Roland TR-08, SH-01A und SP-404A – Trio für zwei Fäuste

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Roland TR-08

 

Die „Roland Boutique“ füllt sich rasant weiter mit exquisiten Stücken. Boutique steht für eine eigene Instrumenten-Serie, mit der die Japaner vor allem ihre eigenen Kultgeräte der 1970er- und 1980er-Jahre möglichst originalgetreu nachbilden. Zu den bisher sieben vorgestellten Boutique-Ablegern gesellen sich nun zwei weitere hinzu: Die TR-08 und der SH-01A. Davon unabhängig ist der Live-Sampler SP-404A für die AIRA-Reihe erschienen.

Ein Model namens ACB in Size Zero
Dass Nachbilden nicht gleichbedeutend mit Nachbauen ist, zeigt sich bereits an der Größe. Denn alle Boutique-Mitglieder wurden auf einheitliche Minimalmaße von 308 x 130 x 51 mm geschrumpft. Das entspricht in etwa der Größe einer TB-303 oder TR-606. Ein derart kleines Instrument kann natürlich keine echt analogen Bauteile eines komplexeren Instrumentes fassen. Und hier liegt ein weiterer wesentlicher Unterschied zu den Originalen: die Klangerzeugung.

Für die subtraktive Klangsynthese nutzt der Hersteller die eigens entwickelte ACB-Technologie. ACB steht für „Analogue Circuit Behaviour“ und bildet die analogen Schaltkreise mit allen Komponenten wie Transistoren, Kondensatoren oder Widerständen digital nach. Anders als bei der altbekannten „Analogue Modeling“-Technologie geht ACB noch tiefer ins Detail und soll die besonderen Charakteristiken der Originalklänge aufwerten. Dass sich die Ergebnisse absolut hören lassen können, bewiesen die bisher veröffentlichten Boutique-Instrumente wie JP-08 und JU-06 (Jupiter- und Juno-Replicas) oder auch die TB-03 als Roland-eigener 303-Clone. Auch die Instrumente der gesonderten AIRA-Reihe arbeiten mit dieser virtuell-analogen Technologie.

TR-08 Rhythm Composer: Alive and kickin‘
Dass eine TR-808-Nachbildung kommen würde, war spätestens mit Einführung der TR-09 als 909-Wiederkehrer klar. Denn der weichere Klang war schon zur Produktionszeit von 1981 bis 1986 musikalisch viel breitgefächerter einsetzbar als der der 909. Entsprechend verkaufte sich die TR-808 auch auf Anhieb deutlich besser als die 1984 eingeführte 909 mit ihrem harschen Sound.

Nun also die Neuauflage mit der Bezeichnung TR-08. Sie darf nicht mit der bereits veröffentlichten AIRA TR-8 verwechselt werden. Es gibt natürlich Überschneidungen, dennoch verfolgt die TR-8 ein live-orientierteres Konzept und ist auch im Sound eine Mischform aus 808 und 909. Die TR-08 lehnt sich in allen Bereichen hauteng an das Original an. Nähme man es ganz genau, dürfte sie den ersten Buchstaben gar nicht mehr tragen. Denn er steht für „Transistor“-Rhythm – und echte Transistoren besitzt sie halt nicht mehr. Stattdessen eben dessen virtuelle, aber immerhin klanglich vollends überzeugende ACB-Nachbildungen. Ansonsten wurde das Original wirklich liebevoll originalgetreu umgesetzt. Angefangen bei der typischen Farbgebung inklusive der orangefarbenen Level-Potiköpfe und farbig gestuften Step-Button-Reihe. Auch beim Userinterface müssen sich 808-geübte Nutzer kaum umgewöhnen. Mode-Selector, Instrument-Selector, Auto-Fill-In, I/F-Variation, Tap-Button, Tempo-Drehregler – alles da und fast exakt an der gewohnten Position. Minimale Verschiebungen im Layout ergeben sich durch die unterschiedlichen Seitenverhältnisse von 808 und 08. Keinerlei Abweichungen gibt es auf den ersten Blick in der Instrumentensektion. 16 Instrumente sind auf 11 Stimmen verteilt und lassen sich in mehr oder weniger Parametern verändern. Immerhin 10 der einst 11 Einzelgänge bringt die 08 ebenfalls mit. Allerdings werden die Einzelklänge nicht über analoge Ausgänge abgeführt, sondern per USB-Audio. Darüber hinaus befinden sich auf der Rückseite ein Miniklinke-Stereo-Out sowie -Kopfhörerausgang für das Gesamtsignal, ein klassisches Midi-In/Out-Paar und sogar ein Mix-Eingang, den die 808 nicht besaß. Zumindest einen der ehemals drei Trigger-Outs retteten die Entwickler ebenfalls hinüber. Damit kann pro Track ein weiteres Instrument angesteuert werden, so zum Beispiel die Boutique-Schwester TB-03 oder modulares Equipment. Der Trigger-Ausgang befindet sich nun jedoch für den direkten Zugriff auf der Geräte-Oberseite statt -Rückseite.

Im Vergleich zur TR-808 wartet die TR-08 neben der kompletten Midifizierung zudem mit einigen sinnvollen Verbesserungen auf. Am auffälligsten ist das kleine Display links oben: Hier werden neben dem Tempo die Parametereinstellungen angezeigt, darunter auch der Shufflewert. Ein dickes Kompliment gibt es zudem für die Option, dass für bestimmte Instrumente über die klassischen Klangparameter wie Tone, Tuning, Decay oder Snappy hinaus intern weitere eingestellt werden können. Dazu zählen ein Kompressoreffekt sowie zusätzliches Gain und Tune. Auch die Position im Stereobild lässt sich nun variieren. Auch bei der Live-Programmierung zeigt sich die TR-08 flexibler als das Original. Beispielsweise verfügt der Sequenzer über 16 Sub-Steps pro Step, mit denen sich lebendige Snare-Fills und komplexe, rollende Hi-Hats erzeugen lassen. Ebenso kann man die Parts in Echtzeit schrittweise programmieren oder eintappen und währenddessen zwischen den Modi wechseln.

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Roland SH-01A

Dass die TR-08 kleiner ausfällt als die TR-808, tut dem Programmier-Flow übrigens keinen Abbruch. Natürlich muss man hin und wieder spitze Finger machen, aber das hat bei der fast gleichformatigen TB-303 oder TR-606 auch niemanden gestört. Im Gegensatz zu den Silberkisten gönnt Roland der TR-08 und den anderen Boutique-Geschöpfen sogar ein Metallchassis. Insofern sind die geforderten 439 EUR UVP sehr gut angelegt.

SH-01A: Verstehen Sie Bass?
Mit dem SH-01A macht Roland einem weiteren Kultobjekt seine kleine Aufwartung: dem SH-101. Das 1982 vorgestellte Instrument ist praktisch jedem Produzenten über alle Elektronik-Genres hinweg ein Begriff. Ob EBM-Helden wie Nitzer Ebb, Industrialisten wie KMFDM oder Acid-Ikonen wie Luke Vibert – sie alle haben die wahlweise in Blau, Grau und ganz selten Rot erhältliche Maschine genutzt. Und ging es mal nicht bis ins hochfrequente Zirpen, galt der monophone Basshammer vielen als die bessere TB-303. Immerhin brachte er eine Klaviatur, flexiblere Klangformungsmöglichkeiten oder auch einen Arpeggiator mit. Ein kompakter, einfacher, aber dennoch „richtiger“ Synth halt, mit dem sich auch gurgelnde Roland-Juno-Sounds erzeugen lassen.

Auch beim SH-01A kommt Rolands ACB-Technologie zum Einsatz. Grundlage des begehrten Originalklangs war der extrem starke Oszillator. Davon besaß die SH-101, wie von allen anderen Klangkomponenten auch, genau einen. Diesen vervierfachte Roland bei der verkleinerten Neuauflage, sodass man dank der jetzt vier Stimmen nicht nur einfache Bass- und Leadfiguren, sondern auch Pads und Akkorde spielen kann. Ein spezieller Chord-Modus sorgt zudem dafür, dass bis zu vier Noten geschichtet und in Halbtonintervallen transponiert werden können. Wer mag, kann die vierfache Polyphonie aber auch unisono zusammenführen, um die monophone Klanggewalt drastisch zu steigern. Im Vergleich zum Original weiterhin gestärkt wurde der LFO mit den neuen Wellenformen Sägezahn und invertierter Sägezahn sowie erweiterten Clock-Raten. Die Klanggestaltung in den Sektionen Modulation, Oszillator, Mixer, Filter, Verstärker und Hüllkurve erfolgt unverändert im bewährten Schieberegler-Prinzip. Und da das kleine Instrument keinen Raum beispielsweise für ein Pitchbend-Rad bietet, hat Roland als Ersatz auf der linken Seite zwei moderne Ribbon-Controller untergebracht.

Die größten Mankos, mit denen sich heutige SH-101-Nutzer herumärgern müssen, sind das nicht vorhandene Midi, das erst 1983 von Dave Smith und Roland eingeführt wurde, sowie der fehlende Speicher. 2017 räumen die Japaner mit diesen Unzulänglichkeiten selbstredend auf. So ist der SH-01A kommunikativ in alle Richtungen. Soll heißen: Er ist natürlich voll midifiziert und kann sowohl über USB als auch über ein DIN-Midi-Paar Daten tauschen. Gleichfalls sind oberseitig auch noch urtümliche CV- und Gate-Ausgänge sowie ein Clock-Eingang untergebracht. Zum anderen ist ein interner Sequenzer mit 64 Patterns sowie ein Patch-Speicher mit 64 überschreibbaren Presets vorhanden. So kann man den SH-01A problemlos auf Gigs mitnehmen, ohne ihn dort von Hand spielen oder mit externem Equipment ansteuern zu müssen.

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Roland SP-404A

SP-404A: TR-08-Lover
Werfen wir abschließend noch einen Blick auf ein weiteres hochinteressantes Roland-Tool: Den SP-404A Linear Wave Sampler. Er richtet sich, wie schon optisch erkennbar, vor allem an Nutzer der AIRA TR-08 Drumbox, da er sich direkt über deren 16-Step-Sequenzer triggern lässt. Dazu werden die beiden Instrumente über ein MIDI-Kabel verkoppelt und schon lassen sich Samples mit den TR-08-Patterns verflechten. Durch Drehen des Reglers kann der TR-08 jedes der maximal 120 SP-Samples ansteuern. Gefüttert wird der Sampler über eine SD-Card mit einem maximalen Speichervolumen von 32 GB. Mit der reinen Klangverflechtung sind die kooperativen Möglichkeiten jedoch noch nicht ausgeschöpft. Verbindet man den SP-Stereoausgang mit dem Audioeingang der TR-08, lässt sich diese als Submixer und Prozessor für den Sampler verwenden. So können beispielsweise die Samples mit der TR-08-Scatter-Funktion bearbeitet und Effekte wie Reverse, Glitch, Gate, Truncate und Stutter angewendet werden. Der externe Eingang erlaubt zudem Effektbearbeitung der Samples über die Side-Chain-Funktion der TR-08. Das nennt man perfekte Integration!

Ansonsten bringt der SP-404A alle Funktionen mit, die man bereits vom Schwestermodell SP-404SX kennt. Darunter 29 DSP-Effekte mit zahlreichen räumlichen Hall-, Chorus- und Delay-Varianten sowie Performance-Typen wie Filter und Isolator. 17 der Effekte bringen zum Schutz vor Verzerrungen den bekannten Limiter-Modus mit. Ein echter Segen im Live-Betrieb. Und wo wir gerade beim Live-Gig sind: Natürlich lässt sich der Sampler auch unabhängig von der TR-08 nutzen. Dafür hält das Instrument einen speziell für Echtzeit-Programmierungen konzipierten Sequenzer bereit. Er überzeugt unter anderem durch seine 99 Taktarten sowie einen leistungsstarken Quantisierungsmodus inklusive zahlreicher Shuffle-Rhythmen. Jeweils 12 Patterns können in insgesamt 10 Bänken abgelegt werden. Eingespielt werden die Klanghappen über die bekannten 12 gummierten Triggerpads und ein spezielles Sub-Pad für maschinengewehrschnelle Echtzeit-Stakkatos. Wer mag, kann nach seinem Gig dann auch gleich die obszönen Geräusche in der Backstage-Toilette mitschneiden, denn der SP-404A lässt sich mit Batterien betreiben und verfügt über ein eingebautes Mikrofon. Für 499 EUR UVP ist die SP-Ausführung aufgrund der Integrationsmöglichkeiten aber vor allem für SP-08-Anwender ein echter Gewinn.

Aus dem FAZEmag 067/09.2017
www.roland.com

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