Mixer dazu kaufen muss, auf dem Markt erscheinen. Siehe dazu Keinemusiks Teil 3 B&.

Die zweitgrößten Potis gehören zu den Kanal-Lautstärkereglern. Hier liegt der Hauptunterschied zu herkömmlichen Line-Mixern. Hier entscheidet sich die Smoothness des Mixes. Mit den Potis sind schnellere Fades natürlich noch drin, für harte Cuts sind sie nicht gedacht. Stattdessen kann man gefühlvolle und weiche Bewegungen vollführen. In Aktion überzeugen die Potis mit einem gewichtigen Drehwiderstand, der mir ein deutlich besseres Gefühl für die Lautstärke eines Kanals gibt, als es die meisten normalen Mixer tun. Wer trotzdem schnelle Finger hat und diese auch beim Mixen ausspielen möchte, bekommt ein Feature, das bei Rotary-Mixern eine absolute Seltenheit ist: einen handelsüblichen Crossfader. Ein Kanalzug besteht aus einer Eingangsverstärkung, Dreiband-EQs, die ihr Frequenzband im Bereich +/- 10 dB manipulieren können, und dem besagten Rotary-Lautstärkeregler. Allein dieser Umfang ist in dieser Mischpult-Nische schon ziemlich luxuriös. Ein weiterer Weg, den Klang eines einzelnen Kanals zu manipulieren, ist die Filter-Sektion, bei der man HP-, BP- oder LP-Filtering mit verschiedenen Resonanzstärken einstellen kann.

So weit, so gut. Nicht nur in den Sound-Bearbeitungsmöglichkeiten ist der TRM-422 deutlich ausgefeilter als drei Viertel des gesamten Rotary-Marktes, auch die Ein- und Ausgänge erweitern das Konzept nochmals: Der separate Booth-Ausgang kann nochmal mit einem 2-Band-EQ an die akustischen Gegebenheiten im Raum angepasst werden. Es gibt zwei Möglichkeiten, externe Effektgeräte einzuschleifen, was ausgiebig mit einem Korg Kaoss und einem Boss Delay-Pedal getestet wurde. Einmal über den gewohnten Weg, pro Kanal und einmal als Effekt auf dem Master.

Es gibt zudem gesonderte Ein- und Ausgänge für Timecodes für jeden Kanal: Unter den normalen Chinch-Ausgängen findet man zusätzliche Ausgänge für das Digital-Vinyl-System und darunter dann die passenden Eingänge. Außerdem gibt es für fliegende DJ-Wechsel zwei separate Kopfhörerausgänge. Ein letztes Schmankerl ist die Einbindung eines Aux-Eingangs. Mal ehrlich, jeder, der einen Mixer auch im privaten Bereich hat, benutzt auch schon mal einen Miniklinke-Chinch-Adapter, um sein Handy oder Laptop anzuschließen. Beim TRM-422 ist schon daran gedacht, sodass man keinen Adapter mehr braucht.

Der Mixer ist jetzt schon seit ein paar Wochen bei mir. Manchmal benutzt man Testgeräte nicht länger als nötig und legt sie dann wieder weg. Doch hier ist das anders. Es ist mein erster Rotary und er hat direkt einen sehr potenten Mixer in meinem Setup ersetzt, meinen geliebten Xone 92.Und wurde dann zum Publikumsmagnet. Jeder, der mich besuchte, wollte damit auflegen, auflegen und auflegen. Es gab am Anfang ein paar Bedenken, ob ein Hersteller für einen solch niedrigen Preis einen robusten Mixer abliefern könne. Und vielleicht hat am Anfang auch mal ein Knob etwas gehakt. Doch am Ende des Tages hat es richtig Spaß gemacht, und das Teil hat es mir angetan.

Wenn man sich die gesamte TRM-Serie von Omnitronic anschaut, sieht man zwei bisher eher an Rotary-Klassiker angelehnte Modelle, den TRM 202 und den TRM 402. Mit dem TRM 422 ist Omnitronic unter anderem auf Ideen und Impulse seiner Kund*innen eingegangen und hat Funktionen, die bei aktuellen Line-Mixern unverzichtbar sind, mit der eher puristischen Form von Rotary-Mixern vereint. Gerade durch den Preis sind Angebote wie diese ein Grund mehr, dass DJs heute Rotary-Mixer in ihren Rider schreiben können. Und dass am Ende des Tages auch einer dort steht.

 

Aus dem FAZEmag 122/04.22
Text: Bastian Gies
Foto: Alex Böker
www.steinigke.de/Omnitronic