Pan-Pot – The Other Brother

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Tassilo Ippenberger und Thomas Benedix sind Pan-Pot. Jeder Auftritt der beiden ist ein Statement für Techno, jede Veröffentlichung komprimierte Energie. Ende September erscheint das zweite Album der zwei Wahlberliner auf ihrem eigenen Imprint Second State Audio, und es trägt den Titel „The Other“. Nachdem wir sie zuletzt anlässlich ihres Watergate 17-Mixes kurz befragt hatten, war es nun also höchste Zeit für eine Coverstory und ein ausführliches Interview.

Acht Jahre sind eine lange Zeit. In der kurzlebigen elektronischen Musikwelt sowieso. Wieso hat es so lange gedauert mit dem Nachfolger zu „Pan-O-Rama“, den ihr ja ursprünglich Anfang des Jahres veröffentlichen wolltet? Und wieso war ein Künstleralbum jetzt wichtig für den Act Pan-Pot?

Tassilo: Die Frage lässt sich ganz einfach beantworten: Weil wir Lust darauf hatten. Wir haben ja immer ständig und regelmäßig Singles und EPs releast, aber bei einem Album kann man sich doch noch ein wenig anders ausleben und Musik veröf- fentlichen, die auf einer einzelnen EP nicht funk- tionieren würde. Außerdem brauchten wir auch so etwas wie einen musikalischen Tapetenwechsel und haben es wahnsinnig genossen, uns musika- lisch weitreichender ausleben. Gleich zu Beginn der Albumproduktion, also beim Festhalten von ersten Ideen, entstanden eigentlich alle nicht Pan-Pot-typischen’Tracks des Albums. Das war so, weil wir einfach Lust hatten, etwas anderes zu machen, was aber trotzdem nach Pan-Pot klingt.

Als Act wächst man und entwickelt sich ständig weiter. Was sind in den vergangenen Jahren die wichtigsten Erfahrungen für euch gewesen?

Tassilo: Diese Frage ist nicht so leicht zu beantworten. Ich glaube, dass wir viele interessante Leute kennengelernt haben – und das auf der ganzen Welt. Viele neue Eindrücke, teilweise größere Veranstaltungen und ein sich veränderndes Umfeld prägen einen mit und helfen einem dabei, sich weiter zu entwickeln. Bei mir kommt als großes Projekt noch das Riverside Studio hinzu, das ich mit meinen Partnern Martin Eyerer und Jade Souaid gegründet und selbst gebaut habe. Mittlerweile sind es über zwanzig Studios mit vielen interessanten Künstlern, die sich gegenseitig gut ergänzen und ein inspirierendes Kreativzentrum bilden.
Thomas: Neben all dem, was Tassilo gesagt hat, war die Geburt meiner Tochter, die mittlerweile ein Jahr alt ist, wohl die für mich wichtigste Erfahrung bisher.

Pan-Pot ist zu einem Trademark geworden. Nicht nur in Europa – seit diesem Jahr auch auf Ibiza – sondern auf der ganzen Welt. Welche Auswirkung auf euren Sound hatten beispielsweise die kolportierten 120 Gigs im vergangenen Jahr?

Tassilo: Die Gigs selbst hatten keinen großen Einfluss auf unseren Sound oder die Produktionen. Lediglich die Tatsache, dass wir uns bei einer derart hohen Anzahl an Shows mit sehr viel Musik beschäf- tigen, hilft natürlich schon, genauer zu definieren, was man gerade gut findet. Wir haben uns für das Album schon auch unsere Freiräu- me für Studioarbeit geschaffen, das war uns sehr wichtig. Und wir waren da auch sehr konsequent und fleißig im Studio.

Thomas: Vielleicht hat aufgrund der vielen Gigs die Albumproduktion ein bisschen länger gedauert, aber wie Tassilo schon sagte, dafür haben wir uns dann auch bewusst die Zeit genommen, um es in einer überschaubaren Zeit fertig zu machen.

FAZEmag: Wie war in diesem Zusammenhang die erste HYTE-Saison für euch?

Thomas: Insgesamt super! Gerade, weil es die erste Saison überhaupt gewesen ist, war es sehr spannend zu sehen, ob und wie alles funktioniert – und wir sind froh, dass wir bislang nur überwiegend positive Erfahrungen hatten. Ich habe auch zwei Monate lang auf Ibiza gelebt und die ganze Insel auch außerhalb der Clubwelt kennenzulernen, war sehr schön.

Ihr habt euren Sound im Laufe der vergangenen Jahre meiner Meinung nach modifiziert, entwickelt und straighter gestaltet. Aktuell würde ich euch als Techno-Act charakterisieren. Inwiefern hat dieses Schärfen eures Profils zu der weltweit gestiegenen Popularität beigetragen?

Thomas: Findest du? Ich glaube, dass wir angefangen haben, mehr zu experimentieren, was man vor allem auch an dem Album sehen kann, das viele Tracks abseits des reinen Techno hat.
Tassilo: Techno ist und bleibt natürlich das Fundament, aber wir wollen uns auch nicht zu sehr einengen lassen und haben auch Spaß daran, tech-housigere Sachen zu spielen und zu produzieren. Aber dass wir uns nicht auf eine Seite (Techno oder House) geschlagen haben, sondern je nach Club oder Festival unsere Sets anpassen können, macht uns vielleicht aus. Das war aber schon immer so, von da her sind wir uns da treu geblieben, was vielleicht gerade das ist, was den Leuten gefällt.

Viele Acts, die solch einen hohen Stellenwert in der Techno-Community inne haben, streben nach einem weltweit abgestimmten Releasedate auf einem Majorlabel oder auf vielen starken Labels. Wie sieht hier eure Herangehensweise aus? Und wieso erscheint das Album auf eurem eigenen, relativ jungen Label Second State Audio?

Tassilo: Wir hatten auch Angebote von größeren Labels, aber am Ende haben wir uns für Second State Audio entschieden, weil wir über das letzte Jahr schon eine gute Plattform und ein gutes Team aufgebaut haben. Ich glaube, Second State Audio hat in der Szene auch schon ein ganz gutes Standing, das wir mit dem Album natürlich auch noch weiter ausbauen wollen.
Thomas: Es wäre ja auch ein bisschen komisch, gerade dieses Album auf einem anderen Label zu releasen, wenn wir gleichzeitig eines der besten Labels haben wollen. Vielleicht verkaufen wir ein paar CDs weniger als bei einem „großen“ Label, aber so fühlt es sich richtiger an.

Künstler, die immer populärer werden, steigen auch im Marktwert. Das heißt aber auch, dass sich viele kleinere Clubs ‚große Acts‘ wie z.B. Pan-Pot nicht mehr leisten können. Was ist eure Einstellung zu dieser Entwicklung?

Thomas: Wir spielen immer gerne auch in kleinen Clubs, vor allem für Freunde, die uns unterstützt haben. Das Problem generell ist eher, freie Termine zu finden. Gerade in Deutschland und vor allem auch in Berlin spielen wir oft in kleineren Clubs, weil es gar nicht so viele große gibt oder wir in die größeren Clubs nicht rein passen.

Viele Duos in der elektronischen Welt kommen in ihrer Karriere an einen Punkt, an dem sich einer der beiden selbst verwirklichen will oder die gemeinsamen Auftritte aufgrund von Differenzen immer seltener werden. Wie lange gibt es Pan-Pot noch bzw. wie wirkt ihr dieser Entwicklung entgegen?

Tassilo: Also noch sind wir lange nicht an diesem Punkt denke ich. Es macht uns einfach Spaß, zusammen zu produzieren, zu touren und aufzutreten. Wir produzieren aber zum Beispiel auch alleine, also jeder für sich, und bringen unsere Ideen dann zusammen, um sie gemeinsam fertig zu stellen. Das lässt uns Freiheiten, die jeder braucht, und trotzdem haben die Tracks dann immer unsere gemeinsame Handschrift.
Thomas: Wir haben auch einen gemeinsamen Freundeskreis und unternehmen viel gemeinsam in unserer Freizeit. Das heißt, es ist nicht so, dass wir auseinander gehen, wenn wir von einer Tour zurück sind, und uns dann wieder treffen, wenn es die Woche drauf zum Flughafen geht.

Dennoch hab ihr beide doch noch ein Privatleben abseits von Pan-Pot, oder? Wie viel Tageszeit verbringt ihr mit Pan-Pot, und wie verbringt ihr eure verbleibende Zeit?

Thomas: Meine Tochter hält mich gut auf Trapp, und ich freue mich über jede freie Minute, die ich mit ihr verbringen kann. Tassilo und ich haben aber unsere Studios beide in den Riverside Studios, und da sehen wir uns regelmäßig. Auch unter der Woche und auch nicht immer nur mit Plan, zusammen Musik zu machen.
Tassilo: Genau. Ich bin sowieso die meiste Zeit in den Studios, weil es dort neben der Musik auch noch viele andere Dinge zu regeln gibt. Daneben versuchen wir beide auch noch, so viel wie möglich Sport zu machen, um einen Ausgleich zu kriegen. Wenn wir auf Tour sind, machen wir das dann aber auch wieder zusammen.

Die Technik nimmt bei Technoproduzenten seit jeher einen wichtigen Stellenwert ein. Wie ist die Arbeit verteilt und wie sieht euer Setup in den Riverside Studios aus?

Thomas: Wie gesagt haben wir zwei getrennte Studios und sind daher sehr flexibel. Das heißt, dass jeder arbeiten kann, wann er kann und will. Die Tracks machen wir dann aber immer gemeinsam fertig, und an manchen Tracks arbeiten wir natürlich auch von Anfang an zusammen.
Tassilo: Ich würde sagen, ich habe mich in den letzten Jahren zu einem Technikliebhaber und Sammler entwickelt. Mein Studio ist mittlerweile ein ziemlich vollwertiges Recording, Mixing und Production Studio. Man kann mittlerweile sehr produktiv zu zweit gleichzeitig arbeiten, einer mit Blick auf die Spree am Production Seat, der andere am Mixing Seat, einer Zähl AM1. Das ist ein ziemlich cooler Workflow und auch sehr effektiv.

Euer Album ist aus mehreren Gründen spannend. Zum einen erfüllt es Erwartungen und auf der anderen Seite überrascht es auch. Ein Track wie „Riot“ zum Beispiel wäre bei einer Blind Audition wohl kaum Pan-Pot zugeordnet worden. Ihr hättet sicherlich auch die Option gehabt, bekanntere Kollaborationpartner für das Album zu gewinnen. Wie- so die coole, undergroundigere Variante mit beispielsweise Abby? Und wieso bietet euer Album verschiedene Genres an?

Tassilo: Weil wir Lust darauf hatten! Und das ist auch gerade der Grund, warum wir ein Album ge- macht haben, es bietet uns die Möglichkeit, sich kreativer auszutoben, auch über Genre-Grenzen hinweg. Die Jungs von Abby, die ihr Studio auch im Komplex der Riverside Studios haben, spielten uns einige ihrer eigenen Technoproduktionen vor, und spätestens da wussten wir, dass wir mit ihnen was machen wollen.
Thomas: Auch wenn das Album verschiedene Genres bedient glauben wir, dass alle Titel einen gemeinsamen roten Faden haben und die Pan-Pot-Handschrift tragen.

Pan-Pot über Pan-Pat
Pan-Pot „The Other“ (Second State) Track by Track

01. Pan-Pot – Your Attention
Tassilo: Das ist das Intro zu unserem Album und tatsächlich auch der erste Track, den wir für das Album geschrieben haben. Wir sind da gerade auf Ableton Live 9 umgestiegen und waren begeistet von den Features. Kurz davor hatten wir eine reine Techno-EP fertig gemacht und waren froh über ein bisschen Abwechslung.

02. Pan-Pot – 808 Nirvana (war bereits auf „The Other EP“ vom 17. Juli enthalten)
Thomas: Die Roland 808 drum machine ist einfach legendär, und wir wollten sie unbedingt für die Drums eines Tracks auf dem Album be- nutzen. Der Sound treibt dich immer weiter, bis du im Nirvana bist.

03. Pan-Pot – Optimistic Grey
Tassilo: Wir mögen die monotone und treibende Stimmung. Der Track hat was Paradoxes, deshalb auch der Titel.

04. Pan-Pot – Pina (war bereits auf „The Other EP“ vom 17. Juli enthalten)
Thomas: Das war der letzte Track, den wir für das Album gemacht haben, und Pina ist auch noch der Name meiner Tochter.

05. Pan-Pot – Sleepless feat. L.O.U.
Tassilo: Filou ist der Sänger von Abby, und wir wollten unbedingt einen Electronica-Track mit ihm machen. Seine Stimme ist einfach super!

06. Pan-Pot – Riot feat. Frankie
Thomas: Einer der Songs, die sich vom reinen Techno weg bewegen. Die Stimme von Frankie ist ein bisschen melancholisch, aber trotzdem aggressiv.

07. Pan-Pot – Get In feat. Kevin Knapp
Tassilo: Wir haben Kevin zu uns ins Studio eingeladen, viele Ideen ge- sammelt und so lange herum geschraubt, bis es gepasst hat.

08. Pan-Pot – Operator
Thomas: Ein purer Tech-House-Track musste sein, und „Operator“ brauchen wir, um ihn selbst zu spielen.

09. Pan-Pot – Fist Bump From Destiny
Tassilo: Das ist der Track mit unserer typisch-schraubenden Hookline. Darf auch nicht fehlen!

10. Pan-Pot – Broken Engine
Thomas: Wir mögen diesen Oldschool-Sound und wollten ihn unbe- dingt mit ins Album einbauen.

11. Pan-Pot – The Luxury Of Living Day By Day
Thomas: Easy-listening, aber trotzdem massiv.

12. Pan-Pot – Twelve
Tassilo: Purer Techno, so wie wir ihn mögen.

13. Pan-Pot & Abby – Fugitives
Thomas: Zusammen mit Abby haben wir diesen Tech-House-Ohrwurm gemacht.

14. Pan-Pot – Punxsutawney feat. Frankie
Tassilo: Der krönende Abschluss unseres Albums. Hier kann man 22 wieder runter kommen.

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www.pan-pot.net

Aus dem FAZEMag 043/09.2015
Foto: Klaus J.A. Mellenthin