Orbital … so wie damals

Bei Orbital-Stücken wie etwa „Belfast“, „Chime“ oder „Halcyon On And On“ stellt man sich auch heute noch euphorische Festivals und Raves, grandiose Sonnenauf- und -untergänge und scheinbar endlos währende Momente puren Glücks vor. Manche Releases bedeuteten für nicht wenige Menschen in Klang verwandeltes Ecstasy. Ihr besonderes Talent, emotionsgeladene Melodien und berauschende Arrangements mit mitreißender Instrumentierung zu erschaffen, brachte den Brüdern Paul und Phil Hartnoll nicht nur jede Menge erfolgreicher Platten, weltweite Chartplatzierungen und kolossale Livesets (Glastonbury!), sondern auch Aufträge für Film- und Videospiel-Soundtracks ein. Die Gründung von Orbital ist auf 1987 datiert. Der Name des Projekts rührt bekanntlich vom Spitznamen für die Londoner Ringautobahn Motorway M25 her, in deren Umgebung Raves veranstaltet wurden. Vor allem die 90er waren dann eine durchweg erfolgreiche Zeit für die Hartnells. Zwischen 2004 und 2008 pausierten sie schließlich. In dieser Zeit gingen die Brüder ihren Solokarrieren nach. Seit 2009 sind sie wieder gemeinsam live unterwegs. Nun erscheint mit „Wonky“ das langerwartete neue Album. Für dessen Feinschliff engagierten sie den renommierten Produzenten Mark „Flood“ Ellis, der schon für Künstler wie Nine Inch Nails, PJ Harvey oder U2 an den Reglern drehte. Zudem hört man auf dem Album Lady Leshurr und Zola Jesus als musikalische Gäste. Phil Hartnoll fand Zeit, uns Rede und Antwort zur neuen Platte und deren Produktion zu stehen.

Was macht für dich den Unterschied zwischen „Wonky“ und früheren Orbital-Werken aus?

Phil Hartnoll: Wir hatten das Gefühl, dass wir im letzten Zeitabschnitt von Orbital nur noch ein gutes Album gemacht haben. Irgendwie schienen wir den Glauben an uns verloren zu haben und stellten unsere Arbeit in Frage. Deshalb hörten wir auf und machten diese vierjährige Pause. Nachdem wir beide unsere eigenen Projekte betrieben und wir dann wieder zwei Jahre lang wieder zusammen live gespielt hatten, konnten wir unsere Beziehung und unsere eigene Welt wieder herstellen. Wir fanden den Enthusiasmus wieder. Es war wie ein Neustart, mit all den verschiedenen Ideen. Das war aber zu keiner Zeit so geplant. Es hat sich einfach so ergeben. Und die Ideen zum Album haben wir durch das Livespielen entwickelt. Das Album zu erschaffen war dann ein großer Spaß für uns. Auch durch die andere Produktionsweise. Wir wollten unser Album einfach in einem anderen Studio an einem großen Mischpult aufnehmen. Wir mischten es dann mit Flood und Rob Kirwan zusammen ab. Wir wollten uns einfach hinsetzen, und jemand trennt die Elemente, die wir produziert haben. Denn man verliert sich selbst oftmals so in einem Track, dass man die Aufnahme in Frage stellt. Deswegen wollten wir die Produktion des Materials woanders machen. Das ist auch einer der Hauptunterschiede zu den früheren Werken von uns. Und die Einstellung, mit der wir an die Platte herangegangen sind, der Spaß im Studio. Das war so wie damals, als wir mit Orbital anfingen.

In welcher Weise hat sich die Arbeit mit Flood denn genau auf das Werk ausgewirkt?

Flood ist einfach großartig. Paul hat schon vorher mit ihm zusammengearbeitet, und das funktionierte wirklich gut. Normalerweise ist er bis zu zwei Jahre im Voraus ausgebucht. Aber wir hatten Glück und er war frei.  Es hat auch sehr viel Spaß gemacht, Flood bei der Arbeit zuzuschauen. Und sein Studio war für uns wie ein Museum von Synthesizern. Es war toll, einige der alten Geräte zu spielen, die wir zuvor noch nie verwendet hatten. Floods Studio war wie ein großer Spielplatz für uns. Wir konnten den ganzen Arbeitsprozess und die Zusammenarbeit mit ihm dadurch viel mehr genießen.

Welcher Moment der Albumproduktion war denn besonders überraschend für euch?

Flood hat die Sängerinnen nahezu in letzter Minute ins Spiel gemacht. Das passierte einfach in der letzten Woche der Albumaufnahme. Wir kamen irgendwie nicht weiter. Und zu der Zeit war Zola Jesus in London. Flood sagte zu ihr: ‚Komm schnell vorbei!‘ Und sie kam für paar Tage ins Studio. Ähnlich war es mit Lady Leshurr. Wir hatten den Track „Wonky“ gemacht und wollten eine Art Missy Elliot-Rap dafür. Wir wussten von Lady Leshurr, und sie hatte Lust darauf, aber die Organisation der Zusammenabeit lief anfangs schief. Doch in den letzten Tagen der Aufnahme kam sie dann vorbei. Und es war wirklich spannend und mit viel Spaß verbunden.

Kümmert euch eigentlich die Erwartungshaltung von Fans und Musikindustrie an ein Orbital-Album in irgendeine Weise?

Ich kann dem keine Beachtung schenken, was andere Leute wollen. Das ist sehr egoistisch, aber ich möchte einfach nur meine Kreativität ausüben. Und dann hoffe ich, dass das, was wir gemacht haben, den Leuten gefällt. So haben wir es immer gehalten. Wir können nichts unter Druck machen. Wir haben es mal versucht, so nach dem Motto: Produziert mal einen Dancehit. Aber es hat nicht geklappt. Die größte Freude ist einfach, wenn ein Set gut war oder jemand zu dir kommt und sagt, dass er es wirklich genossen hat. Das ist die schönste Belohnung, die wir je bekommen können.

Habt ihr euch denn für „Wonky“ besondere Freiheiten gegönnt, die ihr früher nicht hattet?

Ja, wir haben ja festgestellt, dass wir mehr frische Tracks für das Liveset brauchten. In diesem stellten wir dann dem Publikum neue und alte Stücke vor. Gleichzeitig haben wir erstmals in der Geschichte von Orbital als DJ-Team gespielt. Ich selbst habe ja immer schon viel aufgelegt, aber in unseren gemeinsamen Sets konnten wir nun auch Demos von eigenen Tracks ausprobieren. Es war eine wirklich gute Teststrecke für uns. So etwas hatten wir zuvor noch nie gemacht. Und es hat wirklich gut geklappt.

Gibt es generell Situationen im Studio, bei denen ihr euch regelmäßig streitet?

Nein, nicht wirklich. Höchstens wenn es darum geht ob wir jetzt Tee oder Kaffee trinken. (lacht) Wir diskutieren zwar, aber wir finden immer Kompromisse. Wenn einer von uns sagt: Ich mag das nicht, erklärt der andere dann, warum er es mag und so weiter.

Wenn du dir euer Gesamtwerk anhörst, gibt es da ein bestimmtes Instrument, das für dich charakteristisch für euren Sound ist?

Ich denke, für Orbital sind generell eher die Melodien und Harmonien charakteristisch als einzelne Instrumente. Wir haben für „Wonky“ jetzt eine Menge analoger Synthesizer verwendet. Wir lieben einfach ihren Klang. Er ist viel voller und reichhaltiger. Man kann sie aber jetzt nicht mit Software-Synthesizern, wie zum Beispiel denen von Native Instruments, vergleichen, denn die können einige Dinge, die die analogen Maschinen nicht können. Manchmal kann es aber auch etwas zu voll klingen, wenn man zu viele analoge Geräte verwendet. Dann passt manchmal ein netter digitale Synth besser.

Was hat sich denn heute bei Orbital live geändert – in Hinblick auf das Equipment?

Das ist dem von früher noch immer sehr ähnlich. Wir bringen auch heute noch unser Studio auf die Bühne. Früher haben wir jedoch alte Sequencer von Alesis verwendet. Heute benutzen wir Ableton über Creeed auf dem Ipad. Wir haben insgesamt drei zuammen agierende iPads. Ableton ist dann der Sampler, und wir schicken Midi-Messages an die Synthesizer drumherum. Der Hauptunterschied ist, dass wir das Ganze als Pattern ablaufen lassen, dadurch kann ein Track eine Minute oder auch eine Stunde dauern, wenn wir wollen. Wir improviseren mit den Songs. Natürlich registrieren wir auch, welche Momente und Arrangements immer funktionieren. Aber man kann die Sounds und Frequenzen immer wieder verändern. Dadurch ist alles sehr flüssig.

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