Sophie Nixdorf – Lernt Fremdes, Neues und Seltsames kennen

Sophie Nixdorf
2015 neigt sich dem Ende entgegen, da kann man auch schon ein kleines Fazit ziehen. Im Fall von Sophie Nixdorf wird das auf jeden Fall gut ausfallen. Das Jahr fing schon recht prima, enterte sie doch unseren 2014er Poll in der Kategorie Durchstarter. Es folgten diverse Releases und ein neues, eigenes Label. Und zwischendurch natürlich Gigs, Gigs, Gigs.

Der November zieht ins Land, wir befinden uns auf der Zielgraden des laufenden Jahres. Dein Fazit wird sicherlich nicht schlecht ausfallen, oder?

Dass ich unter die Top Ten der Durchstarter des Jahres 2014 in eurem Poll gewählt wurde, hat mich wirklich mega gefreut! Diese Kategorie wird ja meist zu Unrecht kritisiert, da Artists reingewählt wurden, die nicht erst seit gestern Musik machen, und viele regen sich darüber auf. Nur was macht denn einen Newcomer/Durchstarter aus? Für mich ist es doch ganz klar, dass man schon einige Zeit Musik machen muss, bevor man überhaupt heraussticht. Sonst wäre man auch nicht gut in dem, was man macht. Außerdem bin mit meinem neuen Label YOU ARE STRANGE an den Start gegangen, wir haben einen Booking-Roster unter YOU ARE STRANGE ausgebaut, ich habe viele interessante Gigs gespielt, und es kamen noch einige neue Releases und Remixe dazu. Aktuell widme ich mich hauptsächlich meinem neuen Label. In alledem steckt viel Arbeit, auch wenn viele denken, so etwas würde einem einfach so über Nacht zu fliegen und dann ist man ein „Newcomer“. Deshalb freue ich mich, in diese Kategorie gewählt worden zu sein.

Darüber hinaus bist du aber auch vor vier Jahren bei Overdrive eingestiegen, einem der dienstältesten deutschen Techno-Labels, das Andy Düx gegründet hat.

Overdrive ist ein Label aus meiner Nachbarschaft, und ich hatte im- mer einen guten Draht dorthin. Es war bis 2010 ein reines Vinyllabel und sollte dann auch digital vertrieben werden. Ich habe mich von Anfang komplett um den Digitalbereich und Vertrieb gekümmert und bin letztendlich 2011 als Labelowner eingestiegen, da jemand gesucht wurde, der dem ganzen frischen Wind einhaucht und fähig ist, sich der Sache anzunehmen.

Wie ist positionierst du daneben YOU ARE STRANGE, und wie kam es zu dem Namen?

Es ist schon etwas anderes, in etwas einzusteigen, als etwas komplett von Anfang an zu planen und aufbauen zu können. Da hat man mehr Freiraum für eigene Ideen und ist nicht so festgefahren. Mein Motto ist, dass man nicht auf der Stelle treten sollte und neue Dinge ausprobieren muss, um weiter zu kommen. Deshalb habe ich das Label gegründet. Bei dem Namen habe ich mich von The Doors inspirieren lassen. Da gibt es die Nummer „People Are Strange“ mit den ersten Zeilen „People are strange, when you’re a stranger“. Im Englischen kann man mit dem Wort noch etwas mehr spielen. Ich finde, dass jeder Mensch auf seine Art und Weise seltsam, eigentümlich und zuallererst auch erst mal fremd ist – und das bis zu einem gewissen Grad auch sein muss – und einem alles Fremde immer erst mal seltsam erscheint. Man muss dem Neuen, Fremden und Seltsamen gegenüber aufgeschlossen sein. Die Herausforderung liegt darin, das Seltsame, Fremdartige zu respektieren und kennenzulernen, damit es nach einer gewissen Zeit gar nicht mehr fremd ist. Daher das etwas provokantere „You are strange“. Letztendlich verhält sich wie mit der Kunst an sich. Alles ist Kunst, nichts ist Kunst. Jeder ist seltsam = keiner ist seltsam. Alles und jeder war einem selbst zu irgendeinem Zeitpunkt mal fremd. Das Positive daran ist, dass wir es/ihn kennenlernen können, etwas Neues dazulernen, es/ihn respektieren und uns vielleicht auch zu eigen machen. So halte ich es auch musikalisch. Ich bin schon immer für vieles offen gewesen und höre mir erst mal alles an. Ich spiele auch meine Sets gerne so. Da kann es passieren, dass ich mal eine House-Nummer in mein Technoset reinhaue, um die Meute auf dem Dance-floor aus ihrer Monotonie wach zu schütteln. Ich bin kein Freund von musikalischer Monotonie. Wir sind alle auf unsere eigene Art und Weise „strange“, und die daraus resultierende Kreativität sollte man nicht limitieren. Letztendlich muss es mir persönlich gefallen, und da ist es egal, ob die Schublade Techno, Minimal, oder Techhouse oder sonst irgendwie heißt.

Wie bist du eigentlich bei elektronischer Musik gelandet?

Ich bin schon sehr früh mit elektronischer Musik in Verbindung ge- kommen. In unserem Ort gab es zu der Zeit immer Acker-Partys, bei denen sich die ganzen Kids aus der Stadt trafen und ein komplettes kleines Techno-Openair aus dem Nichts stampften. Das war genial! Wir sind oft nach Frankfurt gefahren und in die Clubs gegangen. Die Leute würden heute den Kopf schütteln, wenn ich erzählen würde, in welchem Alter wir in die Clubs reinkamen. Aber es war in den 90ern in Frankfurt einfach so. Omen, die Box, das Dorian Gray – später dann, ab 1998, das U60311 und in die andere Richtung der Bahnlinie natürlich das Palazzo. Wir haben uns freitagabends in die S-Bahn gesetzt, sind in die City oder an den Flughafen oder sonst wohin gefahren und in die Clubs gegangen. Und irgendwann habe ich dann selbst angefangen aufzulegen. Ich habe mir zwei 1210er und einen Mixer zugelegt und begonnen zu mixen.

Was dürfen wir im kommenden Jahr erwarten? Wie sehen deine Pläne aus? Eventuell gibt es ja ein Album?

Ich möchte mich vor allem YOU ARE STRANGE und den angeschlossenen Artists widmen. Den Menschen, die ich mag und mit denen Musik Spaß macht. Für mich zählt bei alledem heute der Teamgeist mehr denn je. Natürlich sind wir alle Einzelkämpfer. Wenn du am Wochenende auf einen Gig fährst, hat das mit Teamgeist erst mal nicht viel zu tun. Aber wenn du dich über die Dinge, die dir passiert sind und die Musik austauschen kannst, ist es doch eigentlich das, worum es dabei gehen sollte. Deshalb möchte unter dem neuen Label auch eine Partyreihe starten, um die Menschen auf eine extatische musikalische Reise durch die Nacht mitnehmen. In den letzten Jahren habe ich auf mehreren Labels Tracks releaset, die von Künstlern wie Stacey Pullen, Mikaeal Jonasson, Thomas Heckmann und sogar Richie Hawtin gespielt wurden. Ich habe Remixe für Artists wie Adrian Hour, Niereich, Eric Sneo und kürzlich für Basic Implant gemacht. Da ist der nächste, logische Schritt und das nächste größere Projekt auf jeden Fall ein Album. / Dr. Nacht

KURZ UND KNAPP

Meine erste Platte:
Das kann ich gar nicht so genau so genau sagen. Wir hatten schon so viele Platten im Haus. Seitdem ich denken kann.
Meine erste DJ-Platte:
Ab wann ist es eine DJ-Platte? Bei elektronischer Musik war es „The Bells“ von Jeff Mills.
Mein erster Gig:
2004 im U60311
Meine erste Gage:
Habe ich natürlich auch versteuert.
Dieses Album höre ich gerade auf meinem MP3-Player:
„In Schwarz“ von Kraftklub
Das habe ich immer mit bei meinen Gigs:
Neben Equipment: eine Taschenlampe, meine Sonnenbrille, frische Socken und Lipgloss natürlich! 😉
Darauf freue ich mich am meisten, wenn ich von einem Gig nach Hause komme:
Meine Couch, meine Jogginghose, den Video-on-Demand-Service meines Vertrauens und eine Pizza.

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