The Black 80s – Fokus aufs Herz

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„Heart to Art“. Ob dieser poetische Slogan nun Feststellung, Imperativ, Ideal oder Ziel ist – mit der zu diesem Albumtitel gehörigen Platte hat das kanadische Electro-Duo The Black 80s jedenfalls alles gegeben, damit es nicht bloß bei verhallenden Worten bleibt. Nach vier Jahren liefern die beiden „80s“ – Hollis P. Monroe und Overnite – auf Sonar Kollektiv ihr in zehn Tracks pulsierendes Debütalbum ab. Seit ihrer Begegnung und einem spontanen „Lass uns mal zusammen etwas machen“ haben die beiden zunächst als Hollis P. Monroe feat. Overnite, dann als Hollis P. Monroe & Overnite und schließlich als The Black 80s mit Singles, EPs und Remixen auf sich aufmerksam gemacht und einigen Eindruck hinterlassen. Auf dem Weg zum ersten Album sind Remixe und Kollaborationen von und mit Till von Sein, Ruede Hagelstein für Watergate, KiNK & Sierra Sam für Upon You Recordings, Trickski, Rampa für Keinemusik und Rafael Da Cruz für Compost nur einige Marksteine der letzten Jahre.

Für Traxsource gehören The Black 80s zu den Top-Deep-House-Artists von 2014. Dabei kann das Duo aus der House-Erfahrung des einen Kopfes und aus diversen anderen Genre-Erfahrungen des anderen schöpfen. Die eine Hälfte der Black 80s ist nämlich ein alter Hase in der Szene, die er gerne deep und funky beliefert. Der aus Philadelphia stammende und wie sein musikalischer Partner in Montreal lebende Produzent und DJ Hollis P. Monroe steuerte dem internationalen House-Fundus in den letzten 20 Jahren sporadische, aber signifikante musikalische Beiträge auf Labels wie Ovum, Defected, West Ende, Stickman, Soul Candi und Jive Electro bei. Die andere Hälfte der 80s ist Vokalist Overnite aka Frank Julian, der damals ein Indie-Rock-Ding machte und in allen möglichen musikalischen Gefilden schon unterwegs war – einzig nicht in der elektronischen Ecke. „Das ist gerade das, was unsere Zusammenarbeit cool macht“, sagt Hollis, der privat so wenig House hört „wie kein anderer, den ich kenne.“ Das unterschiedliche Gespann lernte sich vor vier Jahren in einem Laden in Montreal kennen, in dem aufgelegt wurde – zu einer Zeit, wo auch Hollis‘ zeitloser und gern geremixter Klassiker von 1997, „I’m Lonely“, gerade wieder in neuen Versionen auf Noir Music einen frischen Kick bekam – eine Koinzidenz von zwei Begebenheiten, die Hollis wieder mehr Schub brachte. Mit diesem Drive schlug er vor, zusammen Musik zu machen. „Overnite sagte, er kenne einige DJs, die es bestimmt spielen würden, wenn wir mal was machen würden. No no no, sagte ich. Wenn schon, dann richtig. Ich wollte unser Leben verändern“, erzählt Hollis. „Du musst wissen, was du willst, ein Ziel haben, das vielleicht größer ist als das, was du meinst, erreichen zu können – und wenn sich eine Opportunity bietet, dann musst du zupacken.“

Die erste konkrete Gelegenheit war ein Track mit Rampa, zu dem Hollis Overnite als Sänger dazuholte. „Wir passten auf Anhieb sehr, sehr gut zueinander. Und wir haben die Dinge direkt am Anfang geordnet. Früher habe ich versucht, demokratischer zu sein. Daher habe ich jetzt anfangs direkt gesagt: ,Jeder hat kreativen Input, aber das letzte Wort liegt bei mir, da musst du mir vertrauen.’ Wir ergänzen uns großartig. Overnite ist nicht nur ein großartiger Sänger, sondern auch ein großartiger Producer.“ Er steuert bei der Ausrichtung des gemeinsamen Stils, in Produktion und Performances nicht nur seine facettenreichen Vocals bei, sondern als Musikveteran verschiedener Genres und gleichzeitiger House-Newcomer auch ergänzend seine eigene spezielle Perspektive. „Wir sind definitiv sehr verschiedene Menschen. Ich mache zum Beispiel gerne schnell. Wir beide bringen natürlich auch unsere Vergangenheit und kreativen Backgrounds mit. Ich bin beispielsweise ein riesiger Prince-Fan. Wir profitieren sicher auch davon, dass ich so wenig House privat höre“, lacht Hollis, der mit Hip-Hop und Breakdance aufgewachsen ist und selbst nicht so genau wusste, dass er House macht, als er damit anfing und das Genre anfangs nicht einmal mochte. „Ich umgebe mich gerne mit Leuten, die smarter oder kreativer sind als ich, um noch lernen zu können.“ Ergebnis: Ein Sound, der ganz eigen ist, deep, funky, treibend und doch gleichzeitig bisweilen zurückhaltend, sehr introspektiv und persönlich. Nicht unerheblich ist dabei der großzügige Anteil an Vocals, den sich das Duo gönnt: „Ich liebe Vocals, da habe ich auch keine Präferenzen für Frauen- oder Männerstimmen, Hauptsache, sie klingen interessant.

Als DJ muss ich sagen, dass die Leute im Club Vocals nicht besonders gern spielen wollen. Aber die Stimme ist ein Instrument. Mit ihr erzählt man Geschichten. Auch auf dem Album – ohne Vocals könnten wir diese nicht erzählen. Es geht immer um die Story“, stellt Hollis die Attitude der Black 80s heraus. „Ich hab diese Theorie: Menschen haben manchmal Angst davor, Emotionen zu haben. Sie denken, sie sollten nicht in elektronischer Musik existieren. Da bin ich völlig anderer Meinung.“ Diese setzt das Duo auch konsequent um. Mit Overnite hat die Formation einen virtuosen Vokalisten, der in jedem Track, oft sogar innerhalb eines Songs, komplett anders klingen kann: „Meine Mom fragt manchmal: Wer ist das Mädchen, das da singt? Und ich dann so: Welches Mädchen?“, erzählt Hollis lachend. „Er hat ein breites Spektrum und er weiß, wie man einen Charakter, eine Atmo in einem Song einfängt.“ Eigentlich sind die Rollen unausgesprochen relativ klar verteilt, aber jeder der beiden macht auch schon mal das, was überwiegend der andere tut. So hat Hollis ein Vocal selbst eingesungen, und zwar auf dem Track „Tell Me“. Einige Tracks schreibt Hollis allein, andere schreiben sie gemeinsam, wieder andere Songs – wie etwa „To Hang On To“ – sind zu 100 Prozent Overnites kreativer Output. „Wir setzen uns nie hin und sagen bewusst, wir wollen jetzt dieses oder jenes machen. Er vertraut mir. Manchmal hat Overnite etwas und wenn ich ‚Nein‘ dazu sage, dann bleibt es auch dabei“, beschreibt Hollis den kreativen Prozess, wobei die Produktion zu 80–90 Prozent nicht gemeinsam zur selben Zeit am selben Ort abläuft. „Das ist so lange okay, wie es von der kreativen Seite her funktioniert, und das tut es. Wenn Overnite nachts um 3:00 Uhr aufsteht, weil ihm etwas eingefallen ist, braucht er mich nicht daneben.“ Zumal Hollis auch oft reist und gerne viel Zeit in Berlin verbringt. „It’s awesome!“, ruft er begeistert. Aber das ist nicht der einzige Grund für seine Liebe zu der Stadt: „Vieles, was ich und wir gemacht haben, hatte eine Berlin-Connection. Wenn man die Dinge auf ein anderes Level heben will, dann ist es die logische Konsequenz, dort zu sein. Wenn man da ist, können so viele Dinge passieren, man läuft ständig jemandem über den Weg. In Montreal passiert so etwas nicht so oft.“ Auch in technischer Hinsicht ist das ein Aspekt: „Ich weiß, wir haben in der Vergangenheit einige Records gemacht, die soundtechnisch vielleicht hätten besser sein können. Ich bin nicht der beste Engineer – zuallererst mache ich und machen wir aber Musik. Der Fokus liegt auf dem Herzen.“

Aus dem FAZEmag 055
Text: Csilla Letay

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