So war das Dimensions Festival in Kroatien

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Dimensions Festivalbericht 2017
Text: Nadine Westerbur
Artikel- und Vorschaubild: Jack Kimber
Diashow: Dan Medhurst

Opening: Gladiatorenkämpfe der Musikgiganten
Direkt an der Steilhangküste Istriens in Kroatien treffen international gefeierte elektronische Acts wie Nina Kraviz, Floating Points & Marcel Dettmann auf Technolegenden wie Jeff Mills, die allesamt die Headliner des diesjährigen Dimensions Festivals ausmachten.

Ein Geheimtipp ist das Festival schon lange nicht mehr. Das Event feierte in nächsten Jahr sein sechsjähriges Bestehen. Es dürfte sich bislang auch schon rumgesprochen haben, dass das Opening im rund 2.000 Jahre alten und beeindruckenden Amphitheater in Pula stattfindet. Die Location ist mit einer Kapazität von 23.000 Besuchern die sechstgrößte ihrer Art. Atemberaubend der Sound und ausgelassen ist die Stimmung am Abend. Den Anfang machen Moses Boyd: Solo X und Kamaal Williams Ensemble. Abgelöst wird das Improvosations-Trio dann von der Grande Dame des Musikbusiness, Mrs. Grace Jones, die galant mit einer halben Stunde Verspätung im Gepäck auf die Bühne schreitet. Die fast 70-jährige Sängerin tobt mal fast komplett nackt, mal im Giraffenkostüm bekleidet oder mal mit Hula Hoop bewaffnet, durch ihre einstündige Bühnenperformance.

Wenig später, um kurz vor 1 Uhr, eröffnen Moderat das Feld. Zum Leid aller Beteiligten hat sich die Zuschauerdichte im Amphitheater bis dato auf die Hälfte reduziert. Nur noch wenige verfolgen einen der vorerst letzten Auftritte des Berliner Trios, bevor diese ihre kreative Schaffenspause einlegen. Das Warten hat sich mehr als gelohnt. Jubelfanfaren und schreiendes Getöse macht sich vor der Bühne breit. Die ideale Grundstimmung, um sich auf den darauffolgenden Festivaltag einzustimmen.

Tag 1: At the Beachside of Life
Das Festivalprogramm splittet sich ab dann an insgesamt vier Tagen in ein Tages- und Abendprogramm auf. Bereits ab mittags findet an der „Beach Stage“ bereits der erste Gig statt. Vornehmlich housige Live-Performances mit Soul bis Funk sind dort ab dem ersten Tag anzutreffen. Neben Antal und DÄM-Funk begegnet einem dort auch der Detroiter Funkartist Amp Fiddler. Die Stimmung ist gediegen, da sich viele der Besucher zunächst mit Cocktails und Badehose an den Strand zurückgezogen haben, um von dort aus den Klängen, die von der Beach Stage ausgehen, zu lauschen.

Das tägliche Stelldichein im Moat
Die Abende versprechen bei dem diesjährigen Line-up hingegen wesentlich mehr Besucher anzulocken. Das ist jedoch nicht der Fall. Das Resultat: Ein verlassenes Gelände und recht leere Bühnen bis 1 Uhr. Es stellt sich die Frage, ob die neun Bühnen, die ab 21 Uhr allesamt gleichzeitig bespielt werden, der Grund dafür ist. Eine weitere Möglichkeit ist, dass mehr als die Hälfte der Festivalbesucher von außerhalb anreisen und somit erst zu später Stunde dort einkehren, um ausschließlich die Headliner zu sehen. Wesentlich mehr Besucherfluss hat die mit Abstand beliebteste Venue des Geländes. The „Moat“ gleicht einer schlauchförmigen Schlucht, die sich viele Meter unterhalb des Erdbodens befindet. Die Venue ist beeindruckend und beklemmend zugleich. So düster die Beschreibung, so auch das Line-up, das dort platziert wurde. Der erste Abend im Moat könnte gleich mal mit einer Labelnacht gleichgesetzt werden. Pangea, Pearson Sound und Ben UFO, allesamt von Hessle Audio machen den Anfang. Der zweite der Riege überzeugt auf voller Linie, wenngleich Ben UFO ihm in nichts nachsteht. Helena Hauff, die bereits mit Marcel Dettmann am selben Abend auf einer der vielen Boat Parties die Küsten Istriens unsicher gemacht hat, überzeugt hingegen mit ihrer professionellen Art und Weise. Ihr gewohnt-agressives Soundsystem heizt die Meute dort bis zum Grande Finale um 6 Uhr so richtig ein. Für kurze Zeit wird sogar Einlasstop verhängt. Ein ungewohntes Szenario, auf dem sonst so eher mittlevollen Festivalgelände.

Tag 2: When the storm comes down
Der zweite Tag verspricht neben Berghain-Resident und Allzweckwaffe Marcel Dettmann als auch mit Floating Points, Ata Kak, Romare und Conforce – um nur einen Bruchteil an Acts zu erwähnen – eine mehr als gelungene Weiterführung des ersten Tages zu werden. Über Pula hat sich bisher eine Schlechtwetterfront ausgebreitet, die dafür sorgt, dass ab 22:30 Uhr für knapp eine Stunde das Programm pausiert werden muss. Die bereits erwähnten DJs sind nicht vom Ausfall betroffen.

Neben vielen Techno- und House-Acts gehören Mungo’s Hi Fi auch zum festen Festivalinterieur. Die Reggae- und Dancehall-Crew stammt, wie auch der Veranstalter selbst, aus Glasgow. Nicht verwunderlich also, dass ihnen und ihrem unverkennbarem Sound eine eigene Stage gewidmet wird. Die Truppe ist mehr Randerscheinung, als dass sie wirklich von sich Reden machen.
Viel erwähnenswerter ist hingegen dass, was sich vor der Stage „ The Garden“ ab 2:30 Uhr und letztlich erneut im „Moat“ abspielt. Marcel Dettmann hypnotisiert alle Anwesenden mit seinem gewohnt dynamisch und daher sehr treibenden markanten Sound. Das Publikum dankt es ihm und schlägt genauso wie die Lautstärke, die von der Bühne ausgeht, alle Register. Das hat leider zur Folge, dass man die hämmernden Bässe und pulsierenden Beats in seinen Gehörgängen mit nach Hause trägt.

Day 3: The show must go on
Die Tage darauf sind ebenfalls verregnet. Blöd nur, dass das Festival mit der Mungos Drum & Bass Arena auf nur eine Spielstätte im Inneren zurückgreifen kann. Alle andern Stages sind Oudoor und somit nicht für schlechtes Wetter konzipiert. Die Festivalgemeinde lässt sich davon wenig berühren. Im „The Moat“, das nunmehr eher einem Schlammloch gleicht, wird immer noch geravet, als gäbe es kein Morgen. Wirklich Headliner sind dort nicht platziert. Neben dem aus Detroit stammenden Luke Hess, legt dort noch Mike Dehnert vom Label Fachwerk Records auf, der dann auch das Closing übernimmt. Mr. Levon Vincent from NYC macht ebenfalls von sich Reden. Es sind weniger Lobgesänge vor Ort, sondern vielmehr die Tatsache, dass er überhaupt dort ist. In Techno-Fachkreisen wird er als eigenständiger Produzent derzeit sehr geschätzt. Kein Wunder also, dass er noch bis vor kurzem auf dem Goodwood Festival aufgelegt hat.

Day 4: Der Tag der Abrechnung
„Clearing“ das zu deutsch „Aufklärung“, „Aufheiterung“ aber auch „Verrechnung“ bedeuten kann, ist die Hautbühne des Abends. Dort spielt kein Geringerer als Jeff Mills. Viele Besucher lassen es sich nicht nehmen, genau dort zu sein, um ihn und weitere Acts des Abends in Empfang zu nehmen. Eine Dame wird während der gesamten Festivalwoche besonders gehypet. Die Rede ist von Nina Kraviz, die kurz vor Jeff Mills ab 1 Uhr für eineinhalb Stunde allen dort Anwesenden mehr als ein Grinsen ins Gesicht zaubert. Das Video von ihren legendären Auftritt beim diesjährigen Deckmantel kursiert noch immer im Netz herum. Sollte einer der Veranstalter ihren Gig auf dem Dimensions aufgenommen haben, so würde der Clip im Netz gleichermaßen lange aufgerufen werden. Die gebürtige Russin zeigt am Mixer abermals das, was ihren Sound ausmacht und somit unverkennbar zu ihr gehört. Die Vorliebe für Detroit-Techno. Minimal aber dennoch verspielt. Den krönenden Abschluss am Sonntagabend ist der Secret Act. Nina Kraviz dreht nochmal für eineinhalb Stunden im „The Moat“ eine Ehrenrunde, bevor dann um 6 Uhr morgens das Ende für alle gekommen ist. Die Meute trottet langsamen Schrittes, wie bezwungene Krieger die Schlucht entlang. Das Ziel, in eine warme Unterkunft zu stürzen wäre so scheinbar nah, wäre da nicht noch dieses Meer unmittelbar vor dem Festivalgelände. Dort findet dann noch der inoffizielle Teil des Festivals statt. Und das ist es letztlich auch, was das Dimensions Festival ausmacht. Die atemberaubende Kulisse, die von der traumhaft schönen Region ausgeht, der besonderer Vibe, den das Festival umgibt und nicht zu vergessen das hochrangige Line-up, das jeden Kuna (kroatische Währung) wert ist. Eine Empfehlung ist das Festival in jedem Fall für Reiselustige, die noch nicht in Kroatien waren und in den Genuss kommen wollen, elektronische Technolegenden zu begegnen.

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