Wenn es um kompromisslose, schnelle und rohe Sounds geht, spielt Sebastian Groth eine nicht gerade unwichtige Rolle in der Riege nationaler Techno-DJs. Seit seinem ersten Release in 2008 hat der Mann aus dem Westerwald kontinuierlich an seiner Reputation als renommierte Adresse für Hard-Techno geschraubt. Mit Erfolg, wurde er doch 2016 im FAZEmag-Jahrespoll zum „Best Techno Producer“ gewählt und landete mit seinem damaligen Album auf dem zweiten Platz des „Best Album“. Mit seinem Label Rewasted lanciert er regelmäßig gefeierten Output, im vergangenen Jahr landete das Imprint bei Beatport in den Top 10 der Kategorie „Best Selling Label“ im Hard-Techno-Genre. Nun startet Groth mit „Rewasted Black Series“ ein neues Label als Sub-Brand zum bestehenden. Für die erste Katalognummer zeichnet er selbstredend persönlich verantwortlich und liefert darüber hinaus Remixe von Charly Sparks und Valeriø Innørta. Wir sprachen mit dem Mann, der gerade den Begriff „Powertechno“ populär macht.
Sebastian, wie geht es dir?
Ganz aktuell fühle ich mich megaerschöpft, aber auch superglücklich, denn ich bin bei mir zu Hause im Westerwald, wo ich gestern Nacht meinen ersten Gig nach dem Lockdown hatte – und das ganz bewusst auf dem 20-jährigen Jubiläum meiner eigenen Partyreihe. Es hat alles gepasst, besser hätte ich nicht zurück ins Tourleben starten können.
Ende 2015 hatten wir ein ausführlicheres Interview – wo es um eine Art Neuanfang und das Sich-Lösen von Erwartungen anderer ging. Wie würdest du die knapp sieben Jahre seitdem rekapitulieren?
So lange ist das schon her? Wow, denn wenn ich genauer darüber nachdenke, war das doch ein viel langwierigerer Prozess, als ich damals gedacht hatte. Unbewusst habe ich mich bis kurz vor dem ersten Lockdown 2020 trotzdem nicht wirklich davon lösen können, gewisse Erwartungen meines Publikums erfüllen zu „müssen“ und daher trotzdem in einigen Situationen nicht nur das gemacht, was mir zu 100 Prozent gefällt.
Wie hast du die Zeit des Lockdowns genutzt und wie erging es dir dabei emotional?
Als mir bewusst wurde, dass Veranstaltungen eine längere Zeit nicht möglich sein werden, hatte ich erst einmal so etwas wie Existenzängste und ich habe angefangen, so viel zu arbeiten wie wahrscheinlich noch nie. Gleichzeitig habe ich mich in vielen Bereichen, die mich schon lange interessieren, aber für die mir in den letzten Jahren oft einfach die Zeit gefehlt hat, weitergebildet. Das zusammen mit weiteren Faktoren wie z.B. dem Fehlen von Live-Feedback auf neue Tracks im Club, aber auch dass in der Zeit sehr viele, junge, neue DJs aufgekommen sind, die Musik gespielt haben, mit der ich Anfang der 2000er meine ersten Raves erlebt hatte, also Sound, der mich wirklich geprägt hat, der aber lange nicht mehr da war – das alles hat dann mehr und mehr dazu geführt, dass ich jetzt endlich den Neuanfang, von dem ich schon 2015 gesprochen hatte, geschafft habe. Ich mache nur noch das, was ich auch wirklich mag und bin damit zu 100 Prozent zufrieden und glücklich. Das habe ich bewusst aber erst bei den wenigen Gigs, die 2021 möglich waren, gemerkt. Das Gefühl war einfach ein ganz anderes. Auch durch die vielen jungen Leute, die jetzt das erste Mal feiern dürfen, kommt ein Spirit rüber, den ich lange vermisst hatte. So hatte die Zwangspause für mich wirklich etwas Gutes, wer weiß, wie lange ich sonst für diesen Schritt gebraucht hätte.
In den vergangenen Monaten hast du mit deinem Label „Rewasted“ großartige Erfolge gefeiert – wie entstand nun die Idee zum Sub-Label?
Die Idee dazu hatte ich schon recht lange, auch schon bevor Rewasted zu den erfolgreichsten Labels auf Beatport im Hard-Techno gehörte, doch durch die Pandemie hat sich das Ganze immer weiter verzögert. Bei Rewasted handhabe ich das mittlerweile genauso wie mit meinen Mixes oder Produktionen, was mir gefällt, wird veröffentlicht. Dadurch decken wir ein recht breites Spektrum ab, von 125-bpm-Hypnotic-Techno bis hin zum 155-bpm-Geballer. Daher war der eigentliche Plan: eine klarere Grenze in den Genres zu ziehen. Rewasted Black Series sollte harten Techno über 140 bpm repräsentieren und dazu auch immer auf Vinyl erscheinen. Allerdings wusste ich da noch nichts vom derzeitigen Rohstoffmangel, der dazu führt, dass Presswerke meistens gar keine neuen Labels mehr annehmen oder ewige Wartezeiten haben. Also lassen die Vinyls wohl noch etwas auf sich warten. Das erste „Black Series“-Release ist eine Zwei-Track-EP von mir mit Remixes von Charlie Sparks aus London, der für mich gerade einer der absoluten Durchstarter international ist und auch sehr von Amelie Lens oder den Possession Girls aus Paris gepusht wird. Der zweite Remix kommt von Valeriø Innørta aus Rom, der noch eher unbekannt ist, aber auch schon zum 999999999-Umfeld gehört. Das Release hatte ich schon vor zwei Jahren geplant, aber die Vinyl-Pressung hat sich tatsächlich so lange hingezogen. Da es so aktuell aber keinen Sinn macht, weiter auf Vinyl zu setzen, werde ich beide Labels jetzt erst einmal digital weiterführen. Ich erhalte zurzeit so viele gute Demos, die ich gerne releasen und pushen würde, aber das Rewasted-Main-Label ist bereits jetzt auf eineinhalb Jahre im Voraus voll. Deswegen werde ich wahrscheinlich größere oder etabliertere Artists etwas exklusiver auf Rewasted Black Series halten und Rewasted, das ja bereits sehr gut läuft, für neue und unbekanntere Artists nutzen.
Auf deinen Social-Media-Kanälen ist immer häufiger von Powertechno zu lesen. Was hat es damit auf sich?
Das ist der Begriff, den ich eigentlich nur für den Namen meiner Spotify-Playlist verwendet habe, um die Musik, die ich produziere, spiele und feiere, nicht auf ein Gerne festzunageln. Das ist quasi der Name, den ich meinem Sound aktuell selbst gebe. Ich dachte, das ist leicht verständlich. „Power“ sagt ja schon, dass es um Energie geht und dass der Sound wahrscheinlich eher nach vorne geht. In meinen Sets oder auch der Playlist spiele ich Tracks von Drumcode oder Terminal M, es können aber auch Tracks von Technoboy oder Neophyte sein und natürlich alles, was dazwischen liegt. Mein aktuelles Tempo liegt mit 140 bis 145 bpm auch irgendwo dazwischen. Wenn man nach den eigentlichen Genres vieler der Tracks gucken würde, wären die einen bei Beatport als „Melodic Techno“ gelistet und die anderen unter „Hardstyle“. Der coole „Drumcode Raver“ würde nie bewusst zu Hardstyle feiern, und umgekehrt oft genauso. Aber sagt man „das ist Powertechno“, ist es anscheinend etwas anderes, wozu beide Parteien feiern können. Eigentlich schade, dass es so ist, aber andererseits auch schön zu sehen, dass es von immer mehr DJs übernommen wird, um Genregrenzen zu brechen. Ein Track von Technoboy z.B., der unter Hardstyle gelistet ist, kann trotzdem ein superguter Acid-Techno-Track sein. Man muss nur mehr auf seine Ohren statt Augen oder Schubladen achten.
2022 galt lange als Jahr der Hoffnung, mittlerweile steht die Welt schon wieder kopfüber. Was sind deine Pläne für die nächste Zeit?
Ich bin immer noch voller Hoffnung, zum einen, dass dieser sinnlose Krieg hoffentlich bald zu Ende ist und so wenig Menschen wie möglich wegen solchen Dingen leiden müssen. Es geht irgendwie nicht in meinen Kopf, wie dumm die Menschheit auch im Jahr 2022 noch ist. Aber darüber könnte ich jetzt ewig philosophieren. Zum anderen hoffe ich, dass wir Corona endlich in den Griff bekommen, sodass wir unsere Leben wieder, so gut es geht, normal führen können. Um auf mich zu kommen: Ich freue mich, dass ich Artist bei der neuen Phantom Agency von Sven Schaller und Martin Königsborn bin, denn man wird in Deutschland wahrscheinlich wenige andere Manager*innen im Technobereich finden, die mehr Kompetenz haben als die beiden. So ein Team im Rücken ist natürlich ein guter Start für einen Neuanfang. Jetzt stehen erst einmal viele Nachholtermine aus 2020 an, und es sind auch schon einige internationale Gigs geplant – was mich besonders freut, da ich in der Vergangenheit zum Großteil oft in Deutschland unterwegs war. Dazu werde ich auch viel Energie in meine Labels stecken. So lange, bis die ganze Welt nur noch von Powertechno spricht (lacht).
Aus dem FAZEmag 122/04.22
Text: Matt Eagle
Credit: Christian Groth
instagram.com/sebastian.groth.official