Das Amsterdam Dance Event bietet nicht nur die ideale Gelegenheit, eine wunderschöne Stadt zu besuchen, die sich immer wieder neu entdecken lässt, sondern ermöglicht es auch, in kurzer Zeit viele Menschen zu treffen, die man sonst nur selten zu Gesicht bekommt. Dabei geht es natürlich hauptsächlich um Leute, die im Bereich der elektronischen Musik aktiv sind – und in diesem ganz speziellen Fall geht es um den niederländischen Künstler Reinier Zonneveld. Wir haben den DJ, Live-Act und Labelhead von Filth on Acid etwas außerhalb vom hektischen Stadtkern getroffen und mit ihm über seine Musik gequatscht.
Reinier, es heißt, du hast bereits mit drei Jahren begonnen, Klavier zu spielen.
Das ist superfrüh, oder? Soweit ich mich zurückerinnern kann, war das Erste, was ich lernen wollte, Klavier zu spielen. Musik hat mich jedoch im Allgemeinen früh fasziniert und begeistert. Singen, Tanzen und vor allem Musikhören spielten in jungen Jahren eine wichtige Rolle. Das habe ich wohl auch meinen Eltern schnell klarmachen können. Ich weiß nicht, ob sie davon auch so angetan waren wie ich, aber sie ermöglichten mir vieles.
Das Interesse für Musik liegt bei euch allerdings in der Familie, nicht wahr?
Stimmt, einer meiner Onkel unterrichtete Musik und war mit den verschiedenen Musikinstrumenten wie Klavier, Orgel, Synthesizer, aber auch mit verschiedenen Musikprogrammen vertraut. Er hat mir viel gezeigt und durch ihn kam ich auch an meine erste DAW. Reason 2 war das, glaube ich. Mit etwa neun Jahren beschäftigte ich mich also schon mit elektronischer Musik. Natürlich nicht ernsthaft, aber es war mir eben auch nicht mehr fremd.
Dein Klavierspiel hast du in der Zwischenzeit jedoch nicht außer Acht gelassen.
Ich gab in den Niederlanden das ein oder andere Pianokonzert mit einigen Improvisationen und selbst geschriebenen Stücken. Auch in verschiedenen Orchestern übernahm ich die Rolle des Pianisten. Da konnte ich natürlich noch sehr viel mehr über Musik und die Möglichkeiten, Musik vorzutragen, lernen. Bis heute habe ich das Klavierspielen nicht aufgegeben und erst vor Kurzem das Klavier vom Haus meiner Eltern in meine Wohnung nach Amsterdam bringen lassen. Das Spielen hilft mir nach einem harten Wochenende dabei, zu entspannen.
Die harten Wochenenden hast du ja mittlerweile zur Genüge, tourst du doch um die ganze Welt. Und dann spielst du noch diese „All night long“-Live-Sets!
Diese Nächte sind zwar hart, machen allerdings extrem viel Spaß! Hier kann ich über acht bis zehn Stunden meine komplette musikalische Bandbreite ausleben – das ist bei einem zweistündigen Peak-Time-Set natürlich nur bedingt möglich. In den ersten Stunden spiele ich da gerne superlangsamen House und Deep House, bringe dann mit der Zeit mehr Melodie ins Spiel, um mich nach und nach von Tech-House zu Techno und Rave vorzuarbeiten. Da bringe ich beinahe mein ganzes Studio mit in den Club – okay, nicht wirklich alles, aber auf jeden Fall meine 909-, 303- und 606-Drum-Machines. Meinen Moog und Vermona Synth habe ich auch dabei und natürlich meinen Laptop mit Ableton. Das sind wohl gerade meine abgefahrensten Gigs, vor allem wenn man über die Zeit in eine Art Flow-Zustand fällt.
Hört sich spannend an! Diese Nächte finden aber momentan noch ausschließlich in Amsterdam statt, oder?
Ja, das stimmt, aber wir arbeiten gerade daran, damit auf Tour zu gehen. Die Suche nach den passenden Locations gestaltet sich nur schwierig, da wir auf gewisse Dinge großen Wert legen. Neben dem passenden Soundsystem möchten wir den Gästen die Möglichkeit bieten, dem Set aus verschiedenen Blickrichtungen zu folgen. Sie sollen also am besten auch hinter mir stehen können oder von oben auf das Setup blicken, damit sie genau sehen können, was ich mache. Die erste Party außerhalb Hollands steht jedoch schon fest, die wird Anfang 2019 in Berlin sein. Wo genau, darf ich aber noch nicht sagen.
Bei diesen Sessions kam bestimmt auch schon der ein oder andere Titel deines neuen Albums zur Geltung. Vielleicht kannst du uns ja dazu schon ein paar Dinge verraten.
Das neue Album wird „Church Of Club Music“ heißen und 18 Titel umfassen, die jedoch nicht alle auf Clublänge laufen. Hier bringe ich auch Teile der Klassik mit Teilen moderner Tanzmusik zusammen. Beim Titeltrack habe ich zum Beispiel einen Kirchenchor aufgenommen, den Klang jedoch später mit meinen Synthesizern manipuliert. Auch eine erste Studioversion von „Hard Gaan“ wird auf dem Album zu finden sein. Eine 145 bpm schnelle Nummer, die ich bisher als Closer meines Live-Sets genutzt habe. Daneben findet ihr auch einige Stücke, die sich eher für zu Hause als für den Club eignen. Und natürlich durften auf dem neuen Album weder ein eigenes Klavierstück noch die Vocals von Cari Golden fehlen. Zusammengefasst würde ich sagen: Dieses Album spiegelt meinen Musikgeschmack sehr gut wider.
Bis es so weit ist, können sich deine Fans an deiner neuen Solo-EP erfreuen – der ersten seit über einem Jahr, wohlgemerkt. „Move Your Body To The Beat“ erschien vor wenigen Tagen auf deinem eigenen Label Filth on Acid.
Im Titeltrack findet ihr unter anderem niederländische Vocals. Die verstehen zwar nur wenige, doch der Groove hat bisher noch alle mitgerissen – egal, ob ich den Track in Amerika, Europa oder Australien gespielt habe. Die zweite Nummer ist ein Remix von Miros Hardcore-Klassiker „Shining“. Mein Bruder hatte mir diesen Track vor Jahren mal auf einer Compilation gezeigt und ich war ziemlich begeistert. Letzten Sommer, am Morgen nach einem Gig, fiel er mir wieder ein. Noch auf dem Heimflug habe ich mit dem Remix begonnen. „Rave Generator“ ist der dritte Track der neuen EP, ein Oldschool-angehauchter Banger, 909-basierend und ravig. Da durfte auch der Dominator-Sound nicht fehlen, den baue ich in meine Tracks ja immer wieder gerne ein. Die Idee zu „Rotterdam Connection“ entstand während eines Live-Sets. Die Energie und Atmosphäre der Tanzfläche merkt man diesem Track deutlich an.
Erzähl uns doch zum Abschluss noch etwas mehr über dein Label. Filth on Acid ist ja noch ziemlich jung, erfreut sich aber bereits großer Beliebtheit bei Fans wie DJ-Kollegen.
Ja, das gibt es jetzt seit etwa eineinhalb Jahren und mit den zugehörigen Labelpartys feiern wir nun unseren ersten Geburtstag. Ich bin sehr glücklich über die bisherige Entwicklung des Labels und die große Unterstützung von allen Seiten. Musik von Produzenten wie Carl Cox, Bart Skils und Pig & Dan zu veröffentlichen oder auch von einem wie Emmanuel Top, dessen Musik mir damals mein Bruder gezeigt hat – das habe ich wirklich nicht erwartet! Aber auch die Nummern von Weska, Ilija Djokovic, Umek und Klangkünstler, um nur ein paar zu nennen, waren großartig. Das war jedoch noch längst nicht alles. Viele neue EPs, Releases und Partys stehen an und es lohnt sich definitiv, ein Auge auf Filth on Acid zu werfen.
Aus dem FAZEmag 081/11.2018
Text: Julian Haussmann