Platten des Monats – September 2024

Das sind sie, unsere Tonträger-Favoriten aus dem September-Heft unterteilt in Alben und Compilations, Singles und EPs sowie die jeweiligen Platten des Monats.

Singles & EPs – Platte des Monats

Unknown
(Interpret 009 / Deejay.de)
Ich erinnere mich gerne an eine Zeit, in der an jeder Ecke Bootlegs entstanden und unerwartet im Plattenladen des Vertrauens auftauchten. Music Man in Köln, Important in Essen oder Sounds Good in Düsseldorf beispielsweise. Ein quasi rechtsfreier Raum. Es gab weder Downloads noch Files. Der DJ zeichnete sich durch seine Selektion aus. Das Mixing war zweitrangig – siehe Mark Spoon. Der vorliegende Drei-Tracker wäre auch damals auf jeden Fall in meinem Fach gelandet. Ob man jetzt das 100ste Bootleg von Hall & Oates (B2) benötigt, sei mal dahingestellt, aber Alyson Williams‘ „Sleep Talk“ im House-Mix auf A finde ich sehr stark. Gut finde ich auch, dass hier nichts perfekt, sondern eher rough klingt. Die Vocals klingen wie live drüber gelegt, à la Erick Morillo. Sehr schön auch der House-Mix von Brigitte Fontaine & Areskis „Le Brin d’Herbe“ auf B1. Achtung, limitiert. 10 points svenman

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Singles & EPs – Top Ten

Ackermann
Feel Like Fucking (Rekids Special)
Knallerscheibe von Acker auf Matts Label: Der Titeltrack entpuppt sich als eine Clubbombe und ist einer der besten Technotitel, die in den letzten Jahren erschienen sind. Percussions, Femalevocals, Techno-Kicks und eine warme Bassline staffieren „Feel Like Fucking“ zu einem energetischen Burner aus – mit den ersten Klängen ist der Drops gelutscht und man wird in das schwarze Loch ohne Wiederkehr gezogen. Themenwechsel: „Love Is Good“ kehrt Techno den Rücken und besinnt sich auf Old School Chords, knackige Housedrums und entwickelt eine feierliche Stimmung – ebenfalls ein mehr als gelungener Song. Speed up, wenn „Push“ gefilterte Synthielines auf den geschwindigkeitsaffinen Beats rotieren lässt – welch Dynamik, welch ein Drive, welch Analogie zu Robert Hood. Und dann rollt der tiefe Bass am Ende auf „Whiggle Your Neck“, perkussiv, stripped-back Beat und freaky Vocals – mehr kann man von intelligent produziertem Techno nicht erwarten. Superfette Scheibe!!! 10 Cars10.Becker

A.D.H.S.
Kerala (Warner)
Debüt auf Warner! Nach diversen Tracks auf verschiedenen Labels wie Electric Ballroom, Terminal M oder Drumcode hat A.D.H.S. nun seine erste Single auf einem Major veröffentlicht – und das soll nicht die einzige bleiben. „Kerala“ ist ein druckvoller Powertrack, der traditionelle indische Meditationsgesänge auf tempogeladene Beats, messerscharfe Synthieflächen und eine Psytrance-Bassline vereint. Eine gute Mische, die hier zusammenkommt, der Track ist hinreißend, betörend und hilft uns bei der Eskalation auf dem Dancefloor. Wow. 9 Tech Guardiola

4am Kru
Incognito Rhythm (4am Kru)
Kleine Zeitreise gefällig? Die 4am Kru packt eine Mischung aus frühem Jungle und Breakbeats im Albumformat auf den Dancefloor, die zwar nicht ohne die obligatorischen Trademark-Sounds wie gepitchte Vocals, gechoppte Breaks und Hardcore-Sounds auskommt, aber mal ganz unter uns: Wer würde auch darauf verzichten wollen? Worauf man gerne verzichtet, ist die oftmals fragwürdige Produktionsqualität der frühen Neunziger – und auf die verzichtet auch die 4am Kru. Entsprechend gut und fresh klingen die 19 Tracks auf Incognito Rhythm und machen beim Hören zuhause nicht weniger Spaß als im Club. Um mal eine Uraltfloskel zu bedienen: All Killer no Filler! Für alle Ü40 fühlt sich dieses Album an wie nach Hause kommen – für den Rest ist es Geschichtsunterricht inklusive Knicklichtern, Tarnnetzen, Stroboskopen und Rave-Pianos. 10 points Feindsoul

Dapayk Solo
Superstar (Frickel/Sonderling Records)
Herrlich schwer wiegt das dicke und rot-farbig gehaltene Vinyl der achten Ausgabe auf Frickel/Sonderling in der Hand. Als sich die ersten Klänge des Originals von Dapayk (an dieser Stelle ist Niclas Worgt auf Solopfaden unterwegs) in Bewegung setzten, kann man förmlich den Aufbau des Tracks erahnen: Drum, Bass und ein paar begleitende, effektive Töne; es gesellen sich weiteres Schlagwerk und die Kick hinzu, bevor das Malevocalloop auf dem gewaltigen Unterbau, den Wiedererkennungseffekt schafft, wenn auch etwas überstrapaziert. Der Remix (übrigens nur auf Vinyl erhältlich) verzichtet weitestgehend auf den Einsatz der Vocals und konzentriert sich auf den trackigen, focierten und clappenden Instrumentalritt durch den qualitativ hochwertigen Housebereich. Herrlich monoton kann sich das tanzende Klientel auf dem Floor in Trance versetzen und sich ganz dem Rhythmus hingeben. Empfehlung! 9 Cars10.Becker

Dub Ten
XOU006 (Flexout Audio)

Dubbigen Techfunk auf 174 BPM gefällig? Dub Ten hat ihn megatonnenweise im Gepäck und beweist, dass weniger manchmal einfach mehr ist. Denn eine gute Produktion muss in erster Linie rollen und jedem Sound genau den Platz bieten, den er braucht. Natürlich kann man jede Produktion mit noch mehr gelayerten Snares und noch mehr White Noise und noch mehr und viel zu vielen, viel zu breiten Sounds gegen die Wand fahren – oder man macht es so, wie Dub Ten. Und dann kommt dabei eine Mischung aus frühem Tech Step und deepen Rollern heraus, die auch abseits von Parametern wie höher, schneller, weiter funktioniert. Mein persönliches Drumandbass-Highlight des Monats! 10 points Feindsoul

Pablo Say, Anna Tur, Sara De Araujo
Ruta / Who Is? (Truesoul)
Die Spanish-Connection Pablo Say und Anna Tur eröffnet den Zwei-Tracker auf Adam Beyers Truesoul-Label mit „Ruta“ – einem soliden Dancefloor-Roller mit treibenden Energien und klassischen Laser-Synths, die einen ordentlich auf Zack bringen. Stabiler Ibiza-Sound. Für die zweite Nummer zeigt sich die Portugiesin Sara de Araujo in Form von „Who Is?“ verantwortlich und liefert reichlich Dynamik und Punch. Die Bassline grooved herrlich mit den fein arrangierten Synth-Effekten, die den Track wiederum interessant beim Zuhören gestalten. Keine Neuerfindung des Rades, aber eine mehr als akzeptable Nummer. „Decent“, wie der Engländer sagen würde. 8 R. Winkler

Radeckt
Human Strangers (Human By Default)
Auf HBD 044 marschiert Radeckt mit gewohnt stampenden Houseansatz und liefert verdammt amtlich ab. Im Titelstück verarbeitet er eine mystische Leadmelodie, die sich während des Arrangements verändert. Spoken Words und insbesondere der fett rollende Beat hooken die Tänzer maximal auf dem Floor – dicker Hit! Mit „Heart“ schließt sich eine Fusion aus kickenden Hits, gerippten Synthies und einem geschwungenen Groove an, Jeena an den Vocals – der Track entwickelt einen formidablen funky Flow. Das trancig perkussive „Virtous Gaze“ stelle eine Mischung der beiden vorherigen Tracks dar, sehr deep und trancy. Fantastisches und mitreißendes Release. 10 Cars10.Becker

Solarythm / SHFT
TGP Extra 008 (The Gods Planet)
Der aus Neu-Dehli stammende SHFT und der Franzose Solarythm sorgen für die neuste Veröffentlichung auf dem von mir heiß geliebten Deep-und Hypnotic-Label The Gods Planet, betrieben vom grandiosen Italiener Andrea Deplano alias Ness. Meine Erwartungen an das Release waren also wie gewohnt hoch und auch dieses Mal wurde ich nicht enttäuscht. Im Gegenteil, das Duo serviert uns hier feinste moderne Techno-Klangkunst in Form von sechs Tracks, die uns tief in fremde Galaxien entführen. Solarythm eröffnet die Scheibe mit “Clarté” und einem sehr prägnanten bouncy Space-FX-Sound, der sich prima in die düstere Atmosphäre samt trippy Bass und allerlei FX-Specials einnistet. Hypnotisierend. Auch “Tentation” geht mir gut rein und zieht mich mit vielen ineinander verschachtelten Melodien in seinen Bann. Die dritte Nummer des Franzosen, “Resistance”, trifft hingegen nicht ganz meinen Geschmack. Etwas zu verspult. Kollege SHFT, der sich auf der B-Side entfalten darf, schickt mit “The Last Coach” zunächst eine weniger düster anmutende Nummer ins Geschehen, dessen Lead-Melodie mit den breakigen Drums gute Laune im Orbit versprüht. Ganz nett. “Agravic” schaltet anschließend einen Gang nach vorne und setzt auf reichlich Warp und FX. Die gelegentlich einsetzenden Dub-Stabs und die aus dem Nichts auftauchende Piano-Melodie sind großartig und bilden mit den engelsgleichen Chorus-Pads die Hauptattraktion. Fantastisch! Mit “Zeroth” erwartet uns abschließend ein Breakbeat-Clap-Gewitter, das sich nach einem langen Build-up in einem ziemlich epischen Finale mit dunklen Bleeps und modulierten Hochfrequenz-Sequenzen entlädt. Erwartungen hoch. Erwartungen mehr als erfüllt. Rezensent glücklich. Zehn von Zehn. 10 Laenkford

Das Releasedatum hat sich verzögert und wird in Kürze bekanntgegeben.

The Radicant
We Ascend (Kscope)
Vincent Cavanagh hat sich mit The Radicant auf ein musikalisches Abenteuer begeben, das seine Vergangenheit respektiert, aber zugleich die Zukunft ins Auge fasst. Auf der Debüt-EP „We Ascend“ entfaltet der kreative Kopf hinter Anathema eine Klanglandschaft, die auf faszinierende Weise elektronische Texturen mit einer cineastischen Tiefe verbindet. „Zero Blue“ sticht mit seinen pulsierenden Drum-and-Bass-Rhythmen hervor, während „Stowaway“ eine filmische Weite entfaltet, die an nächtliche Fahrten durch endlose Städte erinnert. Die Zusammenarbeit mit dem gefeierten Produzenten Ténèbre bringt eine polierte Raffinesse in die EP, während das Mastering von Sam John für eine klangliche Präzision sorgt, die jeden Ton lebendig macht. „We Ascend“ ist mehr als nur eine EP; es ist ein Statement über die Fähigkeit zur ständigen Erneuerung und das Verschmelzen unterschiedlicher Kunstformen. Schön. 9 Tenorali

Various Artists
Crazy Night EP (Mostly)
Die fünfte Mostly beherbergt letztendlich zwei Künstler. Auf der A-Seite verdingen sich Bs As Deep zunächst im aka-Outfit als T-System. Der New Mix von „Linear Waves“ rollt mächtig und beinhaltet ellenlange Ambientflächen im Hintergrund, chilliger, locker fingerschnippender Deep House. Danach ungetarnt als BAD mit scheppernden Percussions wie zu besten Deee Lite Zeiten mit discoidem House („Love Of The House“), deep ausgelegt und für perfekten Tanzspaß auf dem Flur geeignet. Top! Was macht Nicola Brusegan auf der Flip? „Colour“ im Tea Time Vox bringt uns ebenfalls sehr ansprechenden Deep House, begeisternde, narrative Malvocals und dubbige Echos inclu. Abgerundet wird der Auftritt durch den perkussiven Club House auf „Miniature“ – Oldschool Ende 90er mit Bläserintermezzi, die im Zusammenspiel mit dem Beat wie Boo Williams und Paul Johnson zu ihren besten Zeiten auf Relief klingt. Extrem starkes Vinyl! 10 Cars10.Becker

Various Artists
Mood Edits Vol 2 (Mood)

Auch auf die Gefahr hin, dass ich mich wiederhole und Euch langweile, ich liebe das Label von Manda Moore und Sirus Hood. Auch die neueste Sechs-Track-EP versprüht eine angenehm erfrischende LMAA-Attitüde. Tech-House mit vielen Samples – der Geto Boys-Track ist mein absoluter Favorit – und sehr vordergründigem Dancefloor-Appeal. Dance your ass off. Mag ich. 10 points svenman

Alben & Compilations – Platte des Monats

Total 24
(Kompakt Records)
Kompakt Records ohne Total ist wie Köln ohne Kölsch, das geht also gar nicht. Zum mittlerweile 24. Mal veröffentlicht das Label seine Signature-Compilation und präsentiert damit das Kompakt’sche Soundspektrum mit Tracks von alten Label-Hasen und befreundeten Acts. Los geht es bei „Total 24“ mit TEE MANGO, der einer persönlichen Einladung von A&R Michael Mayer folgte und hier sein „So in Love“ droppt, ein bester Label-Tradition: minimal, funky, einprägend. Mayer selbst ist natürlich auch an Bord und präsentiert uns „Urian“, das schnittig ins Ohr pulsiert und sich gemächlich, aber unaufhaltsam aufbaut. Wo Mayer ist, ist natürlich auch Reinhard Voigt nicht weit. „Der, der mit dem Gummiball sang (Orange)“ heißt sein Beitrag, der auch dem Namen alle Ehre macht, eine Kuh muhen lässt und herumquietscht und plöckert. Und wo Reinhard ist, da ist Bruder Wolfgang auch nicht weit – hier unter seinem Namen Wassermann und als Finale der Compilation. „Die Goldene Zeit“ brummt auf tiefster Frequenz präsentiert uns noch ein Märchen aus Tausendundeiner Nacht. Gute Nacht! Aber vorher auch noch weitere tolle Beiträge von Jürgen Paape, Jörg Burger, Rex The Dog und so weiter. Total dufte! 10 Dieter Horny

Alben & Compilations – Top Ten

Denver Cuss
Leaving Me (Broken Silence)
Das Debut der britischen Sängerin ist eine echte Überraschung und ein musikalisches Highlight im Bereich Soul und Songwriting. Mit Leichtigkeit evoziert sie Stimmungen aus den 60ern, als R’n’B und Soul ihre Blütezeit erlebten, dessen Tradition sie modern fortführt, wenn Titel wie „I’ve Come Home“ oder „By My Side“ Authentizität und Tiefe in Vollendung vollführen. Der nostalgische Charme täuscht nicht über ihre neuen Ansätze hinweg, wie sie bspw. Vorbilder wie Thee Sacred Souls ausführen. 18 Monate waren gut investierte Zeit, um sich auf den Weg zu machen, eine Alternative zu Amy Winehouse zu werden. Toll! 10 Cars10.Becker

Bodhi
Laurus Ascending (Hotflush)
Das Duo (Luke Welsby und Olly Howells) aus Cardiff repräsentiert den Sound von Scubas Hotflush Label wie kein Zweiter. Stellvertretend sei der Opener „All I Want“ genannt, der mit verzerrtem und dickem Bass sowie rasiermesserscharfer Drumprogrammierung zusammen mit dem gepitchen R’n‘B Sample für eine unwiderstehliche Hook sorgt. Underground, der auch den Mainstream ansprechen wird. Geiler Twist. Im weiteren Verlauf setzt sich der grimige, garagige Sound weiter fort („Reformat“) und bringt charmante Verweise auf breakige Samples aus Anfang der 80er UK Dub Step Ära. Flüssigen Beatflow bieten sie mit „Laurus Ascending“, während „LFO2“ distorsive Sonicsequenzen effektiv einsetzt. Spannende Konstrukte, die für gehörig Spannung sorgen. Tipp: Das knackig breakende „LVLZ“. 8 Cars10.Becker

Floating Points
Cascade (Ninja Tune)
Mit „Cascade“ kehrt der Brite Sam Shepherd Floating Points eindrucksvoll zu den Wurzeln der elektronischen Musik zurück und präsentiert ein genreübergreifendes Abenteuer, das sowohl eine Hommage an seine Manchester-Vergangenheit als auch eine aufregende Weiterentwicklung seines Sounds darstellt. „Cascade“ beginnt kraftvoll mit „Key103“, einem Titel, der das Erbe der gleichnamigen Radio Station aus der Industriestadt antreten soll. Moderne elektronische Experimente werden hier eindrucksvoll in den Kontext der Vergangenheit gesetzt. Die pulsierenden Buchla-Rhythmen und glitchenden Melodien machen sofort klar: Floating Points ist zurück auf der Tanzfläche. Shepherds Fähigkeit, komplexe elektronische Texturen und hypnotisierende Grooves zu kreieren, wird insbesondere im Titeltrack „Cascade“ auf ein neues Level gehoben. Ohnehin bieten alle Nummern reichlich Raum zum Atmen und somit Platz für ausgedehnte, fesselnde Klangexplorationen. Mit seinem neuen Album dürfte Floating Points wohl gleichermaßen seine alten Fans begeistern als auch bei „Neulingen“ ordentlich punkten. 9 Kleinos

Gilligan Moss
Speaking Across Time (Foreign Family Collective)
Gilligan Moss gelingen mit ihrem zweiten Album „Speaking Across Time“ ein Werk, das sich großer Beliebtheit erfreuen dürfte. Das Duo aus Brooklyn verbindet gekonnt nostalgische Samples aus den 90er- und 00er-Jahren mit eingängigen Dance-Pop-Elementen und Indie-Vibes. Durch Einflüsse aus Rave, Old Country, 70er-Jahre-Soul, Honky-Tonk-Piano-House entsteht so ein spaßiges Abenteuer der Zeitlosigkeit, das man immer wieder von vorne erleben will. „Still Wonder“, unterstützt von Charlie Houstons luftigen Vocals, vertieft das Gefühl einer träumerischen Klangwelt, das zuvor vom warmen Intro „Radio GilMo“ eingeleitet wurde, mit melodischen Pop-Elementen und „Upstate Miracle“ zeigt die Experimentierfreude von Gilligan Moss: eine Mischung aus melancholischem Indie und unerwarteten Country-Vocals. Zum Abschluss erfolgt mit „Turn Back Time“ und „You Are The Greatest“ ein mitreißendes Crescendo-Finale, das mit einer ganz besonderen Atmosphäre, fein nuancierten Echos und warmen Samples den perfekten Schlusspunkt setzt. Gefällt. 9 Tenorali

Schulz Audio
Spectral Ranges (Bandcamp Self-Release)
Schulz Audio, ein lange aktiver Dub-Künstler aus Deutschland, veröffentlicht nach 20 Jahren im Geschäft sein erstes Album: “Spectral Ranges”. Das hochwertige und in Handarbeit gefertigte Holz-CD-Case müsste am Ende der Wertung eigentlich einen Bonus-Punkt geben, doch – Achtung, Spoiler – das ist gar nicht nötig. Hier wird’s eine volle Punktzahl geben, soviel sei vorab gesagt. Die acht Stücke klingen, als seien sie in eine Art Nebelgewand gehüllt – der Morgentau schimmert und die ersten Sonnenstrahlen brechen durch die Wolkendecke. Schulz Audio macht das, was er am besten kann: eine einzigartige Atmosphäre schaffen mit der perfekten Auswahl und Anzahl an stilistischen, uniquen Sounds. Nicht zu überladen, aber auch nicht zu minimalistisch. Das ist Musik, so smooth und subtil, man will morgens mit ihr aufstehen und abends mit ihr einschlafen. Die typischen Dub-Elemente, Echos und filigranen Pads ertönen iin verschiedenen Stimmungslagen, mal melancholisch-nachdenklich, mal munter und groovy und ergänzen sich großartig mit den abgespeckten, aber clever arrangierten Drums und den grummeligen Bässen, die dem Ganzen nicht nur Groove, sondern auch eine gewisse ‘Coolness’ verschaffen. Einzigartig. 10 Laenkford

Soela
Dark Portrait (Scissor And Thread)
Die Pianistin und Sängerin Elina Shorokhova hat unter ihrem DJ- und Producer-Alias Soela in den letzten Jahren viel Aufmerksamkeit und viel gute Musik generiert. Dabei hat sie auf Labels wie Kompakt, Dial, Shall Not Fade etc. veröffentlicht. Mit “Dark Portrait“ veröffentlicht sie ihr zweites Album und präsentiert hier ihren sehr einnehmenden Sound zwischen Dancefloor und Sofa, garniert mit ihrer eindrucksvollen Stimme. Das triphoppige „Unsuitable“ führt uns zu einem ruhigen Sonntag nach dem Club, während die Sonnenstrahlen ins Zimmer gleiten und langsam die Lebensgeister wecken. Während man zu „Through The Windows“ (fest. Francis Harris & Philipp Priebe) in der Nacht noch ordentlich gepumpt hat. Ein weiteres Highlight ist sicherlich das charmant-minimale „February Is Not Going To Be Forever“, das in Kooperation mit Lawrence entstanden ist. Soela versteht es sehr gut, ihre Beats – mal schwerer, mal schneller – mit Ambient-Flächen und ihrer Stimme zu kombinieren. Ein Album zwischen Euphorie und Melancholie, ein ganzes Wochenende auf einer Platte. 10 Trance Gall

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Tim Bowness
Powder Dry (Kscope)
Der englische Artrock- und Elektropop-Veteran Tim Bowness mit seinem bereits achten Album. Herausgekommen ist eine düstere Artpop-Nummer in Bowness‘ unverkennbarem 80s-Post-Punk- und Synthie-Stil. Die 16 Tracks klingen zwar modern und sind mit einer gewohnt sparsamen, aber wirkungsvollen Instrumentierung ausgestattet, verlangen dem Hörer allerdings viel Aufmerksamkeit ab. „Powder Dry“ ist anspruchsvoll, kontrastreich und experimentell. Industrial Rock, Electro-Pop und Singer-Songwriting formen sich zu einer verschwommenen, dunklen Soundkulisse mit einer sogkräftigen Tiefe und Dichte. Emotional aufgeladen und elektronisch verfremdet, begibt sich der Brite auf die Suche nach Melancholie, Ursprüngen und Sehnsüchten, und verliert sich dabei immer wieder in unkonventionellen Ansätzen, die zum Nachdenken und Innehalten einladen. Speziell, aber sehr beeindruckend. 8 R. Winkler

Trentemøller
Dreamweaver (In Your Room)
Im Mai veröffentlichte Trentemøller mit „A Different Light“ seinen ersten Song seit 2022 – ein wundervoller Trip zwischen Folk, Akustik und Space Rock und ein erster Vorbote des neuen Albums „DreamWeaver“, das nun erscheint. Nach dem noch recht fragilen Anfang, der auch diese hypnotische und transzendentale Stimmung ins ganze Album hineintransportiert, bietet „Dreamweaver“ eine recht dezente, aber unüberhörbare Abwechslung zwischen Space, Rock, Keys, Kosmos und dem überirdisch klingenden Gesang der isländischen Sängerin Disa. man fühlt sich im besten Sinne an die legendären My Bloody Valentine erinnert, hier aber etwas poppiger, runder. Ein überraschend tolles und überzeugendes Album 9 Terence Trance D’Arby

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Tycho
Infinite Health (Ninja Tune)
Der aus San Francisco stammende Produzent Scott Hansen – zweifach Grammy-nominiert – mit seinem sechsten Album namens „Infinite Health“. Nach zuletzt einigen Genre-Grenzüberschreitungen besinnt er sich für die LP wieder auf einen stark elektronischen geprägten Produktionsstil und überlässt Breaks, Drums und jeder Menge Rhythmik die Hauptrollen. Sanftmütige Synthie-Melodien („Devices“) versprühen Lebensfreude, melancholische Gitarren auf Downbeats gebettet („Green“) bilden den emotionalen Kontrast auf einem 9-Track-Album, das sich, wie Hansen selbst erklärt, auf geistige, emotionale und körperliche Heilung stützt. Eine schöne bunte Electronica-Tüte mit der einzigartigen Signatur eines hervorragenden Künstlers. 8 M. Baka

WhoMadeWho
Kiss & Forget (The Moment/Orchard)
Die dänische Dance- und Pop-Band WhoMadeWho pflastern schon seit über 20 jahren unseren Weg mit infektiösen Beats, schmissigen Melodien und feinem Songwriting. Und nach über 20 Jahren hört sich das immer noch nicht langweilig an. Tomas Høffding, Tomas Barfod und Jeppe Kjellberg haben ordentlich am Jungbrunnen genippt und kommen sehr fresh, druckvoll und vergnügt daher, dieses Mal auch mit einer Handvoll Kollaborateuren und daraus folgender Abwechslung. Die Songs laden zum Mitwippen, einfach Hören oder zum Tanzen ein – live ist das Trio ebenfalls ein großes Vergnügen. Anspieltipps auf „Kiss & Forget“: „Love Will Save Me“ mit Ry X, „Heartless“ mit Kölsch und „Children“. 9 Trance Zimmer

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Aus dem FAZEmag 151/09.2024