Das sind sie, unsere Tonträger-Favoriten aus dem Juni-Heft unterteilt in Alben und Compilations, Singles und EPs sowie die jeweiligen Platten des Monats.
Singles & EPs – Platte des Monats
Oliver Dollar
Contemporary Part Three (Rekids)
Seine Claps sind unverwechselbar und so grooven auch diese drei neuen Expertisen des Berliners famos und außergewöhnlich. Zusammen mit Ben Silver und Boogs pusht „Cosmic Weapon“ mit einem tollen und rollenden Groove und lockeren Chords, unterlegt mit Vocalsnippets – geiles Teil! Ganz anders danach „Ought To Be Love“ mit Billy Love Vocals – welch fett housige Offenbarung! Ein Superslammer auf dem Floor, dass sich einem vor Freude die Nackenhaare aufstellen. Und dann wäre da noch „What Cha‘ Gonna Do?“ mit Apropos und Boog Brown an den Vocals – fantastisch souliger Deep House mit ikonischem Organloop – mehr geht an gutem Housesound dieser Tage einfach nicht! MEGA! 10 Cars10.Becker
Singles & EPs – Top Ten
Damian Lazarus
Alive / Remix (Crosstown Rebels 328)
Damian, der alte Lazarus, hat mit dem Release des „Magickal“-Albums im April auf seinem eigenen Label ein Statement in Sachen House Anno 2025 gesetzt. Eine der für mich schwächeren, weil sehr poppigen Nummern wird nun unerwartet zum Über-Hit. Der Kanadier Nick Morgan hat die Vocals der Bloom Twins durch die Hall-Hölle gejagt, reduziert und das Backing proggy-deep angelegt. Perkussiv-organisch führt alles zu einem maximal-effektiven Break, bei dem der Chorus niemanden unberührt lässt. Könnte ich in Dauerschleife hören. Mache ich auch. 10 points tseb
Dennis Cruz
Way Back EP (BotaniQ)
Labellaunch und was für einer! Dennis Cruz verselbständigt sich mit dem eigenen BotaniQ Imprint, nachdem er so erfolgreich bei Solid Grooves und Crosstown Rebels unterwegs war. Hier brüllt uns mit „Way Back“ eine Tribalmonster an, das einem Hören und Sehen vergeht. Slicker House, der perkussiv aufgeladen alles kann und gibt und die Crowd vor sich hertreibt. Etwas gemächlicher lässt es „Fabulous“ angehen – reduziert minimaler, Melodienkaskaden und narrative Vocals lassen dem Track mit Understatement Raum. Da dürfen wir uns auf weiteren tollen Output freuen und wegen des sensationellen Einstiegs ist die volle Punktzahl ein Muss. 10 Cars10.Becker
Funky Trip
Alpha EP (Bohrium / Deejay.de)
Der Rumäne Funky Trip mit zwei neuen Tracks und einem Barac-Remix vom Titeltrack auf dem spanischen Label, nachdem er zuletzt mit VÖs auf Rawax, Nazca, und Stamp auf sich aufmerksam gemacht hat. Auch hier schafft er es, hypnotische Synthiefolgen in ein federleichtes Minimal-House-Korsett zu kleiden und dabei auch einen Blick durch die Pop-Brille zu wagen. Letzteres vor allem bei „Dreams“, in dem ein Klavier fast zu schön klingt. Barac Nicolae aus Bukarest ist da schon etwas klassischer in Sachen Romanian Minimal unterwegs und liefert einen perkussiv-verschachtelten Peaktimer für Priku und Konsorten ab. Klasse 12“. 9 points minimizer
Millsart
Space Outside Space (Axis)
Dies ist der achte Teil der „Axis Expressionist Serie“ von Jeff Mills und sie stellt sich einmal mehr tieferen Gedankengängen. Was wird aus einem Menschen, der nicht träumt? Was passiert, wenn wir alles bekommen, was wir uns je gewünscht haben? Wissen wir zu viel? Können wir Pessimismus wirklich rechtfertigen? Was möchten Sie zurücklassen? Musikalisch lässt Mills hier seiner introspektiveren Ausrichtung wieder freien Lauf. Alle vier Tracks bewegen sich eklektisch und transzendent zwischen klassischem Detroit Techno, elektronischer Experimentalmusik und Ambient-Elementen. Jazzig, subtil, ein bisschen futuristisch und mit atmosphärischen Flächen versehen. Der Meister liefert. 08/10 scharsigo
noonoouri feat. Max and Harvey
Release Me (Warner Music)
noonoouri, die virtuelle Künstlerin und digitale Fashion-Ikone, kollaboriert auf ihrer neuen Single „Release Me“ mit dem britischen Pop-Duo. Der Song dreht sich um das Spannungsfeld zwischen Hingabe und Befreiung, einer Verbindung die gleichzeitig fesselt und schmerzt. So ist ein bittersüßer Tanz entstanden, der zwischen Euphorie und Melancholie springt, getragen von pulsierenden Beats, tiefen Basslines, funkelnden Disco-Vibes und dem euphorischen Gesangswechselspiel von noonoouri und den beiden Zwillingsbrüdern Max und Harvey. 9 Pop Guardiola
Ramon Tapia
Release (Mind Medizin)
Seine größten Erfolge feierte Ramon auf Planet Rhythm und Drumcode und riss die Zuhörerschaft mit jedem Release aufs Neue von den Stühlen. Sein Sounddesign mit dunklen Konnotationen und immer ein wenig stripped-back spricht für sich und gestaltete seine eigene Sicht auf Techno über Jahre. Hier freuen wir uns bei „Release“ auf oversized HiHats, einen pulsierenden Bass und fragmentierte Vocalelemente. Doch erst die boomenden Kicks erschüttern den Club in seinen Grundfesten. „Patriot“ hält den Druck mit muskulären, punchy Drumfunk und getunnelten Synthieloop – das schüttelt die Gehirnmasse anständig durch. Paranoia macht sich breit, denn „Oracle“ fordert mit verstörenden Synthiemotiven und hämmernden Drums, die ohne Ende marschieren. Tranciger Einstieg in den Schlussakkord, den „Space Mountain“ einläutet: Nachhaltige Chords, singende Drums und ambiente Flächen, lassen Techno rau und einfühlsam zugleich klingen. Ein weiteres Masterpiece von Ramon – Must Have des Monats! 10 Cars10.Becker
Scuba
Animatronic (Last Night on Earth)
Paul Rose hat in der Vergangenheit über zwei Jahrzehnte bewiesen, welch außergewöhnlicher Produzent er ist. Auf LNOE präsentiert er mit „Animatronic“ einen mystischen Midtempo Groover. Die Bassline mäandert unter prickelnder Synthiemodulation und Stimmen bahnen sich Weg durch wolkenreiche Konstrukte – so muss undergroundiger House klingen, der trotzdem eine größere, ravende Crowd anspricht! Mit „Waterfloor“ huldigt Paul dem kürzlich geschlossenen Watergate in Berlin: Soft Hits, Klicks und melodische, kosmische Pads garnieren den Mix, der von einer massiven Bassdrum unterfüttert wird; Emotionen zur Schau gestellt im Widescreenformat. 9 Cars10.Becker
Tal Fussmann
No Disco (Seven)
Tal setzt mit der sechsten Seven einmal mehr ein Zeichen. Das Statement „No Disco“ spricht für sich, denn heavy Signature Percussion-Drums überrollen den Tänzer, der gar nicht weiß, wohin er seinen Körper zuerst bewegen soll – Mega! Progressive House und expansive Chords verweisen zurück in die goldenen Zeiten von House – Deetron verschafft dem Stück die Detroit’sche Inspiration mit Superpunch auf dem Flur. Auf der B-Seite layert Tal latineske Rhythmik mit Pfeifen, Vocalsnippets und Samples, während von hinten dreamy Pads schieben („Sunset falling Down“). Kommen wir zum eigentlichen Kracher dieser EP: „Is It Real“ kommt mit Chicago Feel, Pianoloop, Slow down Groove und Hands In The Air Stimmung – das macht Tal so leicht keiner nach. Fantastische und abwechslungsreiche Scheibe! 10 Carsten.Becker
Unglued
Timestretch Past (Hospital)
Wenn Unglued drauf steht, kann es in der Regel nicht viel besser werden. Timestretch Past ist Teil einer dreiteiligen EP Serie (Past, Present, Future) und – ich zitiere ganz unverhohlen die Presseinfo – repräsentiert Unglueds Sicht auf die Entwicklung von Drumandbass. Die vier Tracks spielen sich irgendwo zwischen Jungle und Hardcore ab, kokettieren gewollt mit Klischee-Sounds und machen einfach verdammt viel Spaß. Dabei packt Unglued nicht einfach nur die 24 meistgenutzten Samples der frühen 90er in aktuelle Tracks, sondern lässt die gesamte EP authentisch scheppern, zuweilen leicht übersteuern und nimmt uns mit auf die vielleicht glaubwürdigste aller Zeitreisen. Drumandbass-Monster des Monats! 10 points Feindsoul
Various Artists
Put The Needle On The Record – Dance Floor Magic Happens Here (NOREPRESS 004 / Deejay.de)
Giacomo Silvestri, Andrea Giuliani, Labelhoncho Kirill Matveev und Nicolas Barnes auf der neuesten EP des russischen Mixcult-Sublabels. Ich bin ein großer Fan des mittlerweile in Serbien lebenden Sankt Petersburger, und auch die vorliegende Four-Track-EP enttäuscht nicht. Allerdings stammt der beste, weil spielbarste Track für mich vom Mann aus Senigallia Andrea Giuliani, der einen euphorisch-sommerlichen House-Kracher entworfen hat. KM selbst ist mal wieder herrlich verspult, inklusive „Give It Up“-Zitat und Acid-Eskapaden. Alles in Allem sind alle vier Tracks super einsetzbar im House-Set, wobei A1 und B2 eher solide Tools mit langen Breaks sind. 9 points housefreund
Alben & Compilations – Platte des Monats
Italo Brutalo
Second Horizon (Bungalo Disco)
Mit „Second Horizon“ gelingt Italo Brutalo ein wuchtiger, analog-warmer Wurf zwischen Retro-Synth-Fetisch und futuristischem Clubsound. Das Album klingt nach Berlin: schneller, düsterer, mutiger. Mein Highlight: „Memory Sync“ – klingt wie der Endgegner in einem 80er-Game. Auch „Chasing Shadows“ knallt mit Acid-Bassline und roboterhaften Vocals. „Digital Freedom“ liefert den Serotonin-Kick, „Surveillance State“ dagegen bedrückenden Techno-Überwachungs-Vibe. Trotz der Vielseitigkeit bleibt der Sound immer kohärent, ehrlich und tanzbar. Ein Album wie eine nächtliche Zugfahrt durch Neonlandschaften: nie langweilig, oft überraschend, immer mit Drive. Für Fans von Italo, EBM & Co. ein Muss. Und ich bin ein Fan! 10/10 scharsigo
Alben & Compilations – Top Ten
Adam Beyer
Explorer Vol. 1 (Drumcode)
Mit „Explorer Vol. 1“ schlägt Adam Beyer nach über 20 Jahren wieder das Kapitel „Album“ auf – und liefert direkt ein Manifest seiner musikalischen Neugier. Das Science-Fiction-Setting passt: Die 16 Tracks wirken wie Klangsonden auf Entdeckungsreise. Zwischen vertrautem Drumcode-Druck und mutigen Genre-Exkursen pendelt das Album souverän. Besonders „Alto“ (mit Layton Giordani, den ich ebenfalls sehr schätze) groovt sich tief ins Ohr, während „Boundless“ mit düsterem Drive und Elektro-Attitüde glänzt. Eines meiner weiteren Highlights: „The Distance Between Us“ – atmosphärisch, wuchtig, hypnotisch. Beyers Handschrift bleibt trotz Vielfalt klar erkennbar: basslastig, strukturell raffiniert, technoid mit Seele. Für mich ein starker Auftakt – und hoffentlich wirklich nur Vol. 1. 09/10 scharsigo
Claudio PRC
Self Surrender (Delsin Records)
Es gibt kaum jemanden, dem ich seinen aktuellen Erfolg so gönne, wie Claudio Porceddu aka Claudio PRC. Seine stets höfliche, dankbare und bescheidene Art lassen darauf schließen, dass sich hinter dem Italiener nicht nur ein begnadeter Producer und DJ, sondern auch ein herzensguter Mensch verbirgt. Umso aufgeregter war ich, als ich „Self Surrender“ – sein fünftes Studioalbum – das erste Mal zu hören bekam. Claudio PRC ist kein Mann der Überraschungen. Der Sardinier bleibt sich und seinem Sound seit vielen Jahren treu: Deepness, Spiritualität und technoide Präzision sind sein Markenzeichen. Die LP auf dem Amsterdamer Kult-Label Delsin beginnt folgerichtig mit einem rauschenden Ambient-Stück, dessen elektronische Herzschläge den Takt eines intimen Trips durch Raum und Zeit markieren. Was folgt, sind dunkle, minimale Rhythmen, eingebettet in herausragend arrangierte Soundscapes voller Magie und Organik: eindringliche Streicher, acid-lastige Texturen und ätherische Flächen sorgen für Gänsehaut. Mit der bewusst gewählten reduzierten Geschwindigkeit und subtil modulierten Loops setzt Claudio PRC dabei auch ein Zeichen gegen die Hyperaktivität moderner Dancefloors. Tracks wie „Cenere“ oder „Covered“ entfalten sich langsam und lassen uns immer wieder neue Feinheiten und Raffinessen entdecken. Wer nun fürchtet, „Self Surrender“ sei ausschließlich Puristen und Ästhetikern vorenthalten, der irrt: in der zweiten Hälfte wird das Album zusehends pulsierender, rhythmischer und schwerer: etwa, wenn dubby Grooves auf „Subversive“ ins Rollen kommen, schwere Kicks auf „Manifestazione“ aus den Boxen donnern und peitschende Tops den modulierten Acid-Synths auf „Ebony Feathers“ Schwung verleihen. Zum Finale („The Suspended Child“) gibt’s dann aber noch mal eine große Prise Melancholie. Großartiges Album. 10 Laenkford
Dompe
French Collection Vol. II (Jackfruit / Deejay.de)
Ein fantastisches Doppelvinyl von Dompe, der uns mit acht Tracks ein Housealbumformat vorlegt, das schlichtweg begeistert. Disco House im Daft Punk Style („French Toast“), um danach reduzierter aber mit prominentem Discobass den Club aufzureißen („Touch The Sky“ im Dompe Tool Edit“, zusammen mit Enduro Disco). Soulige und perkussive Elemente gesellen sich in das House („Energy Haze“) und The Music Sounds Better With “Together“. Was für eine erste Scheibe, Digga! Großer Auftritt auf dem zweiten Vinyl: Bassline a la Motorbass („French Open“) ohne viel Schnickischnacki – rollt ohne Ende und mit Sicherheit hier der beste Track dieser Compilation. Schnelle Schlaginstrumentation auf Streichern, Bläsern und Vocalsnippets und Effekten pumpt „Flipper“ zu einem 70er Disco-Retroknüller auf – meine Güte was eine authentische Power modern transportiert. Happy House a la Mateo & Matos gepimpt mit Sister Sledge Attitude und Chiq Funkgitarre kickt heftig rein und bringt auch zahnlose Papiertiger zum Strahlen („Fruity Juice“). Donnernder Bass und umherschwirrende Etwasse auf Funkoptik lassen die Daft Punk’sche Genialität von „Da Funk“ nochmal aufleben – kommt hier etwas anders und ebenfalls extrem ansprechend und energetisch powernd rüber. Jeder Titel eine Bombe für den Floor, Treffer über Treffer über Treffer. Album des Jahres bislang! 10 Cars10.Becker
Firek
Return From Irkalla (instinkt lab)
Der Hamburger DJ und Producer Philip Firek ist mir einst beim nächtlichen „Doom-Scrolling“ auf Instagram unter die Augen gekommen und hat mich mit seinen kurzen Clips aus dem heimischen Analog-Studio auf Anhieb fasziniert. Sein kürzlich auf dem Kölner Label instinkt lab veröffentlichtes Album „Return From Irkalla“ ist ein dystopisch anmutendes Techno-Abenteuer mit viel Facetten und wenig Kompromissen. Nach einem wuchtig-düsteren Ambient-Intro („Irkalla“) baut das synkopische „Tensed“ mit berauschenden Pads und majestätischen Chören zunächst reichlich Spannung auf, ehe Percussion-geladene Grooves und analoge Synthie-Rhythmen das Zepter übernehmen. Zeitloser Sci-Fi-Techno mit markanten FX-Spielereien und Bleep-Sounds („Dumuzid“, „Zenith“). Im letzten Drittel wird „Return From Irkalla“ dann zusehends atmosphärischer – mit weniger Härte und ätherischem Deep-Techno, der zwar zum Träumen veranlasst, Hypnosis und Drive aber nicht aus den Augen verliert („Ecstasy“, „Voice Within“). Klasse Album. 9 Laenkford
Luke Hess
Arkeo (DeepLabs)
Der Detroit-Dub-Spezialist Luke Hess ist ein echter Underground-Veteran aus der „Motor City“. Mit „Arkeo“ releast der Deep-Labs-Boss nun sein bisher Techno-affinstes Album – gespickt mit malerischen Flächen, eindringlichen Dub-Chords und tiefen Subs. Die Stücke sind sowohl für anspruchsvolle Clubsettings konzipiert als auch als introspektiver Soundtrack für persönliche Reisen geeignet und tragen eindrucksvoll die Handschrift eines echten Klangkünstlers, der es wie kein Zweiter versteht, mit analogen Maschinen zu hantieren. Bereits der Opener „Dokimion“ öffnet weite, atmosphärische Klangräume, in denen detailreiche Synths auf markante Bassfrequenzen treffen. Tracks wie „Stoicheo“ zeichnen sich durch ruhige, meditative Motive aus, während „Hiketeria“ zum Abschluss eine dichte, fast traumartige Atmosphäre entstehen lässt – ein Stück, das ebenso zum Reflektieren wie zum Eintauchen einlädt. Ein eklektischer Trip zu den Wurzeln Detroits, garniert mit frischer Innovation und der unverkennbaren Signatur Luke Hess‘. 10 Laenkford
Rave The Planet: Future Prints Vol. One
(Rave The Planet)
Das Team um Love-Parade-Gründer Dr. Motte formt eine neue Compilation-Serie, deren erste Ausgabe mit insgesamt 13 hochkarätigen, exklusiven Techno-Tracks besetzt ist. Bert On Beats eröffnet das Ganze mit seinem Stück „Looper“, bei dem ein knochentrockener Groove das Grundgerüst für später einsetzende halluzinogene Lead-Sounds bildet – bewusstseinserweiternd! Im Anschluss geht es schweißtreibend weiter: die Berlinerin Diana May befasst sich in „I Just Wanna Bang (The Shit Out Of You)“ mit fäkalem Exzess. Ihr Peaktime-Gebretter reinigt den Kanal auch ganz ohne braunen Schall mittels einer Kombination aus Big-Room-Sounds, Spoken-Words und einigen Acid-Anleihen. „Feel Your Soul“ von Felix Reichelt setzt sodann auf einen harten, antreibenden Techno-Groove und eher verträumte, melancholische Klänge im Kontrast. Lina K knüpft an diese Stimmung an, wenn auch mit reduziertem Tempo. Marco Effe hingegen zieht die Zügel wieder gehörig an und lässt uns in 90er-Jahre-Rave-Nostalgie schwelgen, während das Leipziger Techno-Couple Moto Moto einen Exkurs in Hard-Trance-Sphären wagt. Ein echtes Highlight markiert der Track „Glitchromantik“ des Kopenhagener Künstlers Nikolaj Lund, dessen bouncender Groove in Verbindung mit wunderbar warmen Analog-Leads jede Hüfte auflockert. Diesen therapeutischen Ansatz verfolgt auch Paula Sanz, allerdings mit einer Hardgroove-Injektion aus dem Schrank für privat Versicherte. Gegen Ende hin legt der Sampler ordentlich an Härte zu, bis „Eclipse“, u.a. vom Kurator Tomasz Guiddo selbst, für einen runden Abschluss sorgt. Vielfältig, futuristisch, stark! 10 Stella Ossi
Sophia Kennedy
Squeeze Me (City Slang)
Die in Baltimore geborene und in Hamburg und Berlin lebende Produzentin und Songwriterin Sophia Kennedy ist mit ihrem dritten Studioalbum namens „Squeeze Me“ zurück. Sie bewegt sich dabei abseits gängiger Popkonventionen und schafft eine Welt zwischen Chanson, Elektronik und experimenteller Klangkunst. Ihre markante Stimme, die teils dramatische Höhen erklimmt, steht dabei im Zentrum und erinnert an große Sängerinnen vergangener Jahrzehnte. Die elektronischen Arrangements sind bewusst reduziert gehalten, setzen aber punktuell ungewöhnliche Soundeffekte ein – von Xylophon-Fundamenten bis zu gruseligen Vocals. Tracks wie „Nose for a Mountain“ oder „Runner“ oszillieren zwischen düsterer Atmosphäre und subtiler Melodik. Dabei ist „Squeeze Me“ kein leicht verdauliches Pop Album – viele Stücke entfalten ihre Wirkung erst nach mehreren Durchläufen. Doch wer sich darauf einlässt, entdeckt eine vielseitige, künstlerisch eigenständige Produktion mit viel Liebe zum Detail. Ein mutiges Album mit Ecken und Kanten – fordernd, aber lohnend. 8 Mollwitz
Stimming
Friedrich (Stimming Recordings)
„Friedrich“ ist der zweite Teil einer Albumtrilogie, die eine Hommage an die Taube darstellt. Wie schon beim ersten Teil („Ludwig“, 2021) sind auch hier auf dem Cover Tauben zu sehen. „Für mich ist die Taube das Symbol für diese ganz normalen Momente im Leben, die irgendwie klein sind, aber wenn man sie mit viel Aufmerksamkeit betrachtet, findet man Dinge, die unglaublich interessant sind“, erklärt der Musiker und Produzent. Schon 2013 tauchte die Taube das erste Mal in seinem Werk auf, im Titel seines erfolgreichen Tracks „Taube auf dem Dach“. Musikalisch wandelt der neue Longplayer auf recht sanften Pfoten, ist dabei kompositorisch sehr ausgefeilt und abwechslungsreich. Seine Klangwelten sind dadurch sehr reichhaltig, erzeugen eine großartige Spannung und Atmosphäre, hier pendeln sie zwischen Ambient-Fragmenten, trippigen Passagen, Electronica mit Pop-Appeal, Downbeats und Broken Beats, gut dosierten Vierviertel-Strömen und werden dann gekrönt von drei überzeugenden Vocal-Tracks: „Promise“ feat. Salomea (Favorit!) sowie „Keys Don’t Match“ und „Face In The Clouds“ feat. Dominique Fricot. 9 Tech Guardiola
Talla 2XLC presents Techno Club Retroheroes Vol. 3
(ZYX)
Mit dieser Compilation-Serie versucht Talla 2XLC das Scheinwerferlicht auf wichtige aber leider etwas in Vergessenheit geratene Protagonisten zu richten. Für das dritte Kapitel hat er das legendäre Duo Sunbeam engagiert – wahre Veteranen der elektronischen Musikszene, vor allem bekannt für ihren Anthem „Outside World“. Die CD vereint 19 ausgewählte Trance Classics, die das Herz jedes Rave-Nostalgikers höherschlagen lassen. Unter den Highlights der Tracklist finden sich Klassiker von Oliver Lieb, Cygnus X, Jam & Spoon, Commander Tom, Marmion, Tillmann Uhrmacher oder Tomcraft. Das Ergebnis ist eine grandiose Zeitreise durch zwei Jahrzehnte Trance-Geschichte. 10 points trancer
York
Infinite (Armada)
York bleibt York – und doch erfindet er sich auf Infinite immer wieder neu. 22 Tracks in 68 Minuten, die nicht einfach nur chillen, sondern auch pumpen, fließen, fliegen. Mich catcht besonders der Kontrast: Zwischen clubbigem House-Pop wie „Foundation“, träumerischem „If I Were A Snowflake“ und der melancholischen Großstadtsehnsucht in „Deus Ex Machina“. Infinite ist kein Stil-Buffet zum Durchprobieren, sondern ein gut kuratierter Streifzug durch Yorks Klangwelt, die sich irgendwo zwischen Strand, Trance-Tempel und Open-Air-Festival entfaltet. Alte Klassiker wie „On The Beach“ klingen in neuem Gewand erstaunlich frisch – vor allem das Remake mit Alok macht Laune. Trotz der Vielfalt bleibt das Album stimmig und transportiert das, was York offenbar antreibt: das unendliche Spiel mit Emotionen und elektronischen Texturen. 08/10 scharsigo
Aus dem FAZEmag 160/06.2025