Roel Salemink – Speerspitze des Dutch Techno

roel salemink

Techno, unendliche Weiten. Wir schreiben das Jahr 2017. Dies ist die Geschichte des Produzenten und DJs Roel Salemink, der seit 2008 unterwegs ist, um fremde Sound- Galaxien zu erforschen und Dancefloors neues Leben einzuhauchen. Viele Lichtjahre von der 08/15-Sounds beliebiger Bedroom-Produzenten entfernt, dringt Roel in Sphären vor, die nie ein Tänzer zuvor gehört hat.

Ok, vielleicht ist das ein wenig übertrieben. Aber nur ein wenig. Roel Salemink aus den Niederlanden steht seit nunmehr knapp zehn Jahren für innovativen, druckvollen und nie stereotyp klingenden Techno. Mehr als ein Grund, ihn zum Interview zu bitten.

 

Du stammst aus den Niederlanden, wie viele andere bekannte Künstler aus dem elektronischen Genre. Wie fühlte sich das Aufwachsen in Gendringen an? Wann bist du mit der Musik im Allgemeinen und mit der elektronischen Musik im Besonderen in Kontakt gekommen?

Gendringen ist ein sehr kleines Dorf an der Grenze zu Deutschland. Es gibt wirklich keine Szene für elektronische Musik in unserem Gebiet. Im Alter von 17 Jahren fing ich an, auf die andere Seite von Holland zu reisen, um mehrere Raves jedes Wochenende zu besuchen. Am Anfang hörte ich viele verschiedene Stile, aber nach einer Weile gab es nur ein Genre, das mich wirklich berührte, Techno. Ich fing an, meine Vinyls zu kaufen und versuchte, so viele Raves wie möglich zu besuchen.

Welchen Beruf wolltest du als Teenager ergreifen und wie gefällt deiner Familie dein jetziger Beruf?

Ich war wirklich jung, als ich anfing, an der Kasse zu arbeiten. Ich glaube, es war im Alter von 16 oder 17. Es war jetzt nicht wirklich etwas, was ich immer machen wollte, aber es war ein guter Weg für mich, um im jungen Alter viel Geld zu verdienen. Ich hatte nie ernsthaft den Plan, beruflich in der Musikszene tätig zu sein. Aber natürlich bin ich am Ende sehr froh darüber, dass sich die Dinge dahingehend entwickelt haben und im Moment gut funktionieren.

Die Niederlande sind vor allem für Trance-Künstler wie Armin van Buuren oder Tiesto bekannt, obwohl es durchaus eine Geschichte von Techno-Künstlern wie Misjah oder Miss Djax gibt. Wie erklärst du dir, dass Trance in den Niederlanden so beliebt ist?

Trance ist sehr groß in Holland, weil die größten Künstler der Trance-Musik aus Holland stammen. Und diese Jungs haben die Szene groß gemacht. Um ehrlich zu sein, hörte auch ich in den frühen Tagen viel Tiesto und Armin van Buuren. Es war eine gute Musik für mich. Es gab in ihren Produktionen auch viele Techno-Einflüsse und Old-School-Sounds. Aber auch die niederländische Technoszene hat viele gute Produzenten vorzuweisen, die schon länger dabei sind: Secret Cinema, Bart Skils, Darko Esser, Steve Rachmad und viele mehr. Und es gibt eine neue Generation von niederländischem Techno mit Protagonis- ten wie Egbert und Reinier Zonneveld. Überall wo ich spiele, höre ich, dass die Leute großen Respekt haben vor der kompletten niederländischen Dance-Szene und da keine Unterschiede zwischen Trance, EDM und Techno machen. Ich finde, das ist gut zu hören. Ich bin stolz und glücklich, ein kleiner Teil davon zu sein.

Das Jahr 2008 markierte den Startpunkt in deiner Karriere mit einem ersten großen Aufschlag im weltweiten Techno-Biz. Zusammen mit Frederik Soderstrom und Sina Morshed Solouk aka Devilfish hast du ein Album auf dem populären britischen Label Bush Records herausgebracht. Wie kam es zu diesem Album und warum wurde es die kommenden drei Jahre so still um dich?

Ich hatte ehrlich gesagt nie die Absicht oder den Plan, als Produzent durch zu starten. Ich kaufte mir meine erste Version von Ableton Live und begann, die ganze Zeit damit herum zu spielen und zu experimentieren. Nach ein paar Tagen hatte ich für mich beschlossen, eine neue Version des Devilfish Klassikers „Manalive“ zu produzieren. Ich schickte es zu Eric Powell von Bush Records, um ein Feedback zu bekommen. Und Wahnsinn, acht Wochen später hatten wir eine Freigabe für das Release auf Bush und dazu einen Remix von Jon Rundell. Die EP war auf Platz # 1 bei Beatport und das für mehr als zwei Monate. Ein erstaunlicher Start für einen neuen Produzenten. Weil ich noch total neu im Musikbusiness war, habe ich nicht viel nach diesem Release herausgebracht, da ich für mich erst einen guten Weg finden musste, um meine Musik zu produzieren. Ich war wirklich ein Anfänger und musste mich erst finden.

Nach dem ersten Album hast du neben eigenen Produktionen auch des öfteren mit anderen Produzenten zusammengear- beitet wie zum Beispiel mit Drumcomplex. Was macht es so interessant für dich, mit anderen Künstlern zusammenzuarbeiten. Mit welchem Künstler möchtest du in Zukunft arbeiten? Wer inspiriert dich?

Um ehrlich zu sein, habe ich viel mehr Solo-Sachen als Kollabos nach dem ersten Album auf Bush gemacht. Aber natürlich habe ich auch einige Collabs gemacht, weil es mir großen Spaß macht, mit anderen Produzenten zu arbeiten. Meine EPs mit Drumcomplex begannen als Projekt, aber mehr als zwei Jahre lang haben wir sehr viel zusammen gearbeitet. Aktuell fokussieren wir uns mehr auf unsere Solo-Karrieren, werden aber sicherlich wieder etwas zusammen machen, aber lediglich auf Bush Records und auf Intec. Mein Plan ist es, mich mehr auf Solo-Releases zu konzentrieren. Dennoch gibt es einige besondere Kollaborati- onen, auf die ich mich freue. So werde ich zusammen mit der deutschen Techno- Legende Pascal FEOS etwas produzieren. Ich freue mich sehr darauf. Pascal ist ein erstaunlicher Produzent und was für mich noch wichtiger ist, er ist eine sehr nette und freundliche Person. Ich habe ihn über meine Agentur SoulWax Music kennengelernt und mein Booker Toby hat unsere Kollaboration arrangiert.

Es ist kein Geheimnis, dass Carl Cox deine Produktionen liebt und du bei seinem Intec gesignt bist. Wie war es, Carl persönlich kennenzulernen?

Carl spielte auf dem ersten Rave, die ich in den 1990er in Amsterdam besucht habe: Innercity hieß die Veranstaltung. Ich war so beeindruckt von seiner Musik und der Energie, die er dem Dancefloor gab. Vor dieser Nacht hatte ich noch nie von Carl Cox gehört. Von diesem Tag an besuchte ich alle seine Gigs in den Nie- derlanden und in Deutschland. Ich war wirklich ein großer Fan von Carl. Carl Cox ist ein guter Freund von Eric Powell, dem Besitzer von Bush Records. Nach meiner ersten Veröffentlichung auf Bush Records im Jahr 2008 spielte Carl häufig Produktionen von mir. Ich denke jeder, der sich mit Techno auskennt wird verstehen, wie besonders das war und immer noch für mich ist. Nach all diesen Jahren wurde unser Kontakt von Jahr zu Jahr besser. Im Jahr 2014 hatten wir die Chance, mein erstes Künstleralbum auf Intec zu veröffentlichen, ein Album von mir und Drumcomplex. Das Feedback war erstaunlich und es hat mir sehr geholfen. Seitdem habe ich viel auf Intec freigegeben. Es ist eine große Ehre auf dem selben Label zu sein wie Nicole Moudaber, Marco Bailey, Christian Smith oder Josh Wink. Es ist wirklich motivierend. Eric, der Besitzer von Bush Records wurde ein wirklich guter Freund von mir. Ich bin so dankbar für alles, was er für mich getan hat. Ich hatte die Chance, Remixes für einige Techno-Klassiker wie „Manalive“ oder „Love Story“ zu machen, und im nächsten Jahr gibt es noch mehr. Zum Beispiel eine EP zusammen mit Carl Cox und Nile Rodgers, der Mann hinter den Alben von Daft Punk, David Bowie und Madonna. Das ist eine tolle Gelegenheit dank Bush. Auf dem Label habe ich auch einige Remixes für Carl selbst gemacht und zusammen haben wir einen Remix für seine Kollabo mit Eric Powell „Moroccan Chant“ produziert, der gutes Feedback erlangte.

Ibiza ist immer noch die Partyinsel. Du hast dort schon mehrere Male gespielt, u.a. vergangenes Jahr im Space. Was ist deiner Meinung nach an Ibiza so besonders?

Das ist wirklich schwer zu sagen, es ist ein Gefühl. Das kann ich nicht wirklich erklären. Ich war schon einmal als Tourist ein paar Mal auf Ibiza, aber auch um zu spielen. Ich liebe die Insel wirklich sehr. Aber sicher war 2016 das bislang beste Jahr für mich auf der Insel. Wir haben eine Live Show für „Carl Cox The Revolution“ gespielt. Es war Carls letzte Saison auf Space Ibiza nach 25 Jahren, also war es wirklich etwas Besonderes, Teil davon zu sein. Es war eine tolle Nacht, die Show wurde live bei Be-At.TV ausgestrahlt und die Rückmeldungen waren erstaunlich. Ich hatte Gänsehaut überall und ich brauchte wirklich eine Stunde für mich nach diesem Konzert, um runterzukommen, weil ich noch so viel Energie hatte. Wenn ihr neugierig seid, es ist noch online bei Be-At.TV.

Du bist gerade sehr fleißig im Studio. Viele Remixes und eigene Tracks sind in der Pipeline. Was ist für die kommenden Monate geplant?

Ja, ich bin wirklich busy gerade. Im vergangenen Jahr habe ich nicht so viel gemacht. Ich brauchte etwas Zeit, um mich auf das zu konzentrieren, was ich wirklich tun wollte. Mein Klang hat sich sehr verändert und ich habe für mein Studio neue Hardware gekauft. Mein neuer Moog-Synth ist etwas, was ich wirklich liebe. Es ist ein riesiges Spielzeug für das Studio mit erstaunlichem Klang.
Also, was kommt … Ich habe gerade eine EP auf Bush mit einigen meiner Old-School-Bush- Tracks veröffentlicht. Diese habe ich von einigen meiner Lieblingskünstler remixen lassen. Es ist ein tolles Paket mit Remixes von Cristian Varela, Klaudia Gawlas, Fabio Neural, Toby Rost und natürlich Carl Cox zusammen mit Brooke Powell, das ist Erics Sohn. Im August werde ich eine neue, sehr düstere Solo EP auf Gynoid Audio releasen. Ich mag das Label sehr. Auch Acts wie Slam, Truncate, Audio Injection oder Mark Broom veröffentli- chen dort. Remixes kommen von Tom Hades und DEAS. Danach habe ich eine Solo EP auf FiIth on Acid, dem Label von Reinier Zonneveld. Ich war auf der Suche nach einem guten Label in Holland, um diese Stücke zu releasen und Filth on Acid ist perfekt für meinen Sound. Es ist zwar ein wirklich neues Label, aber Reinier hat schon einige riesige Tracks von Oliver Koletzki, Secret Cinema, Coyu und Sharam gesignt. Meine EP enthält drei Originale und einen Remix von Secret Cinema. Die EP enthält sehr abwechslungsreiche Tracks, melodischen Techno mit einer starken und tiefen Bassline, aber auch uptempo Acid. Im September gibt es eine neue Niereich EP mit einem Remix von mir. Ich mag das Zeug von Niereich sehr, also bin ich glücklich über diesen Remixauftrag. Ende Juli erschien die erste Veröffentlichung von SoulWox Musik. SoulWox ist die Agentur, mit der ich verbunden bin und sie haben auch jetzt ein Label gestartet. Die erste EP ist von Spirous Kaloumenos mit Remixen von Lucas Freire und mir. Die Rückmeldungen sind erstaunlich. Sie haben einen wirklich guten Job für eine erste Veröffentlichung gemacht.

Mit welchem Equipment arbeitest du im Studio?

Seit ich angefangen habe zu produzieren, habe ich immer mit Ableton Live gearbeitet. Ich mag den Workflow, und es ist schnell und einfach zu handhaben. Ich verwende nur ein paar Plugins. Ich arbeite viel mit Battery und Kontakt von Native Instruments. Battery ist ein tolles Werkzeug, um Beats zu machen. Daneben habe ich etwas Hardware. Ich bin wirklich verliebt in meine Moog Sub Phatty. Es ist eine tolle Maschine, die ich sehr viel benutze. Ich besitze auch eine Roland TB-03, den Klon der Original TB-303. Ich liebe den Klang davon und ich benutze den TB-03 viel für meine Basslines und wenn ich Acid produzieren. Ab und zu miete ich mir Synthesizer an. Für meine EP auf Filth on Acid verwendete ich zum Beispiel einen Dave Smith Prophet.

Welches Festival ist dein Favorit und warum?

Es gibt viele Festivals, die ich mag. Awakenings ist eines meiner Lieblingsfestivals. Ich habe vor zwei Jahren an Silvester für Awakenings zusammen mit der Intec Crew, Carl Cox, Jon Rundell, Pan-Pot und Nicole Moudaber gespielt. Das war neben dem Space Ibiza mein bestes Booking bislang. Awakenings hat eine tolle Crew mit freundlichen und leidenschaft- lichen Leuten; Rocco und Maarten machen einen erstaunlichen Job. Für Deutschland ist es die Nature One. In diesem Sommer ist es bereits mein neuntes Kommen. Wir fahren jedes Jahr mit einigen Freunden dorthin, und ich liebe die Atmosphäre. Deutsche Gäste sind sehr aufgeschlossen und lieben es zu feiern und tanzen von der ersten bis zur letzten Platte. Vor zwei Jahren habe ich das Schluss-Set in einem der Bunker gespielt und die Sonne ging auf, als ich spielte. Die Leute tanzten vier Tage lang durch.

Welche drei Tracks funktionieren immer in deinem Set?

Bjorn Svin – Man Over Board
Es ist ein Track, der im Jahr 2000 auf Michel de Heys Label EC Records veröffentlicht wurde. Michel spielte den Track als Schlusstrack auf dem niederländischen Rave „Impulz“. Am nächsten Tag habe ich das Vinyl gekauft und seitdem spiele ich es bei jedem Gig. Der Track hat einen wirklich seltsamen Beat und viele hohe Klänge darin. Es ist eine echte Party Melodie. Jedes Mal, wenn ich die Platte spiele, erinnert sie mich an diese tolle Nacht mit Michel de Hey bei Impulz.

Slam – Make You Move
Ich bin ein großer Fan von Slam. Das ist mein Lieblingstrack von ihnen. Er ist wirklich stark und funktioniert jedes Mal. Die Stimme in Kombination mit dem Drop ist erstaunlich. Es ist eine Bombe für den Dancefloor.

Devilfish vs Roel Salemink – Manalive
Natürlich muss ich das jedes Mal spielen. Die Leute erwarten es auch. Jeder ist glücklich, wenn ich es spiele.

Aus dem FAZEmag 066/07.2017