„Techno Rush“ – Westbam im Interview

Letzten Monat berichteten wir von der neuen Techno-Dokumentation „Techno Rush“ von RTL+, die seit dem 14. September als Dreiteiler zu sehen ist. Diese erzählt die deutsche Entstehungsgeschichte unserer Branche und welchen Einfluss der Erfolg der elektronischen Musikszene auf Generationen hat. Der deutsche DJ und Produzent Westbam nimmt in der Dokumentation die Rolle des Moderators, beziehungsweise eines Erzählers ein und leitet die Zuschauer. Wir haben Westbam einige Fragen gestellt, die er hier in diesem Artikel beantwortet.

Was macht für dich persönlich die Faszination einer solchen Doku über (die Geschichte von) Techno aus?

Geschichte interessiert mich ganz allgemein. Wie wurden die Dinge, wie sie heute sind? Die Geschichte von Techno ist eng mit meinem eigenen Leben verbunden, hier habe ich sehr direkte und persönliche Einblicke, warum alles so wurde , wie es ist. Es fallen mir auch immer noch neue Aspekte, Details und Querverbindungen auf, wenn ich über das Thema nachdenke oder interviewt werde. Es wird irgendwie nie langweilig. (lacht)

Was vermisst du am meisten, wenn du an die Anfänge der elektronischen Musikbewegung denkst?

Du redest jetzt wahrscheinlich von Techno und House und  von den Anfängen der elektronischen DJ Bewegung. Elektronische Musik ist ja noch um einiges älter. Das geht ja mindestens in die 60er-Jahre des letzten Jahrhunderts zurück. In der DJ-Musik wurden die Grundlagen in den 80er-Jahren gelegt. Damals war ich von Anfang an ein bewusster Zeitzeuge und gleichzeitig ein Teil der Bewegung. Deshalb kann ich dir verraten: Die quasi-letzten neuen Kontinente der DJ-Musik wurden wahrscheinlich  in den 90ern entdeckt. Diese Entdecker- und Prototyp-Zeiten der frühen Jahre, der 80er und 90er, kommen in dem Sinne in diesem Genre nicht mehr zurück. Das war natürlich alles ganz toll und aufregend damals.

Was schätzt du an der heutigen, aktuellen Szene besonders?

Diese wunderbare Reichhaltigkeit. Das war früher alles wesentlich überschaubarer. In den frühen 80ern gab es eine Handvoll DJs und Producer und eine Handvoll Platten pro Monat. Heute gibt es wahrscheinlich allein in Berlin 100.000 DJs und allein auf Beatport 10.000 neue Releases am Tag. Ich finde es auch gut, dass dank Softwares wie Ableton, Download-Plattformen oder auch Youtube und Social-Media so viele Leute ohne viel Geld und große Skill-Voraussetzungen Zugang zu den Produktionsmitteln und auch zum Publikum haben. Diese elitäre Geheimwissenschaftsscheiße vermisse ich, im Gegensatz zu dem, was andere Old-School-Kollegen so gerne erzählen, überhaupt nicht.

Auch die Möglichkeiten, die du heute als DJ hast um live deine Musik im Mix weiterzuverarbeiten: Da hätte ich 1983 mit 28 nicht von zu träumen gewagt. Fantastisch.

Gibt es eine bestimme Botschaft, die du an die jüngere Generation Techno weitergeben möchtest?

Du meinst so was wie: „Für uns ging es damals um die gute Sache“? Also so altväterliche Tipps? Oder  „Keep it real“? Oder: „Du musst immer fest an dich glauben“? Oder: „Spielt doch bitte wieder Vinyl, Leute“? Nee, mit sowas kann ich mich sehr gut zurückhalten. Ungefragt den „jungen Leuten“ erklären, wie es richtig geht, finde ich debil.

Wie viel Zeit verbringst du derzeit im Studio, bzw. dürfen sich deine Fans bald auf neue Musik von dir freuen?

Musik machen ist tatsächlich immer noch mein Ding. I can’t lie. Das mache ich wie andere Leute gern den ganzen Tag daddeln. Aber das Tolle am technischen Fortschritt: In den 80ern und 90ern habe ich im Studio gelebt, eigentlich bis Mitte der Nullerjahre. Heute verbindet sich für mich Leben und Musik wesentlich natürlicher, weil ich alles nur noch im Laptop mache. Und zwar immer genau da, wo ich gerade bin. Das ist auch so viel geiler als damals die ganze Woche bis in die Nacht in irgendwelchen stinkigen Kammern zu sitzen, vor diesen staubigen Mischpulten. Da bin ich immer noch Futurist und echt froh, dass diese ollen Zeiten vorbei sind.

Hier geht es zur Doku: www.plus.rtl.de/video-tv/serien/technorush-943657

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