Als eine der gefragtesten und technisch versiertesten Bands der deutschen Live-Musikszene sind die Berliner Ruffcats so etwas wie eine Institution. Für ihr neues Album „Orile To Berlin“ hat sich das achtköpfige Ensemble nun erneut mit dem Rapper, Sänger und Songwriter RAH zusammengetan, der seit vielen Jahren Einflüsse aus seiner Heimatstadt Lagos (Nigeria) und von seinem Wohnort Berlin auf der Bühne verarbeitet. Entstanden ist nun eine faszinierende Fusion aus Afrobeat und Highlife, die aber auch Funk-Sensibilitäten und eine Hip-Hop-Attitüde aufweist.
RAH, das Album ist nach deinem Weg von Lagos bzw. dessen Stadtteil Orile bis nach Berlin benannt. Welche Parallelen lassen sich zwischen den beiden Metropolen ziehen?
RAH: Berlin und Lagos ähneln sich in vielen Aspekten, insbesondere in der Kreativität und Vielfalt, aber auch der Schnelllebigkeit. Es ist eine Hochburg für Kultur und Kunst, Musik und Film. Die Stadt ist berühmt für Nollywood und Afrobeat, das sich längst zu einem weltweit beliebten Genre entwickelt hat. Während Lagos mein Ausgangspunkt ist, ist Berlin der aktuelle Standort meiner Lebenslinie. Dem Album ist eine Zeitlinie meines individuellen und künstlerischen Wachstums inhärent.
Uwe, ihr und RAH seid schon lange befreundet. Was fasziniert euch an ihm?
Uwe Breunig: RAH und ich haben uns bei irgendeinem Industrie-Gig Mitte der 2000er in einem Club in West-Berlin kennengelernt. Damals war RAH auf der Bühne schon irre gut und hatte das Publikum richtig im Griff. Danach sind wir uns in der Berliner Szene immer wieder über den Weg gelaufen und haben schließlich für die Single „Shifting Sands“ zusammengearbeitet, auf der er diesen unfassbaren Rap-Part gebracht hat. RAH ist mehr als nur ein Rapper und Sänger. Das habe ich schon so empfunden, als ich noch nicht einmal verstand, worüber er überhaupt singt (lacht).
Das Musikvideo zu „Agidi“, eines der Single-Releases des aktuellen Albums „Orile To Berlin“:
Als Ruffcats habt ihr den Globus ausgiebig bereist und konntet viele Eindrücke sammeln. Was konntet ihr von euren Reisen mitnehmen? Wart ihr auch in Lagos?
Uwe Breunig: Alle Musiker der Ruffcats verfügen über einen musikalischen Horizont, der weit über die Popmusik hinausreicht. Ich habe mich zum Beispiel sehr viel damit beschäftigt, wie sich „schwarze“ Musikkultur in der Diaspora – insbesondere in Süd- und Mittelamerika – verändert hat. Wenn man das etwas genauer betrachtet, landet man automatisch wieder auf dem afrikanischen Kontinent. Nigeria oder Lagos stehen noch aus, und es wäre natürlich total geil, wenn wir das als Band gemeinsam machen könnten.
Gibt es kulturelle Eigenschaften Afrikas, die Europa guttun würden?
RAH: Ich bin nicht in der Lage, mir darüber ein Urteil zu erlauben, weil wir als Menschen alle mit besonderen Problemen unterschiedlichster Art konfrontiert sind. Jedoch kann ich auf Dinge hinweisen, die ich in Europa vermisse: das Wetter, das Essen, eine erweiterte Familie oder das Gefühl, willkommen zu sein. Auf der anderen Seite stehen die Infrastruktur, die Sicherheit, das Gesundheitssystem, die Bildungsmöglichkeiten und die wirtschaftliche Stabilität, die einen höheren Wohlstand garantieren.
Uwe Breunig: Fast alle wichtigen Impulse oder Entwicklungen in der Popmusik gehen auf Einflüsse der afrikanischen Musikkultur zurück. Das anzuerkennen und dem Ganzen den gleichen Stellenwert einzuräumen wie dem, was man in Europa gerne als „Hochkultur“ bezeichnet, wäre in meinen Augen ein wichtiger Schritt und würde Europa sehr guttun. Nicht nur kulturell, sondern auch soziokulturell und politisch.
Das Album „Orile To Berlin“ von RAH & The Ruffcats ist am 17. Juli 2024 via Sonar Kollektiv erschienen.
Aus dem FAZEmag 152/10.2024
Web: www.instagram.com/rah_and_the_ruffcats