Reinier Zonneveld im Interview – 10 Stunden Live-Set sind nur der Anfang

Reinier Zonneveld im Interview – 10 Stunden Live-Set sind nur der Anfang

Vergangene Woche fand das Amsterdam Dance Event statt. In abgespeckter Form und mit Sperrstunde aber dennoch mit einigen unbestrittenen Highlights. Eines dieses Highlights war das 10-Stunden-Set von Reinier Zonneveld im Ziggo Dome in Amsterdam. Wir haben Reinier Backstage bei dem Verzehr von Spaghetti Bolognese erwischt.

 

Dein Auftritt gleich ist ja sehr besonders: Wie bereitest du dich auf so einen außergewöhnlichen Gig vor?

Tatsächlich bereite ich mich schon seit Jahren darauf vor. Ich spiele live und werde heute meine eigene Musik auf der Bühne produzieren. Die Vorbereitung fand grundsätzlich im Studio statt, aber auch bei allen Live-Gigs, die ich davor gespielt habe. Alles waren Vorbereitungen auf den heutigen Abend. Die vergangenen Monate war ja Gott sei dank doch wieder mehr möglich in Europa.

Es ist so, dass ich versuche, so viel live wie möglich zu spielen, um mich gut auf meine Live-Sets vorzubereiten. Jede Woche, wenn ich meine Arbeit im Studio beende, bereite ich mich auf die Sets vor. Normalerweise arbeite ich mit einem Backing-Track, der nur noch die Kick, den Bass und die Grund-Sounds hat. Die Drums und die Synthesizer spiele ich dann live, diese Spuren sind dann auf dem Backing gemuted. Ich kann dadurch etwas Neues auf der Bühne erschaffen und improvisieren, aber mich immer noch an das originale Arrangement halten. Wenn du live spielst, und dir das, was du gerade tust, extrem gefällt, kann es passieren, dass du 20 Minuten lang denselben Song spielst. Das mag dir Spaß machen, ist aber für alle anderen sehr langweilig. Da hilft mir der Backing-Track auch, dass ich mich an einen festen „Plan“ halten kann. Also zusammengefasst besteht die Vorbereitung auf so einen Gig darin, das ganze Studio-Zeug in die richtige Live-Formatierung umzuwandeln. Und dann checke ich natürlich auch immer nochmal das Equipment und die Instrumente, bei so einem wichtigen Konzert wie gleich, sogar dreimal pro Nacht…

Wie schaffst du es, zehn Stunden lang zu spielen? Wann gehst du auf die Toilette?

Ich meine, das ist natürlich immer von dem Tag abhängig an dem ich spieIe. Als ich mal ein neunstündiges Set gehabt habe, da musste ich nur einmal aufs Klo. Hoffentlich ist das gleich auch so, denn wenn ich live spiele, kann das ziemlich blöd werden. Ich muss dann richtig zu den Toiletten sprinten, dass das alles klappt.

Erst vor kurzem hast du Ferry Corstens Klassiker „Punk“ geremixt. Welche Kriterien spielen für dich bei der Auswahl der originalen Songs eine Rolle?

Manchmal werde ich gefragt, ob ich etwas remixen kann, aber eigentlich entscheide ich das immer selbst. Es hängt hauptsächlich davon ab, ob ich den Song mag, oder nicht. Ich muss wirklich ein besonderes Gefühl oder eine schöne Erinnerung bei dem Original haben, dann bekomme ich schon automatisch Ideen und sofort Lust, den Song zu mixen. Wenn ich den Track nicht mag, beziehungsweise liebe (denn du musst die Songs lieben), dann mache ich keinen Remix. Ich habe das in der Vergangenheit oft probiert, aber es funktioniert einfach nicht.

 

 

Ist es nicht viel komplizierter, einen Track zu mixen, den man liebt? Möchte man ihn dann überhaupt verändern?

Das ist von deiner Sichtweise abhängig. Normalerweise, zum Beispiel auch bei „Punk“, hat der originale Song eine starke Melodie, perfekte Synth-Sounds und ist alles in allem perfekt, eignet sich aber überhaupt nicht für ein Techno-Set, da der entsprechende Beat fehlt. Und da haben wir auch schon die Lösung: Du entfernst einfach den Beat und ersetzt ihn mit einem, der für dich und dein Set funktioniert. Somit respektierst du immer noch das Original. Und – sehr wichtig- ich versuche nicht, das Original besser zu machen. Das ist unmöglich, Original ist Original. Man kann nie sagen, der Remix sei besser als das Original, er ist vielleicht anders, aber nicht besser.

Filth On Acid ist zu einem der führenden Techno-Imprints der Welt geworden? Wie hast du das geschafft?

Das Management des Labels ist gleichzeitig auch mein eigenes, und zusammen haben wir Filth On Acid ins Leben gerufen. Ich habe damals einfach einige Künstler*innen, die ich selbst sehr mag, zum Beispiel Carl Cox oder Oliver Koletzki eingeladen und sie gefragt, ob sie Lust haben, mitzumachen. Und überraschenderweise haben alle auch sofort ja gesagt. Seither wollen auf einmal alle auf dem Label ihre Musik veröffentlichen, und wir kommen gar nicht mehr hinterher. Es ist so verrückt, wir bekommen so viel gute Musik geschickt, da ist es (leider) nicht mal möglich, das alles anzuhören. Generell denke ich, wir haben einfach den perfekten Zeitpunkt getroffen, und die Musik wird, gemeinsam mit dem Label, immer besser und besser. Aber ja, diese ganze Sache mit Filth On Acid ist für mich auf jeden Fall ein wahr gewordener Traum. Ich bin super dankbar und glücklich, dass es so gekommen ist.

Viele Künstler*innen hat die Pandemie in eine Depression gezwungen, in der sie teils jetzt noch feststecken. Wie hast du Corona überlebt?

Ich habe einfach den ganzen Tag nur Musik gemacht. Das ist für mich wie Meditation, davon bekomme ich den Kopf frei. Wenn ich keine Musik mache, fühle ich mich unausgewogen. Ich habe also versucht, das Beste aus der Situation für mich rauszuholen, und das hat dann auch so funktioniert.

Irgendwelche Pläne für 2022? Worauf dürfen wir uns freuen, worauf freust du dich?

Ich kann es kaum erwarten, endlich wieder live zu spielen. All die Shows und Festivals nächstes Jahr, auf denen ich spielen werde, wie die Timewarp oder das Awakenings, darauf freue ich mich. Ich bin so glücklich, dass ich auf meinen Lieblingsfestivals auftreten darf und Shows auf der ganzen Welt spielen kann. Nächste Woche fliege ich nach Las Vegas, wo ich bei der EDC Week spiele, eine super aufregende und next-level Veranstaltung. Alles wird einfach immer größer und größer, und ich bin unglaublich glücklich, dass ich meine Musik inzwischen mit einem solch großen Publikum teilen kann. Einfach Wahnsinn.