Resident Advisor nannte Steve Bug im Rahmen eines Interviews 2006 den „Gentleman of Techno“ , und in diesem Artikel wird neben seinem Standing als Innovater der nationalen und internationalen elektronischen Musikszene sein Pflichtbewusstsein als DJ positiv hervorgehoben. Kaum ein Gig, den er in seiner nunmehr 20 Jahre währenden Karriere verpasst habe, wie widrig die Umstände auch schon mal gewesen seien. Bis heute, sechs Jahre nach diesem Interview, hat sich an Bugs Einstellung zu seinem Job nichts geändert, und ebenso nicht an seinem Status als einem der Vorzeigekünstler unseres Landes in Sachen deepem und minimalem Techno. Wir baten den Wahl-Berliner Mitte Juli zum Skype-Gespräch und erfuhren mehr über sein für den Herbst geplantes neues Album und seine Ansichten hinsichtlich diverser Entwicklungen des Musikmarktes an sich.
Stefans stetiges Interesse am Sound von Detroit und Chicago bedeutet keineswegs, dass er vorzugsweise rückwärts gewandt lebt. Immerhin war er einer der ersten DJs, die mit Final Scratch spielten. Und doch ist eben nicht alles Gold was glänzt, und die Moderne hat auch ihre Tücken. „Früher war nicht alles besser, aber es war alles anders. Und das ist auch gut so. Ich finde es wichtig, dass sich die Dinge weiterentwickeln. Technisch ist eigentlich gar nicht so viel passiert, außer, dass der Computer eine größere Rolle spielt und einem die Software ermöglicht, noch einfacher Musik zu gestalten. Inzwischen gibt es super viele Sample-CDs auf dem Markt, die leider auch genutzt werden – von sehr vielen jungen Produzenten. Da findet kaum noch ein kreativer Prozess statt. Das ist das Negative daran. Und dass es tatsächlich noch Labels gibt, die das dann auch noch releasen. Aber natürlich hatte das ganze Ding früher ohnehin eine ganz andere Energie, alles befand sich irgendwie im Aufbruch. Heute ist Techno Teil der Kultur und relativ normal. Und inzwischen ist sogar der DJ ein richtiges Berufsbild, das allerdings nach außen häufig falsch dargestellt wird. Der DJ, der die ganze Welt bereist und nur Spaß hat. Dass viel Arbeit dazu gehört und es mitunter auch anstrengend ist, wird dann nicht gesehen. Trotzdem möchte jeder DJ sein und Musik produzieren, und so wird zu viel Musik auf den Markt geschoben, was es einem fast unmöglich macht, noch die Perlen herauszupicken.“ Es hilft also alles nichts, und so muss man schlicht selbst für die entsprechenden Perlen sorgen. Ob als Labelinhaber oder eben auch als Produzent. Zehn solcher Highlights finden sich auf dem für Ende September geplanten Longplayer „Noir“, an dem Stefan in den vergangenen drei Jahren immer mal wieder gearbeitet hat. „Seit 2009 versuche ich, jeden Tag, den ich in Berlin bin, im Studio zu sein. Und das wirklich gut, selbst wenn man nach der ersten Woche noch mit null Ergebnissen raus kommt. Dennoch hat man in der zweiten oder dritten Woche die Idee, die was taugt, und gleich Zugriff auf ganz viele Sounds, die man sich analog in seinem Gehirn abgespeichert hat.“ Während schon der Name „Collaboratory“ den Nichtkenner vermuten lässt, dass auf dem 2009er Album die eine oder andere Kollaboration zu finden ist, hat sich Stefan für „Noir“ diesbezüglich bewusst anderes entschieden. „Die Grundidee war, das Album alleine zu schreiben, aber mit Vokalisten zusammenzuarbeiten. Oft ist der Weg wichtiger als das Endprodukt selbst, und auch in diesem Prozess habe ich wieder so viel gelernt für zukünftige Arbeiten. Es ist spannend und macht einfach Spaß, im Studio zu sein und sich auf ein Ding zu fokussieren.“ Besonders spannend ist es selbst für ihn als verantwortlicher Künstler, am Ende zu sehen, wohin die Reise führt. „Ich bin nicht der Typ, der vorher weiß, wie sich das Album später anhören soll. Das ist ein Entwicklungsprozess, und der wächst mit jedem weiteren Track, der entsteht.“ Wichtig ist ihm, dass das Endprodukt interessant zu hören ist und einen von Track 1 bis Track 10 bei der Stange hält. „Der Artist, der ein Album produziert, muss verstehen, dass es als Ganzes zu funktionieren hat. Wenn man wirklich Fan von jemandem ist und verstehen möchte, warum er bestimmte Dinge tut, muss man sich sein Album anhören. Auf der 12Inch geht es immer um die beste Auswertung der Tanzflächenmöglichkeiten, beim Longplayer eher um echte Emotionen.“
„Ich kann nicht in das Gehirn eines 16-Jährigen schauen, aber ich kann mit jungen Menschen reden, um etwas über ihre Ansichten zum Thema Musik, Urheberrecht, illegale Downloads etc. zu erfahren“, und zwei jüngere Halbbrüder zu haben, ist dabei ganz hilfreich, erklärt Stefan. Aber auch Gespräche mit jüngeren Kollegen kommen vor. Dabei sind die Pläne der GEMA natürlich auch immer wieder ein Thema, doch macht Stefan die Unwissenheit mancher Menschen fast wütender als die GEMA selbst. „Was die GEMA da vor hat, ist natürlich totaler Wahnsinn, aber dass es Leute gibt, die sagen, sie solle komplett abgeschafft werden, ist totaler Quatsch.“ Es ist vor allem der gedankenlose und uneingeschränkte Mitläufereffekt, der ihm Sorgen macht. „Ich finde es recht gefährlich, wie die Leute auf die Straße gehen. Es wäre schön, wenn sie sich vorab ausführlicher informieren würden, statt mit Halbwissen auf die Straße zu gehen und gegen etwas zu wettern, von dem sie keine Ahnung haben – wie es bei der ACTA-Geschichte der Fall war.“ Nun ist es eben die GEMA, gegen die gewettert wird, aber das ja nicht völlig zu Unrecht?! „Klar, die Forderungen der GEMA sind utopisch und niemand kontrolliert, was die dort tun. Dabei gibt es so viele Leute, die außerordentliches GEMA-Mitglied sein und mit wählen könnten, sich aber nie darum gekümmert haben, weil es ihnen am Arsch vorbei geht. Und jetzt haben wir den Salat.“ Doch was bedeutet dieser „Salat“, sofern sich das Übel tatsächlich nicht mehr abwenden lässt, für einen gestandenen DJ wie Steve Bug? Nur noch Gigs im Ausland und in der Heimat die Labelarbeit in den Fokus stellen? Oder ist die Zeit reif für ein zweites Standbein abseits des Musikbusiness, sofern man einen entsprechenden Businessplan in der Schublade hat?! „Das ist eine Frage, die man sich auch unabhängig von den neuesten Entwicklungen immer mal stellt. Wenn man an einen DJ denkt, hat man nicht den 70-jährigen Opa vor Augen, der seine Platten auflegt. Aber auch das ist sicher möglich. Als ich angefangen habe, dachte ich, mit 30 gucke ich dann mal weiter. Dann hab ich das auf 35 verschoben und so weiter. So lange man die Leidenschaft dafür hat und die Leute einem abkaufen, was man da tut, kann man das sehr lange machen. Vielleicht nicht mehr zehn oder zwölf Gigs im Monat, sondern nur noch vier. Es ist ein Job, der schwer abzustellen ist. Dabei geht es gar nicht darum, gefeiert zu werden, sondern um die Emotionen, die man im Club mit den Leuten teilt. Ich kann mir nicht vorstellen, länger als zwei Monate am Stück frei zu haben. Als ich früher als Friseur gearbeitet und dann aufgehört habe, war das nicht so. Und auch den Job habe ich mit Leidenschaft betrieben. Es gibt einige Dinge, die ich mir vorstellen könnte zu tun und die heute auch finanzierbar wären. Ob man darin dann Erfolg hat, ist die andere Sache. Die eigentliche Frage ist aber doch, wie lange man als Künstler interessant genug ist für die Leute.“ Glücklicherweise war die Ausgangsfrage rein hypothetisch, und aktuell ist Steve Bug als DJ noch immer ebenso gefragt wie seine Produktionen und Labels. Das wird er mit seinem neuen Album später in diesem Jahr einmal mehr belegen. Mehr dazu gibt es dann natürlich in FAZEmag.
www.pokerflat-recordings.com
www.soundcloud.com/stevebug
Fotos: Hannes Caspar