
Roger Eno kehrt mit einem weiteren Soloalbum auf Deutsche Grammophon zurück. Der Nachfolger des im vergangenen Jahr erschienenen „The Turning Year“ hört auf den Namen „The Skies, They Shift Like Chords“ und ergänzt das vom Piano und von Streichern dominierte Konstrukt seines Vorgängers um ein üppig bestücktes Instrumentarium. Neben E-Gitarre, Klarinette, Bassklarinette, Vibrafon und Flötenorgel kommen auch neue Electronica-Komponenten hinzu, die das Album in einem heterogenen modernen Gewand erscheinen lassen. Wir haben mit dem britischen Musiker und Komponisten über sein neuestes Werk, sein nunmehr 16. Studioalbum (!), gesprochen.
Wenn sich Roger Eno in sein Studio in der britischen Grafschaft Suffolk zurückzieht, um neue Musik zu produzieren, dann hat er selten ein bestimmtes Label im Kopf, an dessen Stil er seine Kreationen anpassen will. Anders bei Deutsche Grammophon: „Hier habe ich mein Interesse am ‚Crossover‘ in der modernen Klassik in den Mittelpunkt gestellt, sowohl was die Farben als auch die Texturen angeht. Dank des Erbes dieses erhabenen Labels und den mir zur Verfügung gestellten musikalischen Kräften (Streichorchester, ein alter Steinway-B-Flügel, hervorragende Klarinettist*innen) wurde es mir ermöglicht, eine Welt weiter zu erforschen, in der ich schon immer gerne gearbeitet habe: die Welt des Zeitgemäß-Traditionellen“, erklärt Eno, der das neue Album als das zweite Kapitel von „The Turning Year“ betrachtet: „Ich hatte das Gefühl, dass es zu einem bestimmten Thema mehr zu sagen gibt. So wird zum Beispiel die Stille intensiver untersucht – in ,Mind The Gap‘ werden Abschnitte der Stille als integrale Elemente des Stücks verwendet.“
„Ich denke Musik visuell. Die Akkorde könnten vielleicht die Erde sein, die Melodien die Bäume, die in die Höhe streben, und der schwebende Gitarrenklang ist der Himmel selbst. Jedes Element steht für sich und doch sind sie miteinander verbunden.“ – Roger Eno über „The Skies, They Shift Like Chords“
Ein besonderes Augenmerk liegt zudem auf „Strangely, I Dreamt“, dem einzigen Vocalstück des Albums, das von Enos Tochter Cecily gesungen wird. „Es ist schwierig, diese große Freude zu beschreiben, die ich empfinde, wenn ich mit einer meiner Töchter oder mit beiden zusammenarbeite“, erklärt der 64-Jährige und lobt: „Cecily hat nicht nur eine außergewöhnliche Stimme, sondern auch einen Geist, mit dem ich liebend gerne zusammen bin. Sie liebt es, mit Effekten zu experimentieren und albern zu sein. Wenn ‚meine Mädchen‘ und ich kooperieren, empfinde ich dasselbe Gefühl der Liebe, des Stolzes und der Erfüllung, wie ich es mir bei Vätern am Hochzeitstag ihrer Töchter vorstelle – ein unglaubliches Privileg!“
Die Virtuosität und Brillanz von „The Skies, They Shift Like Chords“ findet sich nicht nur in der eigenen Familie Enos wieder, sondern auch in seiner idyllischen Heimat East Anglia, von dessen malerischen Landschaften und mittelalterlichen Städtchen viele Stücke inspiriert sind.
In Kürze geht es für Roger Eno allerdings zunächst wieder in die weite Welt hinaus: „Im November spiele ich in Berlin und Serbien. Im nächsten Frühjahr geht es dann richtig los mit Terminen in Europa und einer Tournee durch die USA. Ich habe allerdings auch damit begonnen, die einzigartigen Qualitäten des Winters, die Intimität, die Dunkelheit der Welt, gutes, starkes Bier, flämische Eintöpfe und warme Feuer zu genießen, weshalb ich mich darauf freue, spazieren zu gehen und ‚nach innen‘ zu schauen, um Inspiration für neues Material zu finden.“
„The Skies, They Shift Like Chords“ ist am 13. Oktober via Deutsche Grammophon erschienen.
Tourdaten:
4. November 2023 – Zadužbina Ilije M. Kolarca (Serbien)
24. November 2023 – Fotografiska Museum (Berlin)
14. Februar 2024 – Kopenhagener Jazz Festival (Kopenhagen)
25. Februar 2024 – Queen Elizabeth Hall (London)
21. März 2024 – Big Ears Festival (Knoxville, USA)
27. März 2024 – Masonic Lodge (Los Angeles, USA)
29. März 2024 – National Sawdust (Brooklyn NY, USA)
Aus dem FAZEmag 141/11.2023
Text: M.T.
Foto: Cecily Eno
www.rogereno.com