Platten des Monats – Februar 2025

Das sind sie, unsere Tonträger-Favoriten aus dem Februar-Heft unterteilt in Alben und Compilations, Singles und EPs sowie die jeweiligen Platten des Monats.

Singles & EPs – Platte des Monats

Björn Torwellen
Binary Fate (CLR)
Björn Torwellen mit dem laut ihm größten Meilenstein seiner Karriere: ein Release auf Chris Liebings CLR – und was für eins! Umgeben von analogen Maschinen und Modulargeräten hat Torwellen Tage und Nächte in seinem „Raumschiff“ geschraubt und präsentiert uns nun mit „Binary Fate“ eine Torwellen-Masterclass á la Bonheur. Die 3-Track-EP startet mit dem Titeltrack, der sich rasiermesserscharfe Percussions und eine rohe Bassline-Power zu eigen macht, die in Kombination eine faszinierend hypnotische Wirkung erzeugen. In „Fear of the Unknown“ wiederum übernehmen schwellende Dub-Hits und vernebelte Atmosphären das Kommando, ehe die Space-Odyssee in Form vom lasergetriebenen „Lost in Transmission“ ihr Grande Finale findet. Techno ist noch längst nicht tot, liebe Freunde – Björn Torwellen liefert den schweißtreibenden Beweis dafür. 10/10 Raumschiffen. 10 Laenkford

Singles & EPs – Top Ten

Biocym
Blessed Circle (Qilla Records)
Der Mailänder Biocym ist bekannt für seine düsteren, mystischen Techno-Spezialitäten, die er nun auf dem indischen Imprint Qilla präsentiert. „Blessed Circle“ ist ein starker 4-Tracker mit zwei Originals und zwei Remixen von SHFT und ARTIFVCT, der keine Anlaufzeit benötigt, um uns mit seinen transzendenten Wellen zu hypnotisieren. „Motwah“ und „Blessed Circle“ leben beide von ihrer üppigen, organischen Atmosphäre mit vielen Sounds aus dem Tierreich, zischenden Winden und raschelnden Bäumen. Für den nötigen Punch sorgen Stakkato-artige Synths und reichlich Hall auf den Tops. Auch die beiden Remixe können sich hören lassen und bringen eine nötige Abwechslung zu den sich stark ähnelnden Originalen mit sich. Starkes Release abseits des Techno-Mainstreams. 9 Laenkford

Cassimm, D´Vision
You Got It All (Golden Recordings)
Cassimm kommt mit seiner neuen Single zusammen mit D´Vision, die uns einen sehr mächtigen Peak Housetune vor die Füße knallen. Zu hören bekommen wir ein klassisches, treibendes Housegerüst um das herum sich eine schiebende Bassline schlängelt. Im Break kommt dann ein catchy Female Vocal ins Spiel, das sich lediglich von einem Bläser Synthie ablenken lässt. Insgesamt bringt der Track damit jede Menge Drive, ein wenig Funk aber durch den Synthie auch ein wenig Disco. Das muss man schön mögen. Tue ich. 10Rusty

CZA
Rainmaker/Old School Ways (C4C Recordings)
Neurofunk ist erwachsen geworden und CZA tritt den Beweis dafür an. „Rainmaker“ ist ein solider Roller ohne große Effekthascherei, dafür aber mit einer angenehmen Brise Hardcore. Pfurztrockene Beats, eine saftig durchmodulierte Bassline, Hardcore-Stabs – fertig ist die Laube. „Old School Ways“ ist etwas komplexer und mach mit einem tollen Arrangement, perkussiven Beats und nicht zuletzt einer ausgeklügelten Sound-Auswahl so richtig viel Spaß. Für mich persönlich das Drumandbass-Release des Monats. 10 points Feindsoul

Francois X
Straight Edge Society (XX LAB)
François X ist in der Techno-Welt für sein grenzüberschreitendes künstlerisches Schaffen bekannt und kehrt mit „Straight Edge Society“ auf sein eigenes Label zurück. Die Vier-Track-EP ist mehr als nur Musik für den Dancefloor, sie ist deutlich vielschichtiger und bedient sich auch bei Elementen der modernen Pop-Musik. Dadurch werden die Tracks etwas offenerer und hypnotischer, da sie sich deutlich vom klassischen Techno entfernen. Der Artist erklärt seinen Ansatz wie folgt: „Es geht nicht darum, die Welt abzulehnen, sondern darum, Klarheit in das Chaos zu bringen. Durch die Musik können wir Momente der reinen Konzentration schaffen – vorübergehend, aber transformativ.“ Eine gute Erklärung für diese EP! 10 Transmitter

Jasmin Blust X Tube & Berger
California Dreamin’ (Warner)
Das Original von The Mamas And The Papas habt ihr sicherlich schon einmal gehört. Und sei es in einer Dokumentation über Woodstock. Die Gewinnerin unserer Jahrespoll-Kategorie ‘Breakthrough Artist’ hat sich hier mit dem Solinger Duo Tube & Berger zusammengetan und eine zeitgemäß-pumpende Melodic-Tech-House-Version des Flowerpower-Originals angefertigt. Die gute Laune des Originals wurde beibehalten, nur kann man jetzt dazu tanzen. Gute Version. 9 points trancer

Lee Foss, Detlef & The Connect
Pony ft. Spektrum (Repopulate Mars)
Ich mag den techhousigen Drive und den zum Thema passenden Peitschensound. Ich mag nicht diesen „aah hony ponyyy“ Vocal nach den Breaks. Spaß beiseite. Der Sound, den uns Labelhead Lee Foss hier zusammen mit Detlef und The Connect beschert, ist natürlich wieder feinster Techhouse, der sich mächtig breit auf den Dancefloor macht. Das liegt vor allem an der schiebenden Bassline, den fetzigen Synthiesamples, den massiven Fx-Sounds und dem tanzflächenorientierten Drive. RPM Releases klingen ja oft leider ein wenig plump und einfach, das kann man dem neuesten Wurf auf keinem Fall vorwerfen. 9Rusty

Myk Derill
Automatic Theory (Knotweed Records)
Mit “Rain In The Valley“ feierte Knotweed Records im Jahr 2011 sein Vinyl-Debüt. Inzwischen sind wir bei der Katalognummer 060 angelangt, wofür Labelhead Philippe Petit zum wiederholten Male den Münchener Myk Derill heranzieht. Vier treibende Tracks mit einer unverkennbaren Handschrift. Der Titeltrack knallt direkt zum Start gut los und bleibt schön grazil auf einer Wellenlänge. Trockene Hats und Claps umschmeicheln den filigranen Synth, wodurch die Nummer schön minimalistisch dahin zieht. Mit “Back To Memory“ gelangen wir direkt zum Sahnestück der Platte. Stumpf und drückend marschiert der Beat voran und zieht den schrillen Synth abseits vom 4/4 hinterher. Hier und da eine dezente Snare-Roll, dumpfe Percs und Metall-Elemente, welche zwischen den Hirnhälften hin und her pendeln. Die Nummer unterstreicht unverkennbar Myks Nähe zu Credo und überzeugt durch Schlichtheit und zugleich Genialität. Ein absolutes Brett! Auf der B Seite geht es dann im dezent gebrochenen Beat und paralysierend atmosphärischen Klängen weiter, bevor mit “Funk“ ein wenig aggressiver das Ende der Platte eingeläutet wird. Eine eindringliche und dennoch eher im Hintergrund agierende Acid Line schiebt die Nummer gut voran und verleiht ihr einen markanten Anstrich. Mega Starke Scheibe und ein grandioses 60. Jubiläum, welches Knotweed hier zelebriert. 10 Michael S

Roberto Pagliaccia
Nobody House (Gain Records)
Der Florentiner DJ und Produzent veröffentlicht mit „Nobody House“ eine Techno-Single, die mit insgesamt drei Stücken besetzt ist. Der Titeltrack hat dabei einen eher härten Einschlag: eine hämmernde Kick, grollende Bässe und ein verlockendes Arpeggio münden nach reinlich Trommelwirbel in eine Gesangslinie, die gewissermaßen als Therapiestunde anmutet. „Den besungenen „Struggles In Life“ nimmt sich sodann der in Frankfurt ansässige Mark Reeve an, der mit seinem Remix mehr Härte und Peaktime-Flair reinbringt. Das eigentliche Bonbon der Single erwartet den Hörer aber mit dem abschließenden „Happen Illusion“. Ein großartig klarer, aufgeräumter 909-Groove schiebt straight nach vorne, soulige Vocals nehmen den Hörer an die Hand; ein bisschen Hands-Up-Feeling, einfach wunderbar und viel Hit-Charakter. Stark. 08 Master J

Schrotthagen
Strom der Zeit (Schrott)
Die Single knüpft nahtlos an den Erfolg der erfolgreichen-Single „Pain in My Heart“ an und erzählt das erste Kapitel eines epischen, in fünf Akten aufgeteilten Albums, das samt dazugehöriger Tour für 2025 angekündigt wurde. Dabei beeindruckt der Track erneut mit der unverkennbaren Schrotthagen-Dramaturgie. Ein düsteres Intro leitet ein und führt direkt zu wild groovenden Hats, stampfenden Kicks und mächtigen, brachialen Sounds und Effekten. Ein insgesamt sehr fettes, tranciges Sounddesign, das wie aus einem Kinofilm wirkt. Nicht zuletzt, weil nach dem ersten Break sogar orchestrale Elemente auftauchen. 09/10 scharsigo

TALLA 2XLC
Flaming Star (Zyx)
Farbiges Vinyl kann süchtig machen. Und der ‚Techno-Papst‘ weiß das natürlich. Nach der DJ-Tandu-Kollabo „Velvet“ im Januar gibt es nun auch das Remake des 1997er Trance-Hits „Flaming Star“ des Dänen Henrik Klein Rasmussen aka Little Jam, der sich im November desselben Jahres das Leben nahm, in farbigem Vinyl. So tragisch die Geschichte des Little-Jam-Produzenten auch ist, so mitreißend ist seine Produktion, die Talla 2xlc und Para X hier ins Hier und Jetzt transponiert haben. Druckvoller als das Original aber natürlich mit der schönen Melodie. Euphoric Melodic Trance vom Feinsten. 9 points trancer

Alben & Compilations – Platte des Monats

On Board 10
(On Board Music)
Das Rotterdamer Label (und Booking-Agentur) feiert sein zehnjähriges Bestehen mit einer fantastischen Compilation, die die Essenz und die Identität des renommierten Imprints konserviert. Bereits die 14 Stücke umfassende Tracklist offenbart, mit welch künstlerischem Talent das Imprint gesegnet ist: Altinbas, GiGi FM, Psyk, Dorisburg, Luigi Tozzi, Steffi, Efdemin, Polygonia, Massimiliano Pagliara, Ina Kacz, Jin Synth, Justine Perry, Paula Koski & Laura BCR – ein Fest für alle, die es mit atmosphärischem Techno halten. Aber „On Board 10“ ist weitaus mehr als das: es ist trippy, dubby, ambient und breaky und deckt ein breites Spektrum an Techno-Sounds ab, die von den eindringlichen Tiefen Altinbas‘ über die rhythmische Handwerkskunst Polygonias bis hin zu GiGi FMs ätherischem Dub-Techno reichen und jede Menge Introspektion, Meditativität und Sensorik, aber auch gebündelte Energie und entfesselnde Kräfte versprechen. Ein großartiges Release. 10 Laenkford

Alben & Compilations – Top Ten

Anthony Rother
Future Kids (3MULATOR BOY)

Speziell für das selbstbetitelte neue Genre „Technobeat-Electro“ gründete Anthony Rother das neues Label 3MULATOR BOY. Diesem Label haben wir nun auch „Future Kids“ zu verdanken, das an Heiligabend, exklusiv im Eigenvertrieb auf Anthonys Bandcamp-Seite erschien. „Take Me To The Future“ breakt sich erst einmal im Oldschool-Vibe ins Album, eher sich das technoid-minimalistische „Programmed And Televised“ schon eher Richtung Club orientiert. Der Titeltrack macht seinem Namen dann alle Ehre, erinnert u. a. an Mr. Oizo, Gesaffelstein oder Erol Alkan, besitzt aber in der Tat etwas Frisches, Neues. Wer alte Nummern von Boys Noize mag, wird anschließend „Do You Love Me“ und „I’m Not Real“ feiern. In „3L3C7RONIC“ und „I Feel Love“ reichen sich dann Synthie, Breaks und düsterer Elektro die Klinke in die Hand. Nach meinem Electro-Liebling „We Are Futurists“ winkt dann der sphärische Clubber „Lifetime Memory“ zum Abschied. Ein Album, das Bock macht! 09/10 scharsigo

KOMPROMAT
PLДYING / PRДYING (Warriorecords)
Kompromat kehren knapp sechs Jahre nach ihrem Debütalbum „Traum und Existenz“ mit einem neuen Longplayer zurück. Das französische Duo besteht aus Rebeka Warrior und Vitalic, ihr neues Werk „PLДYING / PRДYING“ dreht sich um Themen wie Gebet (heidnisch oder nicht), Bestattungsriten, Übergängen zwischen Welten sowie körperlichen Genüssen, Tanz und Ekstase. Wurde der Vorgänger noch komplett in Deutsch eingesungen, so ist hier nun Englisch die Sprache der Wahl. Mit an Bord sind auch diverse Gastsängerinnen, wie z. B. Rahim Redcar (ehemals Christine and the Queens) oder Sonia DeVille. Musikalisch geben sich hier EBM, Cold Wave, New Wave, Electro und Techno die Klinke in die Hand und verschmelzen sich teilweise, von Song zu Song anders und vor allem auch im harmonischen Zusammenspiel mit den Vocals. Das machen die beiden sehr gut, das Album bietet Abwechslung, folgt aber seinem roten Faden und setzt sich mit Charme, Druck und Retrovibes in den Ohren fest 9 Trancesco Fotti

Maribou State
Hallucinating Love (Ninja Tune)

Ein Album, das auch abseits der Musik spannend für Musik-Historiker ist, da nach all den erfolgreichen Vorgängern plötzlich Pandemie, chronische Schlaflosigkeit, ADHS-Diagnosen, Angstzustände und Chiari-Malformation (Hirnkrankheit) das Duo und die Produktion begleiteten. Ein erster Entwurf wurde gar komplett verworfen. Umso erstaunlicher ist, wie trotz all dem ihr gefühlvoller Downtempo-Electronica-Sound das Album mit besonderer Wärme durchdringt. Die erste Single „Otherside“ mit Holly Walker kündigte die emotionale Tiefe der LP bereits an. Die gesündere und strukturierter Arbeitsweise „mit viel Matcha-Tee“, wie beide sagen, scheint ihnen gut zu tun. Die zehn Songs strotzen vor positiver Energie und lassen schwebende Streicher wie epische Musik für den Sonnenuntergang wirken. Analoge Synthesizer, keltische Marschtrommeln, Soul-Pop, Trip-Hop und ein wenig Hommage an Jungle und UK Garage – hier steckt eine Menge Musik drin! 08/10 scharsigo

Micky Finn & Vital Elements
Warehousedays Part 1 + 2 (Warehousedays Records)
Manchmal kommt es nicht nur besonders dick, sondern auch im Doppelpack. Das dachte sich vermutlich Micky Finn & Vital Elements und schicken mit Warehousedays Part 1 + 2 gleich zwei Alben an den Start. Der Name ist hier Programm und arbeitet sich durch das musikalische Vermächtnis britischer Clubmusik der 90er Jahre. Bassline-House und tranciger Proto-Techno fehlen hier ebenso wenig wie Jungle und Drumandbass. Der Fokus der insgesamt 25 Tracks liegt – wenig überraschend – bei letzteren zwei Genres und deckt eine Bandbreite von eben dem Sound, für den alle Micky Finn schon Mitte der 90er liebten, bis hin zu topmodernen Produktionen ab. Warehousedays ist eine musikalische Zeitreise, die weder sentimental, noch oberlehrerhaft daherkommt, sondern einfach Spaß macht! 10 points Feindsoul

Mild Minds
GEMINI (Counter Records)

Menschlichen Emotionen und digitaler Fortschritt – die neun neuen Tracks von Benjamin David reflektieren, wie Technologie unsere zwischenmenschlichen Verbindungen beeinflusst. Auch musikalisch wurden hier Brücken gebaut: zum Beispiel zwischen 2000er Club-Elementen und modernen, emotionalen Texturen. Zwischen organischer Nostalgie und digitalen Innovation. Breaks, luftige Pads und abgehackte R&B-Samples aus den 2000er Jahren, direkt neben frühen Trance-Einflüssen und ätherischen Vocals. In einigen Momenten erinnern Elemente wie der Groove von Future Garage an Kollegen wie Four Tet, Fred again.. oder Bonobo, doch gleichzeitig, wie etwas, dass auf diese genreübergreifende und emotionale Art und Weise noch nicht gegeben hat. 08/10 scharsigo

Shadow Sonic 3
(Occultech Recordings)
Die dritte Ausgabe von „Shadow Sonic“ kehrt mit vier Dancefloor-orientierten und Groove-lastigen Techno-Cuts zurück – explosiv und äußerst funktional. Die hypnotischen Rhythmen kommen mit schrillen Granular-Flächen, aufbrausenden Toppern („Molten“) oder wahlweise mit klassischen Sci-Fi-Bleeps („Heat Seeker“), die wunderbar zum Spirit des indischen Labels passen, das sich auf deepen und zerebralen Techno konzentriert. Mein persönlicher Favorit auf der Platte ist „Seeking The Unknown“, dessen weirde FX-Elemente in Kombination mit geballter Power, Rhythmik und Groove sowie den obskuren Vocals für eine elektrisierende Atmosphäre sorgen. Banger! 10 Laenkford

Sebastian Heda
Linientreu (Struktur)
Sebastian Heda geistert seit 2009 in der Technoszene umher und trieb zuletzt vermehrt auf dem Label Struktur sein Unwesen. Nach seinem letzten Release mit dem Titel “Distortion“ kommt nun sein Debütalbum “Linientreu“ im klassischen CD-Format. Immer wieder schön, wenn auch Wert auf die Verpackung und Aufmachung gelegt wird – Gerade bei Alben. Der Inhalt wirkt im Vergleich zur zarten designten Verpackung eher brachial, grob und rotzig. Dreizehn Tracks gefüllt mit Zerstörung, Wut und Endzeitstimmung. Auch die Tracktitel verheißen im Grunde kaum Gutes. Neben “Antiautoritär“, “Fanatismus“ oder “Widerstand“ findet man entgegen aller Annahmen aber auch positivere Tracktitel. Davon sollte man sich aber nicht blenden lassen. Sebastian Heda ist bekannt für kräftige Beats im düsteren Ambiente. Ein Track nach dem Anderen bestechen vor Allem durch Distortion und kratzenden Elementen. Da bleibt kein Wunsch unerfüllt. Gerade die Mischung aus Breakbeat und experimentellen Konstrukten macht die Scheibe zu einem abwechslungsreichen Feuerwerk. “Kapital“ schiebt super voran und triumphiert durch seine trockene Art. Dagegen wirkt “Linientreu“ fast schon chaotisch mit all den herumfliegenden Sounds und Synths. Dennoch ziemlich gut. Im Vaqore Remix bekommt die so schon brachiale Nummer noch einmal eine Prise Tobsucht kredenzt. Eins oder zwei ruhigere Nummern zur Auflockerung hätten bei der Trackanzahl sicherlich nicht geschadet und würden Sebastians Facettenreichtum eher untermauern. Auf Dauer wirkt das Paket nämlich nicht gerade antidepressiv, was Fans der härteren Gangart sicherlich befürworten. Beindruckend sind vor Allem die enormen Klangmauern, die auf dem Hörer stürzen und ein bedrückendes Gefühl hinterlassen. “Widerstand“ als Closer kommt ziemlich gut, da die Nummer einen treibenden und donnernden Ausklang bildet. Alles in Allem kein Futter für sanft Besaitete aber genau das Richtige für eine gelungene Abrissparty. Starkes Sounddesign und eine absolute Kaufempfehlung! 9 Michael S

Steve O’Sullivan
Green Trax Vol. 2 (Trip)
Green Trax Vol. 2 ist die zweite Compilation auf Trip mit altem Material von Steve o’Sullivans Green Label, welches zwischen 1996 und 2005 aufgenommen wurde. Diese Tracks zeigen Steves oft kopierten doch selten erreichten Ansatz von Minimal Techno, der stark von den klassischen Sounds von Robert Hood, Jeff Mills und Terrence Dixon beeinflusst ist. Die Stücke wurden live in einem take direkt aus den Synths und Drumcomputern aufgenommen und haben eine rohe, ungeschliffene Energie – quasi eine Hommage an die Spontanität von Experimenten im Studio. Neben schon veröffentlichten Stücken sind mehrere der hier enthaltenen Tracks nie zuvor veröffentlicht worden und erblicken jetzt zum ersten Mal das Licht der Techno-Welt. Das sollte Ansporn ging sein, sich mal damit auseinander zusetzen. 9 Transmitter

Black Flower
Kinetic (Sdban Ultra)
Mit ihrer speziellen Form von Ethio-Jazz verdeutlichen Black Flower die Kraft von Rhythmus und Bewegung. Es gilt mit Grooves Energien zu erwecken, um sich aus erstarrten Mustern zu lösen und dynamisch in das Leben einzutauchen und dieses zu genießen. Auf „Kinetic“ tanzt das Kollektiv mit orientalischen Einflüssen, Dub, Afrobeat und Jazz durch das Chaos des Lebens und vermittelt dem Hörer mit ihrer Musik ein Transportvehikel, um sich darin nicht nur zurecht zu fühlen, sondern dieses auch zu genießen. Formvollendet erklingt das Flötenspiel des Titelstücks und auf „Underwave“; modern groovt „Monkey System“ sehr rooted, es lassen sich hier experimentelle Sax/Percussion-Ansätze erkunden. Ein fantastisches Album, das raffiniert, verspielt, locker und wie aus einem Guss daher kommt. Big Cinema! 10 Cars10.Becker   


Aus dem FAZEmag 156/02.2025