
Quo vadis elektronische Musik? Ist das noch die Szene, in die wir eingetreten sind? Oder ist das Return Of Invest – kurz ROI – das Maß aller Dinge? Fragen, die sich aktuell viele Acts stellen. Auch Richie Hawtin aka Plastikman. Wie schwierig die Gratwanderung zwischen Kunst und Kommerz dabei ist, hat er versucht zu verdeutlichen. Aber so richtig schlau sind wir nicht aus seinem Statement geworden. Aber fangen wir vorne an – worum geht es?
Zahlreiche Künstlerinnen und Künstler sowie Festivals äußerten kürzlich scharfe Kritik an der globalen Investmentgesellschaft KRR, der über 70 internationale Festivals zugehörig sind, darunter auch etablierte Top-Marken wie Sónar Barcelona, Boiler Room, Monegros, Awakenings und DGTL Amsterdam. Viele Künstler haben Auftritte abgesagt, Dixon hat seine Gage gespendet. Nun hat sich auch Techno-Visionär Richie Hawtin, der diesen Sommer auf mehreren KKR angehörigen Festivals spielt, in einer ausführlichen Videobotschaft zu Wort gemeldet und versucht, seinen moralischen Konflikt zu erläutern.
KKR, Eigentümer von Superstruct Entertainment, betreibt verschiedenste Festivals auf der ganzen Welt und steht wegen Investitionen in israelische Technologie- und Rüstungsunternehmen sowie Verbindungen zu Waffenherstellern in der Kritik. Das kritisiert auch Hawtin, der sich deutlich mit der Bevölkerung Gazas solidarisiert und von einem „unverhohlenen Genozid“ seitens Israels spricht.
Gleichzeitig betont er aber, dass er seit zahlreichen Jahren von den Festivals und Organisationen unterstützt werde. „Ich kenne viele Leute hinter den Kulissen und ich weiß, dass sie ihr Herz am rechten Fleck haben“, so Hawtin. Aus diesem Grund werde der Kanadier zwar in diesem Jahr sämtliche Gigs wie vereinbart spielen, in Zukunft jedoch genaustens darauf achten, für welche Werte und Ideale die Events stehen. „Ich werde mich mit denjenigen zusammentun, die die selben Ideale teilen wie ich.“ Im Umkehrschluss könne dies bedeuten, dass Hawtin auf einigen der Festivals in den kommenden Jahren nicht mehr spielen werde. Diese Linie zu finden und sich an ihr entlangzuhangeln, beschreibt Hawtin gleichwohl als kompliziert.
Er vermisst die ursprüngliche Intention der elektronischen Musikszene, deretwegen er damals begonnen hat, elektronische Musik zu produzieren, gibt aber zu, in den vergangenen Jahren – vor allem in den letzten 12 Jahren – sehr viel gutes Geld verdient zu haben. Das scheint auch der Grund für seine Loyalität gegenüber der o.g. Festivals und Events zu sein. Ob das eine Loyalität auf Zeit ist oder es einfach nur von der Höhe der zukünftigen Gagen abhängt, wir werden es sehen. Den Eigentümern von KKR wird es jedenfalls eher egal sein, wer genau als Headliner auftritt, solange der ROI stimmt.
Direkt zu Beginn des Videos erklärt Hawtin außerdem, dass er aus organisatorischen Gründen kein Plastikman-Liveset auf dem diesjährigen Sónar Festival in Barcelona spielen werde. Stattdessen werde er ein reguläres DJ-Set spielen. Hierfür entschuldige er sich bei seinen Fans.
Die gesamte Videobotschaft könnt ihr hier sehen:
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