Rampue – Therapie durch Technik

Foto: Bastian Bochinski

Nach 14 Jahren Albumpause meldet sich der in Berlin ansässige Produzent und Live-Act Daniel Krajnyak aka Rampue mit einem taufrischen Langspieler zu Wort, für den er sein Experimentierköfferchen hervorholte und gleich eine ganze Reihe an neuen Methoden und Produktionstechniken ausprobierte. Mit „Tragweite“ kämpft sich Rampue zurück aus einer tiefen Schaffenskrise, die ihren Ursprung nicht nur in der Corona-Isolation findet, sondern auch in einer individuell empfundenen Stagnation. Hat es damit nun ein Ende?

Rampue ist eine ehrliche Haut. So ehrlich, dass es manchmal wehtut, der Realität ins Auge zu blicken. „2022 war beschissen und ich habe gerade irgendwie wenig Hoffnungen. Die Richtung, in die sich alles entwickelt, finde ich beängstigend. Aber ich bin eigentlich immer eher negativ und freue mich, eines Besseren belehrt zu werden“, konstatiert Krajnyak auf die Frage nach seinem Jahresrückblick. Uff.

Doch bei aller Negativität, die ja angesichts der derzeitigen globalen Missstände durchaus nachvollziehbar ist, gibt es auch Lichtblicke. Das findet sogar Rampue, der seine emotionale Rezession zumindest teilweise mithilfe der Produktion eines neuen Albums in die Schranken weisen konnte. So ist es nicht von der Hand zu weisen, dass wir auf „Tragweite“ eine gewisse spielerische Leichtfüßigkeit heraushören, die bestätigt, dass unser Protagonist wieder voll im Game ist. Gekonnt und willkürlich bringt er das anfangs auf der Platte vorherrschende Durcheinander in eine filigrane Ordnung, die von strukturierenden Drumpatterns und Basslines dominiert wird, nur, um sich im zweiten Drittel wieder (völlig beabsichtigt) in den Klängen und Sounds einer Maschine zu verlieren, die ein wesentlicher Faktor für „Tragweite“ war: der Buchla-Modular-Synthesizer. Rampue erklärt: „Ich hatte schon seit Längerem eine Art von Schaffenskrise und das Gefühl, nicht voranzukommen. Irgendwann habe ich mir ein Buchla-Modular-System gekauft, um dagegen anzugehen. Es hat sehr lange gedauert, die Philosophie dahinter zu verstehen, aber auf einmal hat es ,Klick‘ gemacht – der Startschuss für mein neues Album.“ Aber was findet Krajnyak so faszinierend an ihm? „Der Buchla ist launisch. Damit muss man klarkommen, gerade wenn man, wie ich, vom Computer kommt.“ Gleichzeitig habe der Synth aber „dieses Unberechenbare, das ich irgendwann lieben gelernt und auf meine Produktion versucht zu übersetzen habe.“ Bei aller Liebe rudert Rampue dann letztlich aber doch noch ein Stück zurück: „Der Buchla steht nicht gänzlich und allein im Fokus des Albums. Er ist eher sowas wie mein Nachhilfelehrer.“

Ein ganz vorzüglicher Nachhilfelehrer scheinbar, denn was Rampue hier gemeinsam mit seinem „Tutor“ produziert hat, ist ein durch und durch progressives Kunstwerk, das beim Hören immer wieder Überraschungen, Innovatives und Kehrtwendungen zum Vorschein kommen lässt. Während man „Tragweite“ anfangs noch in die Genre-Schubladen von Downtempo oder Ambient legen möchte, erscheinen diese Konventionen nur wenig später völlig aufgelöst und machen Platz für eine diverse Sound- und Rhythmik-Landschaft, die von nahezu beatlosen Arrangements („Für Dich“), treibenden Clubbangern („Phobia“) und industriell anmutenden Stücken („Kembang“) bewohnt ist. Wer weiß, lieber Daniel, vielleicht konnte dich ja dein eigenes Album eines Besseren belehren?

„Tragweite“ ist am 25. November als limitierte Doppel-Vinyl und in digitaler Form via Hold Your Ground erschienen.

Aus dem FAZEmag 130/12.2022
Text: Hugo Slawien
Foto: Bastian Bochinski
www.soundcloud.com/rampue