Phantoms – Grundlegende Veränderungen

Kyle Kaplan und Vinnie Pergola aka Phantoms konnten 2017 mit ihrem selbstbetitelten Debütalbum so etwas wie ein Manifest für ihr Talent abgeben, Indie und Dance auf besondere Art zu verweben und in äußerst emotionaler sowie eingängiger Weise zu präsentieren. Nun kündigte das Duo aus Los Angeles mit „This Can’t Be Everything“ seinen zweiten Langspieler an, der diesen Sommer am 12. August über Foreign Family Collective erscheint. Schon jetzt erhielten die ersten Single-Auskopplungen massiven Support internationaler Kritiker*innen und Radiostationen. Mittlerweile akkumulieren Phantoms weit über 125 Millionen Streams mit ihrer Kunst.

 

Dabei hat das Duo zuletzt nicht nur sich selbst gefunden, sondern auch für seine Musik einen neuen Ansatz, nachdem sich das persönliche und berufliche Leben grundlegend verändert hatte. Seit dem Debütwerk der beiden sind darüber hinaus rund fünf Jahre vergangen. Eine intensive Zeitspanne, die dieser Tage in eine gewisse Unsicherheit mündete, stellt Kyle fest: „So vieles ist ständig in der Schwebe – die Folgen der Pandemie wirken sich offensichtlich immer noch auf alle Aspekte des Lebens und des Tourens aus – und auch die Musikindustrie selbst ist schwerer zu verstehen als je zuvor. TikTok und das Bedürfnis nach ständigen viralen Momenten haben das soziale Leben nachhaltig verändert, und es ist eine Welt, an die sich alle noch gewöhnen müssen. Dieses Gefühl hat uns dazu gebracht, mit dem Projekt mehr Risiken einzugehen, denn ab einem bestimmten Punkt denkt man: ,Warum nicht? Lass uns einfach Musik machen und spielen, die wir lieben.’“

Und genau das haben Phantoms nun auf „This Can’t Be Everything“ in die Tat umgesetzt. „Wir sind von einem Major zu einem Indie-Label gewechselt. Das hat die Art und Weise, wie wir Musik machen, komplett verändert. Vorher gab es während des Schreibprozesses immer eine kleine Stimme in unserem Kopf, die sagte: ,Das könnte cool sein, aber es wird nie herauskommen.‘ Das ist eindeutig keine gute Art, an etwas Kreativem zu arbeiten. Als wir während der Pandemie mit dem Foreign Family Collective unterwegs waren, hatten wir viel Zeit zu Hause und fühlten uns frei, mehr introvertiertere Musik zu machen. Wir konzentrierten uns weniger auf Popstrukturen und Hooks und mehr auf Musik, die uns auf einer emotionalen Ebene ansprach. Das war für uns eine radikale Veränderung.“ Das Resultat ist ein vielfältigeres Werk als das erste. Ein elektronisches Album, das nicht zuletzt in Live-Situationen sein volles Potenzial entfaltet und als eine Geschichte gedacht ist: „Wir wollten, dass es sich thematisch und klanglich zusammenhängend anfühlt, aber nicht an ein einzelnes Genre oder einen Stil gebunden ist. Wir wollten ein Werk schaffen, das man am besten als Ganzes hört.“

Diese Freiheit wurde ihnen besonders auch von Label-Seite gegeben: „Wir sind schon seit Jahren mit den Jungs vom Label und mit ODESZA befreundet, denen das Label ja gehört. Als wir die Möglichkeit hatten zusammenzuarbeiten, schickten wir ihnen ein paar Demos und sie sagten, wir sollten ein Album machen. Abgesehen davon, dass sie alle großartige Menschen sind, wollten wir schon immer mit ihnen zusammenarbeiten, da sie eines der stärksten kreativen Netzwerke in der Branche haben. Es ist viel mehr als nur ein Label, es ist ein Kollektiv von wahnsinnig talentierten Künstler*innen. Sie haben uns dazu ermutigt, die Schritte so zu gehen, wie wir sie gehen wollten.“

Vor allem die Arbeiten am ersten Song „Lay It All On Me“ ebneten den Weg für das restliche Werk, erinnert sich Vinnie: „Ich glaube, die Arbeit mit Jem Cooke in London hatte etwas, das uns kreativ die Augen geöffnet hat. Wir neigen dazu, Musik aus UK zu hören, denn ich habe das Gefühl, dass sie der Musik der USA etwa drei Jahre voraus ist, wenn nicht sogar länger. Vor allem in der Dance-Musikszene liegt sie jedem im Blut. Das gilt auch für den Rest Europas. Aber als wir dort arbeiteten, hatten wir das Gefühl, dass wir endlich mit Autor*innen zusammenarbeiten konnten, die auf der gleichen Wellenlänge waren wie wir, und das hat die Musik, die wir seitdem geschrieben haben, wirklich geprägt.“ Dem Titel des Albums wohnt bei solch einer Vorgeschichte selbstredend eine tiefere Bedeutung inne, beschriebt Kyle: „Die Lyrics spiegeln genau das wider, was wir fühlten, als wir den Song schrieben, und ich denke, dass sich jeder auf seine Weise damit identifizieren kann. Zu dieser Zeit hatten wir mit vielen widersprüchlichen Gefühlen zu kämpfen – Zweifel und Aufregung zur gleichen Zeit. Es ist ein seltsames Gefühl, aber ich glaube, als alles zusammenbrach, wünschten wir uns alle, wir hätten so viel mehr gemacht, als uns zur Verfügung stand. Wir haben diese Musik gemacht, von der wir so begeistert waren, ohne wirklich zu wissen, wann wir sie einem Publikum vorspielen würden.“ Und genau das wird das Duo in den kommenden Wochen und Monaten machen. Der Tour-Kalender ist voll, allerdings nur mit Shows in den Staaten. Zumindest bis dato: „Wir müssen unbedingt wieder nach Europa kommen. Im Moment spielen wir nur Shows in den USA – einige wirklich tolle Festivals wie Life Is Beautiful in Las Vegas und Firefly sowie eine Reihe von DJ-Terminen überall in den USA. Im Moment gibt es hier eine Menge Energie. Egal, wo du hingehst, irgendjemand hat eine Art behelfsmäßiges DJ-Setup. Alle wollen einfach nur tanzen.“

Aus dem FAZEmag 126/08.2022
Text: Triple P
Foto: Collin Black
www.instagram.com/phantoms