Philip Bader – Zwischen House und Techno

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Der Berliner DJ und Produzent ist nun schon seit über 15 Jahren im Geschäft der elektronischen Musik. In dieser Zeit hat er viel gesehen von der Welt, viele neue und andere talentierte Künstler getroffen, große und kleine Venues bespielt und etliche Tracks auf namhaften Labels veröffentlicht. Nun wurde es Zeit, die gemachten Erfahrungen einem eigenen Label zugutekommen zu lassen. Wir haben uns mit Philip Bader über seine Arbeit, seine Musik und natürlich auch sein neues Projekt Out of Mind unterhalten.

Seit November letzten Jahres gibt es eine neue Plattform für deinen Output und den deiner Kollegen. Wie kam es zu der Gründung von Out of Mind? Welche Absichten verfolgst du mit dem neuen Label bzw. wofür steht OoM?

Mein Label Out of Mind repräsentiert eine Mischung aus Techno und Tech-House mit rawen Hi-Hats, harten Kicks und darken Synthies. Out of Mind – das bedeutet für mich, aus sich herauszugehen, zu tanzen und Spaß zu haben. Nachdem ich letztes Jahr auf vielen Labels – wie zum Beispiel Material, Snatch!, Avotre und Suara – Platten sowie Remixe veröffentlicht habe, war der nächste logische Schritt für mich, mein eigenes Label zu gründen. Ich hatte den Wunsch, mein eigenes Ding zu machen, eine Plattform für Musik und Künstler mit einer neuen Vision von Musik zu kreieren.

Hinzu kam, dass ich in den letzten Jahren mit vielen sehr guten Künstlern zusammengearbeitet habe und Lust hatte, diese auf meiner Plattform musikalisch zu präsentieren. Seit November gibt es nun Out of Mind und als das erste Release von mir erschien, war ich richtig stolz. Der Remix für die erste Veröffentlichung kommt von Kaiserdisco. Ein harter „Warehouse Techno“-Remix, der genau die Mischung aus Techno und Tech-House ist, für die Out of Mind steht.

Neben dir haben auch Kaiserdisco, Onno und Ninetoes auf OoM veröffentlicht. Was steht noch auf dem Plan? Auf welche weiteren Releases und Künstler dürfen wir uns 2016 freuen?

Wir sind schon recht weit mit der Planung. Im März ist die Platte von Raffa FL rausgekommen. Raffa ist ein junger Künstler aus Italien, den man schon von Lost Records, Roush und Material kennt. Am 16. April releast Flashmob, ein guter Freund von mir und ebenso Künstler aus Italien. Für seine zwei verspielten Technonummern habe ich einen straighten Acid-Remix gemacht. Die nächste Platte im Mai wird von Haiku575 sein. Das sind zwei gute Jungs aus Barcelona, die noch nicht so bekannt sind, aber richtig interessanten Techno machen. Wir arbeiten viel zusammen, da Massimo, der eine Teil des Duos, der Manager von Davide Squillace und dessen Label This and That ist, auf dem ich ja auch schon drei Platten veröffentlicht habe. Im Juni präsentiert Andrea Oliva, den ich schon ewig kenne, zwei massive Technotracks. Wer den Remix macht, darf ich aber noch nicht sagen. Danach wird es Musik von Uner geben, der mit Solar Distance auch gerade sein eigenes Label gestartet hat. Auch Davide Squillace, ebenso ein sehr guter Freund von mir, hat zwei fantastische Technonummern für Out of Mind produziert. Und von mir selbst wird es natürlich auch noch Platten geben. 

Hast du auch OoM-Veranstaltungen, Labelnächte oder Ähnliches auf dem Zettel?

Natürlich planen wir Labelnächte. Es ist noch ein bisschen früh, über konkrete Locations zu sprechen, aber es wird „Out of Mind“-Nächte in Barcelona, Berlin, Paris und London geben. Ich will natürlich auch, dass die „Out of Mind“-Family zusammen auftritt. Das ist eine Herausforderung für mich, aber ich freue mich sehr darauf.

Wie sieht es abgesehen von OoM mit eigenen Releases aus? Woran arbeitest du und mit wem?

Im Februar habe ich eine Kooperation mit Niconé auf Snatch!, dem Label von Riva Starr, veröffentlicht. Die zweite Zusammenarbeit mit Niconé ist im März auf This and That erschienen. Die Vocals für unsere Platte „Invisible Man“ stammen von Tea Time, Sänger der Gruppe Los Tetas aus Chile. Es ist also eine Trio-Kooperation geworden. Von mir allein wird es in diesem Jahr, mal abgesehen von Out of Mind, auch auf anderen Labels Veröffentlichungen geben. Auf Deported Music zum Beispiel ist gerade meine Platte „Get Up Now“ mit einem sehr guten Remix von Sven Tasnadi, den man von Moonharbour kennt, erschienen. Auf dem Label Elrow Music wird im Juni eine Platte von mir erscheinen und über den Sommer habe ich einige Releases auf Solar Distance und auf Roush von Héctor Couto geplant. Es wird also vieles zu hören geben.

Vielleicht lässt du uns auch wissen, wie solche Kollaborationen zustande kommen?

Es macht einfach Spaß, mit anderen Künstlern zu arbeiten. Meine Kooperations-Tracks mache ich mit befreundeten DJs und Produzenten. Die Chemie untereinander ist sehr wichtig. Für mich ist eine Zusammenarbeit eine gute Chance, den eigenen Horizont zu erweitern und voneinander zu lernen. Ich liebe das direkte Feedback und die Energie, die bei einer Zusammenarbeit entsteht. Im Moment arbeite ich mit Mihalis Safras zusammen. Da er in Griechenland wohnt, arbeiten wir nicht gemeinsam im Studio, sondern schicken uns die Ableton-Dateien hin und her. Wir skypen und telefonieren dann, während wir in unseren Studios an den Tracks sitzen. Das ist ein sehr interessanter Workflow.

Wenn wir schon bei deinen Releases sind: Hast du auch Pläne für ein neues Album? Die Zeit seit „Wishful Thinking“ scheint verflogen zu sein.

Neben den Singles, die ich zurzeit mache, bin ich natürlich auch dabei, ein neues Album zu erarbeiten. Im Gegensatz zu „Wishful Thinking“ wird das neue Album aber sehr technoid. Ich arbeite an darken, schnellen, loopigen Tracks und lasse mir viel Zeit bei jedem Lied. Album-Tracks sollten im Gegensatz zu Single-Tracks langlebig und outstanding sein, das ist auf jeden Fall mein Anspruch daran. Ich will elektronische Musik nicht neu erfinden, aber das ganze Album soll stimmig sein und eine ganz eigene Geschichte erzählen. Einen Zeitplan bis zur Fertigstellung habe ich jedoch nicht. Manchmal ist ein Lied nach zwei Tagen fertig, an manchen anderen arbeite ich wochenlang. Wenn ich dann mit dem Gesamtkonzept und jedem einzelnen Track richtig zufrieden bin, dann wird das Album auf meinem Label Out of Mind veröffentlicht.

Unabhängig davon, ob nun Single-Track, Remix, EP oder Album – was inspiriert dich bei deiner Arbeit, woher stammen die Ideen für deine Tracks?

Viele Ideen kommen mir beim Auflegen, wenn ich Tracks ineinander mische, aber auch wenn ich anderen DJs beim Auflegen zuhöre. Vor allem wenn ich den Vibe in den Clubs spüre, bekomme ich Lust, ins Studio zu gehen und Musik zu machen. Montags sitze ich dann meist um 10:00 Uhr im Studio und versuche, diese Energie in Musik umzusetzen. Manchmal kommt mir aber auch einfach auf der Straße eine Idee in den Kopf, dann gehe ich direkt ins Studio und arbeite daran. Allerdings verändert sich, wächst der Track während seiner Entstehungsphase und am Schluss ist aus der eigentlichen Idee etwas ganz anderes geworden. Natürlich gehe ich auch einfach so in mein Studio und bastle einen Beat, spiele dann an einem Synthie herum, bis eine abgefahrene Line entstanden ist, und erarbeite dann den Rest.

Welchen Beitrag leistet dein Studio zur Ideenfindung? Welches Equipment findet sich dort?

Die Synthies im Studio tragen viel zum kreativen Arbeiten bei. Mit externen Geräten zu arbeiten, ist sehr förderlich für die Kreativität. Manchmal sitze ich stundenlang an einer Maschine und probiere herum. So entstehen Sounds, Beats oder Synthie-Lines, aus denen sich dann ein neuer Track entwickelt. Natürlich benutze ich auch Plug-ins, Loops und Samples. Ich finde es gut, die verschiedenen Elemente miteinander zu verbinden. Das Studio selbst teile ich mit Britta Arnold. Dort stehen ein Roland TR8, ein TC-Helicon, eine Elektron Machinedrum, ein Moog und noch viele weitere kleine Synthies und Effektgeräte. Am Ende ist es, glaube ich, egal, womit man arbeitet – wichtig ist, dass ein gutes Lied dabei herauskommt.

Seit deiner Residency in der Bar25 bist du in der Welt ganz gut rumgekommen! Wohin geht für dich die Reise 2016?

In den letzten drei Jahren bin ich wirklich fast auf der ganzen Welt unterwegs gewesen, es hat mich dabei auf alle Kontinente verschlagen. Neben den üblichen Europa-Dates habe ich ganz besonders fette Partys in Kapstadt, Tokio und New York erlebt. Auf diese Städte freue ich mich auch dieses Jahr sehr. Mein absolutes Highlight war 2015 aber das DC10 auf Ibiza. Für mich ist das einer der besten Clubs der Welt. Die Gigs waren der Wahnsinn und ich fiebere schon der diesjährigen Saison entgegen. Geplant sind auch eine neue Asien-, USA- und endlich auch eine Argentinien-Tour. Ich produziere zurzeit neben meinem Pioneer-DJ-Radiomix einen monatlichen exklusiven Mix für DJMag Südamerika und bekomme super Feedback. Deshalb freue ich mich auch ganz besonders auf die anstehende Tour dieses Jahr. Ich habe gehört, die Partys dort seien fantastisch mit großartiger Stimmung. 2016 wird wild!

Bleiben wir noch bei deinen Gigs. Was war denn die bisher entlegenste Ecke, wo du aufgelegt hast?

Eine wirklich weite, lange Reise hatte ich zu einer Party im Dschungel von Brasilien. Da ist wirklich alles schief gelaufen. Der erste Flug hatte Verspätung, darum habe ich den zweiten Flug verpasst und somit auch den dritten. Endlich angekommen im Nirgendwo, war natürlich mein Koffer verschwunden. Nur mit USB-Sticks habe ich dann die Weiterreise zur Party im Dschungel in einem völlig überfüllten Auto angetreten. Auf der Party hatte es geregnet und es lag zwei Meter hoher Matsch. Nach zwei Minuten waren die Klamotten, die ich am Leib hatte – die einzigen, die ich dabei hatte –, völlig verdreckt. Am nächsten Tag musste ich weiterfliegen nach Mexiko. So dreckig bin ich noch nie in einen Flieger gestiegen!

Und wo auf der Welt feiert man am besten?

Die Gigs in Italien sind immer ganz besonders energetisch. Die Italiener haben einfach eine gute Feierkultur. Nicht nur in den großen Städten, auch in den kleineren gibt es diese tollen Warehouse-Locations, wo 2.000–3.000 Leute wild feiern. Die Italiener lieben Techno und die Stimmung auf den Partys ist immer fantastisch.

Erinnerst du dich noch an dein Debüt im Tresor? 25 Jahre wird dieser Club jetzt alt. Und sogar wir feiern schon die 50. Ausgabe! Wie hast du den Wandel der Musikszene in deiner bisherigen Karriere erlebt?

Erst mal herzlichen Glückwunsch zur 50.! Ich freue mich riesig, in dieser Jubiläumsausgabe dabei zu sein. Das ist ja nun schon einige Jahre her mit dem Debüt im Tresor – cool, dass ihr das noch wisst. Seit damals hat sich sehr viel verändert. Früher ist man mit seinem Plattenkoffer losgezogen und hat Platten aufgelegt. Es gab nicht so viele DJs wie heute und Musikmachen war viel komplizierter. Heutzutage gibt es viel mehr DJs und Produzenten, weil die Technik das Auflegen und Produzieren sehr vereinfacht hat. Allerdings ist ein DJ heute ein kleines Unternehmen, sozusagen eine Marke. Ein sehr wichtiger Bereich sind Social Media geworden, aber es spielen so viele Faktoren eine Rolle. Ich denke, man braucht ein gutes Team hinter sich, um bekannt zu werden – von Management, PR bis hin zu Social Media.

Elektronische Musik ist ja keine Nischenmusik mehr, eher ein globales Business. Welche Vor- und Nachteile schwingen da mit? Welche Sicht hast du auf die Dinge?

Elektronische Musik hat sich zu einem weltweiten Trend entwickelt. DJ ist ein anerkannter Beruf geworden, von dem man sehr gut leben kann. Es gibt auch immer noch Abstufungen in der elektronischen Musik. Ich glaube, Tech-House und Techno laufen – Gott sei Dank – immer noch unter dem Underground-Banner. EDM und Trance bilden in vielen Ländern einen großen Markt. Ich persönlich mag diese Richtung nicht sehr gern. Gut finde ich natürlich, dass man mit Techno und Tech-House große Hallen füllen kann, man kann die Welt damit bereisen. Es hat sich alles sehr professionalisiert und das macht das Djing natürlich auch etwas ernster. Man muss hart arbeiten, aber es macht einfach sehr viel Spaß und ich bin dankbar und froh, das tun zu dürfen, was ich liebe. That’s my life. / Gutkind

FAZEmag DJ-Set #32: Philip Bader – exklusiv bei iTunes
Aus dem FAZEmag 050/04.2016
 

www.soundcloud.com/philip-bader
Fotos: Ben Laerk, www.benlaerk.com