Planet Xenbel: Vinyl – mit Kai Fraeger

Planet Xenbel
von Xenia Beliayeva
Thema: „Vinyl“ mit Kai Fraeger

„Vinyl verleiht Unsterblichkeit“, hat Kai Fraeger einmal auf einer Party zu mir gesagt, und irgendwie hat er Recht. Anders sind die Paradoxa nicht zu erklären: Dass der verstorbene Steve Jobs Musik vom iPod hasste und zuhause ausschließlich Vinyl hörte, während er gleichzeitig MP3s zur Massenware machte. Genauso unlogisch: Richie Hawtins Anti-Vinyl-Kampagnen. Richie Hawtin! Der gleichzeitig massig Vinyl herausbrachte. Wie steht es nun 2012 um die seit mindestens 1997 totgesagte Schallplatte?

Das erzählt mir der Vertriebschef im Word And Sound Headquarter in Hamburg. Kai kommt gerade von der Midem. Abgeschottet von Zeitgeist und Großstadthektik treffen in Cannes alljährlich die Profis aus der Musikbranche zusammen. Ich war zwar noch nie auf der Midem, dafür aber in Bielefeld. Dazu später mehr. Ein klarer Trend ist zu erkennen, nicht nur auf der Midem und in Bielefeld, sondern weltweit, so berichtet Kai: „Es erfolgt eine Erweiterung ehemals reiner Elektronik/Dance Vertriebe in andere Bereiche der Independent Musik wie Rock, Pop, Alternative, weil in diesen Genres der Vinylverkauf wieder zunimmt.“ Aber auch bei Neuauflagen aus den 60ern bis 80ern legt das Vinyl zu, ebenso beim Indie-Rock. Neue Veröffentlichungen auf Schallplatte sind auch deswegen attraktiver, weil die Branche vermehrt auf eine hochwertige Ausstattung setzt. Kunden sind bereit, für ein qualitativ hochwertiges Produkt mehr Geld auszugeben. Vorteil für die Branche: Der Preis verliert etwas an Bedeutung. In den letzten Jahren wurde der Schallplatte keine Zukunft mehr beschieden. Und nicht nur ihr: Alle physischen Medien gehörten angeblich der Vergangenheit an. Die Zukunft bestehe aus Downloadcodes und iTunes-Gutscheinen. Aber: Das erfolgreichste Produkt überhaupt ist aktuell die Schallplatte aus Vinyl mit beigelegter CD. Attraktiver noch als die Kombination aus Platte mit Downloadcode. Wie so häufig haben sich die Voraussagen, dass die ‚veraltete Technik‘ tot sei, nicht bewahrheitet. Die CD hat die Platte nicht komplett verdrängt, die jungen Leute laden nicht nur Musik auf PlayStation oder in die Cloud. Im Gegenteil: Auf einmal gibt es ganz viele junge Leute um die 20, die sich jetzt ihren ersten Plattenspieler kaufen. Die Singles kaufen. Gut, natürlich nicht ganz so viele wie früher – aber der Trend zum physischen Produkt ist da – zu etwas Greifbarerem als dem Downloadcode. Und so kommen wir wieder zurück nach Bielefeld, wo ich in der Drogeriekette Müller erstaunt feststellte, dass es zwar kein Regal mit Downloadcodes gab, aber sehr wohl ein großes Arsenal an Schallplatten. Musik auf Vinyl gewinnt stark an Stellenwert, und so konnte ich am gleichen Abend in der wunderschönen Bar „Milestones“ beobachten, wie ein Herr mittleren Alters liebevoll Daft Punks „Homework“-Album mit Hilfe des Tonarmlifts und des Start-/Stopschalters abspielte, während der Pitch konstant grün leuchtete. Ich glaube, das ist der erste DJ, den ich in meinem Leben gesehen habe, der die Bedienungsanleitung vom 1210er gelesen hat. Hoch lebe das Vinyl! Ahoi!

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