SUPERBOOTH22: das Jubiläum – Läuft alles sooper, Herr Schneider?

Credit: Angela Kröll

Rechnet man die Anfangszeit auf der Musikesse Frankfurt hin, jährt sich das Synthesizer-Festival SOOPERBOOTH 2022 zum 20. Mal. Als eigenständiges Event in Berlin steht sie seit 2016 auf dem Plan. Wie für alle anderen Veranstalter, waren auch für die Kultmessemacher die vorangegangen Coronajahre ein steinhartes Brot. Und während sich die die hessische Großmesse auch daran die Zähne ausbiss und auf ewig verabschiedet hat, hält die SOOPERBOOTH wacker durch. Auch in diesem Jahr führte das FAZEmag kurz vor Messestart das traditionelle Interview mit dem SOOPERBOOTH-Initiator Andreas Schneider.

Die Corona-Zahlen sinken, die SOOPERBOOTH22 findet statt – also dürfte sich dein Vormessestress in Grenzen halten?
Nein, im Gegenteil. Wir mussten in den letzten drei Wochen wegen des Ukraine-Krieges nochmal ordentlich umorganisieren. Teil des FEZ-Komplexes ist ja eine große Multifunktionshalle, in der sich 50 Aussteller befanden. Dort hatte die Berliner Senatsverwaltung kurzfristig ein Zugriffsrecht für Flüchtlinge angemeldet, dann aber wieder zurückgezogen, weil der erforderliche Umbau zu teuer gewesen wäre. Wir haben aber dann von uns aus gesagt, dass wir die Halle für den Fall der Fälle freilassen. Die 50 Aussteller haben wir nun vorwiegend auf das Freigelände verteilt.

Was weitere Änderungen nach sich gezogen haben dürfte?
Ja, deshalb fällt auch die Seebühne diesmal weg, dafür planen wir zwei kleinere Bühnen hinter dem FEZ. Dort werden die Programme der Seebühne verteilt. Hinzu kommt der angrenzende der Badesee. Das gibt der SOOPERBOOTH22 nochmal einen zusätzlichen Festivalcharakter.

Also gilt für die SOOPERBOOTH wie schon in der Vergangenheit: Wenn dir das Leben eine Zitrone reicht …
… mache Limonade draus, genau. Zum Glück besitzen wir diese räumliche und organisatorische Flexibilität, um auf so etwas reagieren zu können. Und möglichst sogar noch etwas Besseres als vorher auf die Beine zu stellen.

Wie hat sich in Bezug auf die Aussteller das Verhältnis von Innen- und Außenverteilung verändert?
Jetzt sind wir bei etwa 50:50. Vor Corona waren ja alle Aussteller innerhalb des FEZ und nur die Events und Gastro draußen. Letzten Herbst hatten wir erstmals einen Zeltwald aufgebaut und das Bungalowdorf sowie den Fuchsbau als Ausstellungsbereiche einbezogen. Vor allem das Bungalowdorf wurde dabei zum absoluten Anziehungspunkt. Es wird in diesem Jahr deshalb auch direkt am S-Bahn-Ausstieg als direkter Zutritt eingerichtet, sodass man sich von hinten nach vorne zum Hauptgebäude vorarbeiten kann. Ebenfalls kann man es von hinten rum entlang des Badesees erreichen, weil der ja jetzt zusammen mit der Wiese zum Veranstaltungsgelände gehört. Dort wird es dann auch nochmal Catering- und Getränke-Angebote geben. Ebenso einige Aussteller, die eigenen Fahrzeugen anreisen, um ihre Sachen zu präsentieren. So wie im letzten Jahr Arturia im Flutschfinger-Lkw oder in diesem Jahr Teenage Engineering in zwei VW-Bussen. Der Fuchsbau hat sich in der Dimension noch nicht so bewährt, wahrscheinlich weil der Fußweg halt doch recht lang ist. Aber auch daran halten wir erst einmal fest.

Hat der Krieg auch inhaltliche Auswirkungen? Du hattest ja immer eine beträchtliche Anzahl an Ausstellern und wohl auch Gästen aus Osteuropa.
Durchaus. Wir hatten im Bühnenprogramm ukrainische Künstler, die in Berlin leben, aber nicht auftreten wollten, wenn gleichzeitig Russen anwesend sind. Das können wir natürlich überhaupt nicht garantieren. Wie du schon sagst, sind üblicherweise Lieferanten, Hersteller und Besucher aus allen Teilen des Ostens vertreten und wir wollen für alle die Türen offenhalten. Eine ukrainische Künstlerin tritt dennoch auf, eine andere hat abgesagt – was wir natürlich verstehen. Gleichzeitig möchten wir die Messe nicht unnötig politisieren. Aussteller direkt aus der Ukraine oder Russland können aufgrund der Situation ohnehin nicht anreisen.

Ihr seid zeitlich vom letztjährigen Herbst wieder ins ursprüngliche Frühjahr zurückgewandert…
Der September war ja ein Ausweichtermin, weil die Corona-Welle Anfang des Jahres wieder Fahrt aufnahm. Grundsätzlich sehen wir uns weiterhin als Frühjahrsmesse. Der Herbst hat allerdings wichtige Erkenntnisse gebracht. Beispielsweis ist das, was als Sicherheitsmaßnahme gedacht war, eben diese Ausdehnung bis weit in den Außenbereich, so gut bei den Ausstellern und Gästen angekommen, dass wir es beibehalten. Nur eben in den Frühjahr zurückverlegt. Das Zeitfenster scheint diesmal günstig – wer weiß, wie die Lage im Herbst ist.

Gelten noch irgendwelche Corona-Beschränkungen?
Wir dürfen erstmals wieder Besucher in unbegrenzter Zahl reinlassen. Eine Maskenpflicht gibt es in Berlin ja ebenfalls nicht mehr. Innerhalb der Räume wir allerdings weiterhin um das Tragen bitten und werden auch darauf hinweisen. Allein schon aus Respekt denjenigen gegenüber, die sich ohne unsicher fühlen.

Die Frankfurter Musikmesse ist seit diesem Jahr endgültig passé. Also der Schoß, in dem die SOOPERBOOTH vor 20 Jahren geboren wurde. Deine letzten Worte?
Naja, gerade in Anbetracht der letzten Jahre ist es kein großer Verlust. Und für mich der letzte Beweis, dass sich das gigantische Messehallenkonzept als Versammlungsort für kreative und klangforschende Menschen überlebt hat. Wir hoffen natürlich drauf, dass sich die eine oder andere Person umschaut, was es an Alternativen gibt – und beispielsweise auf uns mit unserem Nischenkram stößt.

Erwartest du deshalb einen Besucherschub?
Nein, ich denke, das hatte sich schon vorher ziemlich auseinanderdividiert. Allerdings kommt in diesem Jahr eine Delegation von der NAMM-Show, um uns zu inspizieren. Ich heiße die Herrschaften herzlich willkommen, wobei ich natürlich weiß, dass es denen darum geht, sich … nennen wir es „Inspirationen“ zu holen. Denn die NAMM hat ebenfalls Schwierigkeiten, auf die Ausstellerzahlen zu kommen, die sie mal hatten. Insofern bin ich schon etwas stolz, dass die US-Synthesizer-Legenden Dave Smith und Oberheim-Entwickler Marcus Ryle die lange Reise antreten, um eine Diskussion im Rahmen unserer Gesprächskonzerte zu führen. Ich betrachte das als großes Kompliment an das, was wir hier veranstalten.

Offenbar habt ihr die Trennung zwischen Fach- und Privatbesuchern aufgehoben?
Ja, das ist auch eine Erfahrung aus dem letzten Jahr. Es wird in diesem Jahr nur eine Ticketkategorie für alle geben, plus natürlich die Vergünstigungen für bestimmte Personengruppen. Zudem kann jeder an jedem Tag kommen. Wir haben festgestellt, dass praktisch jeder, der kommt, bereits so tief in der Materie ist, dass er Fachbesucher ist. Wenn man nur Musik hören oder Blockflöte spielen will, kommt man hier nicht hin. Oder man macht einen der vielen Einsteigerworkshop mit.

Was werden deine persönlichen Highlights sein?
Ich freue mich sehr auf einige Initiatoren des Beirut Synthesizer-Centers. Der Libanon ist ja aus bekannten Gründen nicht unbedingt als Feierhotspot oder Elektronikmekka berühmt. Aber auch dort gibt es Fans, die beispielsweise mit Generatoren arbeiten, um immer Strom zu haben. Da heißt es dann einfach: Bring dein Instrument mit und lass uns Spaß haben. Die werden hier ihre Ambitionen erklären auch ein Konzert geben. Weiterhin erklärt Hainbach die Technik der elektronischen Musik von vor 60 Jahren. Das passiert u. a. am Beispiel der Telemusik von Karlheinz Stockhausen. Das wird von den Gebrüdern Teichmann kuratiert und bildet den Auftakt zum 60-jährigen Jubiläum des Goethe-Instituts in Tokio. Peter Pichler sollte man ebenfalls nicht verpassen. Er beherrscht als einer der wenigen Menschen Osakar Salas Mixturtrautonium, den Vorläufer aller Synthesizer. Er wird damit einen Film live vertonen und dazu auch einen Workshop machen. Den Sprung in die Zukunft tritt dagegen Atom TM an, der sein audiovisuelles R3V-Liveset vorstellen wird. Die Mute-Legenden Daniel Miller und Gareth Jones werden ebenfalls wiederkommen und gemeinsam als „Sunroof“ auftreten. Nicht zu vergessen Nitzer-Ebb-Mitglieb Bon Harris, der als Solo-Act Under The Lemontree ein Konzert geben wird. Wir hatten eigentlich geplant, Nitzer Ebb komplett auf die Bühne zu bringen. Leider fällt ja die große Seebühne weg, weshalb das nicht klappte. Aber Douglas McCarthy wird in jede Falle auch vor Ort sein. Strammen Live-Techno gibt‘s schließlich am letzten Tag noch von Maarten und Jisoo Park. Pro Tag wird es rund 20 Konzerte, Workshop und Events geben.

Sag noch etwas zur SOOPERgrail, die in diesem Jahr erstmals parallel in einem eigenen Bereich stattfinden wird. Warum sollte ein Elektroniker den Abstecher auf die Gitarrenmesse machen?
Weil Sie keine klassische Gitarrenmesse mit Fender- und Rhodes-Instrumenten ist. Auch auf der SOOPERgrail werden wir die Gitarre als elektronisches Musikinstrument propagieren. Es gibt nämlich auch im dem Bereich innovative Menschen, die seit Dekaden experimentieren, wie man mit Mikroprozessortechnik zu neuen Ausdrucksformen kommen kann. Beispielsweise, indem man nicht sechs Saiten mit einem Tonabnehmer sondern eine Saite mit sechs. Oder mit dem Instrument ein Synthesizer-Setup steuert. Oder eine Gitarre baut, an der sich die Bünde verschieben lassen, um die klassische 12-Ton-Skala zu verlassen. Also ähnlich, was mit der Wiederentdeckung der Controlled-Voltage-Steuerung vor 20 Jahren ja auch passiert ist. Was haben mich die Leute damals ausgelacht, weil ich weiter an die VC-Technologie glaubte, während MIDI das Maß aller Dinge war. Aber so ein stufenloses Gleiten war damit halt nicht möglich. Zwölf Gitarrenbauer aus Berlin und Umland werden auf der ersten SOOPERgrail ihre selbstgebauten Instrumente vorstellen – was zugegeben noch nicht besonders viel ist. Dafür sind aber die Qualität und technische Kreativität wirklich exquisit. Einige Vorträge stehen ebenfalls auf dem Plan. Beispielsweise darüber, wie jemand einen Gitarren-Looper entwickelt hat, der dann von Gibson abgeluchst und groß rausgebracht wurde, ohne das der Erfinder auch nur ein Danke bekommen hat. Auch hier also Parallelen zum Synthesizerbereich, auch dort ist der Ideenklau ja kein Fremdwort. Die Zusatzmesse richtet sich also gar nicht an die klassischen Sechs-Saiten-Dudelsolisten. Ich bin mir sicher, es werden auch eingefleischte Elektroniker staunen und begeistert sein.


SUPERBOOTH22
12. bis 14. Mai 2022, 10 bis 22 Uhr
Straße zum FEZ 2, 12459 Berlin
Tickets (nur online erhältlich!)
Tagesticket 35 Euro, ermäßigt 25 Euro
3-Tagesticket 90 Euro, ermäßigt 70 Euro
www.superbooth.com

 

Aus dem FAZEmag 123/05.2022
Text: Matthias Thienel
Credit: Angela Kröll