
Nur wenige Wochen nach Ankündigung des Kompakt-Controllers Omnis Duo (s FAZEmag Juni 2024) machte eine weitere Pressemeldung aus dem Hause Alpha Theta die Runde, die nicht weniger versprach, als einen Rotary-Mixer, der alle bisherigen in den Schatten stellen würde. Dass Hersteller, egal welcher Marke, kommende Produkte mit vollmundigen Versprechungen anpreisen, gehört natürlich zum PR-Spiel. Ein erster Blick auf die Feature-Liste des Euphonia getauften Tools sowie der Hinweis, dass die Audioexperten von Rupert Neve Designs beteiligt sein würden, ließen dann aber doch die Hoffnung reifen, dass etwas Außergewöhnliches ansteht. Wir haben ihn jetzt getestet und deshalb Gewissheit: Das Teil ist wirklich Top Notch.
Felsenfestliche Erscheinung
Schon was das reine Format betrifft, reiht sich der Euphonia in die vorderste Reihe ein. Seine 43 cm Breite, 33 cm Tiefe und 12 cm Höhe gepaart mit dem Gewicht von 9,5 kg machen ihn zum Goliath im Rotary-Segment. Das tadellos verarbeitete Vollmetall-Chassis sowie die Wahl hochwertigster Bedienelemente verdeutlichen, dass AlphaTheta seinen Schützling als lebenslangen Begleiter konstruiert hat. Genau das, was im Englischen so treffend als „rock-solid“ oder „bullet-proof“ bezeichnet wird. Bei der Grundfarbe sorgt traditionelles Schwarz für optische Ruhe, edel aufgewertet durch roségoldene Toppings auf den wichtigsten Drehreglern, dezente LED-Leuchtspiele und schmale Holzohren. Ein sofortiger Blickfang ist das VU-Meter in der Master-Sektion – dazu später mehr. Beim Layout haben sich die Entwickler dafür entschieden, die drei Isolatoren-Regler ganz oben in der Master-Sektion unterzubringen. Aktuelle Konkurrenzmodelle neigen ja vereinzelt dazu, diese im unteren Mixerbereich anzusiedeln, damit man nicht über das gesamte Gerät greifen muss, um sie zu bedienen. Da aber die Strecke bis ans hintere Ende aufgrund des Querformats ohnehin kurz ist, ergeben sich beim Euphonia keine ergonomischen Einschränkungen. Zumal die gesamte Master-Linie in erhöhter Position eine eigene Etage bildet und der direkte Zugriff dadurch noch einmal erleichtert wird.
Analog? Digital? Mach mal!
Ansonsten zeigt sich der grundsätzliche Aufbau Mixer-traditionell. Ganz links befindet sich eine zuschaltbare Mikrofon-Sektion mit Level-Regler und Zweiband-EQs. Daran schließen sich die vier Channel Strips mit Eingangs-Trim-Poti, 3-Band-EQs, beleuchtetem Vorhör-Button und natürlich den großen Drehgebern für die Kanallautstärke an. Diese reagieren im Drehwiderstand übrigens geschwindigkeitsabhängig. Bei langsamen Bewegung erhöht sich der Widerstand, um exakte Einstellungen vornehmen zu können. Dreht man schneller, löst sich der Widerstand, sodass man rasch bis zum Rechtsanschlag vordringen kann. In den Kanalzügen fallen weitere Besonderheiten ins Auge, die man bei puristischen Rotary-Vertretern von anno dunnemals (oder auch heute) so nicht findet. Beispielsweise die Eingangswahlschalter pro Kanalzug, die neben Line und Phone auch die Optionen Digital und Computer aufweisen. Oder die dedizierten Send-Regler, um interne oder externe Effekte auf den jeweiligen Kanal anzuwenden. Dass jeder Kanalzug mit einer langen, 15-diodige Anzeige für feine Lautstärkepegelungen besitzt, ist auch nicht selbstverständlich. Rechts abgeschlossen wird die Unit von einer Vorhörsektion mit zwei Headphone-Anschlüssen, einem Lautstärke- und Master-/Cue-Mix-Regler, wobei sich das Headphone-Signal wahlweise als Stereomix oder Mono-getrennt vorhören lässt. Ebenfalls hier untergebracht ist sind die Regler für die Booth-Outs. Denn natürlich bringt ein Tool, das für professionelle Clubeinsätze prädestiniert ist, die Möglichkeit mit, den Klang innerhalb der DJ-Kanzel separat einzustellen. Und zwar nicht nur in der Lautstärke, sondern zusätzlich in den Hi- und Low-Frequenzen. Das dauerbelastete Gehör dankt!
Die Anschlusssektion ist gemäß den zahlreichen Einstellungsmöglichkeiten für die Zuspieler reich bestückt. Für jeden Kanal sind analoge Phono- und Line-Eingänge sowie koaxiale Digital-Ins vorhanden. Hinzu kommen ein symmetrischer Mikrofon-Anschluss in kombinierter XLR-/Klinke-Ausführung sowie ein USB-C-Port für die Computer-Anbindung und somit DJ-Software-Kontrolle. Ausgangsseitig geht das AlphaTheta-Prunkstück ebenfalls in Vollen: XLR- und Cinch-Outs lugen ebenso aus dem Heck heraus, wie das erforderliche Booth-Out (symmetrische Klinke) und ein Cinch-Pärchen für Live-Mitschnitte. Mit gleich zwei symmetrischen Send-/Returnwegen für externe Effektgeräte lässt sich weiterhin jedes gewünschte FX-Szenario, sei für die Kanäle oder Master-global, einrichten.
Manipulationsmonster
Wendet man sich dem angehobenen Master-Panel auf der Bedienoberfläche zu, wird deutlich: Hier geht der Effektreigen munter weiter. Sechs interne FX-Typen in Studioqualität lassen sich anwählen: Highpass-Filter, Delay, Tape Echo und Echo Verb, natürlich Reverb sowie Shimmer. Zugeordnete Regler für die Taktanpassung im Bereich 1/16 bis 1/1 oder die Bearbeitung eines Parameters in Abhängigkeit vom gewählten Effekt erlauben weitreichende, kreative Live-Eingriffe. Das interne und externe Effektangebot inklusive der Routing-Optionen zusammengenommen, ist der Euphonia ein hoch flexibles FX-Monster, wie es im Rotary-Segment einzigartig ist. Dabei ist das absolute Highlight noch gar nicht erwähnt: Jedem Regler für den 3-Band-Master-Isolator ist ein eigener Send-Button zugeordnet. Was bedeutet, dass man die High-, Mid- und Low-Anteile gemäß ihrer Bestimmung nicht nur gezielt shapen, sondern zusätzlich mit einem internen oder externen Effekt bearbeiten kann. Denn häufig verspüren Soundfetischisten, wie sie gerade und unter Rotary-Mixer-Nutzern zahlreich vertreten sind, beispielsweise den Wunsch, nur hohe Frequenzbereiche in einer Delay-Wolke räumlich aufzuplustern, ohne dass die Bassanteile an Punch verlieren. Hier erweist sich der Euphonia als gigantische Spielwiese für ausgedehnte Echtzeit-Klangformungen, wobei die Isolatorenregler die Effektanwendung parallel mit steuern. Als Krönchen lässt sich über einen Boost-Level-Dreipunktschalter zudem festlegen, bis zu welchem Maximalpegel die Isolatoren übergeornet zu Werke gehen. Wem die 0 dB zu lasch erscheinen, kann sie bis auf 6 dB oder 12 dB dynamisieren.
Virtuelles Display schlägt analoges VU-Meter
Nun noch zum eingebauten Display neben dem Master-Regler: Auf Abbildungen mag es erscheinen, als besäße der Euphonia ein analoges VU-Meter, also mit mechanisch ausschlagenden Nadeln hinter einem kleinen Sichtfenster. Tatsächlich aber ist eine realistisch virtuelle Umsetzung, also ein hochauflösendes Display. Zum Glück. Denn so kann die naturgemäße Ausschlagträgheit einer echten Nadel vermieden werden. Zudem lässt sich, wie geschehen, für jeden der vier Kanalzüge eine eigene Nadel darstellen, sodass deren Aussteuerung im Verhältnis zueinander auf einen Blick erfasst und angepasst werden kann. Die von AlphaTheta „Energy Visualiser“ getaufte Einrichtung kann aber noch mehr. So lässt sich die Fensteransicht von „Needle View“ auf „Digital View“ umschalten, woraufhin u.a. eine virtuelle Spektralanalyse erscheint. Ein etwaig angewählter Effekt sowie das BPM-Tempo bleiben in jeder Fensteransicht erhalten. Wer per Utility-Button in den Grundeinstellungen etwas ändern möchte, ist ebenfalls auf das Display angewiesen. In diesem Falle lässt sich zwischen Listen manövrieren, um Basispegel einzustellen oder an welchem Punkt das Recording-Signal abgegriffen wird.
Neve macht den Klangunterschied
Ein Tool, das die hochtrabende Bezeichnung Euphonia trägt, also ein Kofferwort aus Euphorie und Phonie (Klang) darstellt, sollte natürlich die Erwartungen erfüllen. AlphaTheta hat offenbar keine Kosten und Mühen gescheut, um das Ziel zu erreichen. Beispielsweise mit AD/DA-Wandlern vom renommierten Hersteller ESS Technology. Die für ihre 32-Bit-Auflösung und enorme Dynamik bekannten Bauteile sind in allen entscheidenden Abschnitten des Mixers verbaut. Sie gewährleisten beim Eintritt analoger Signale deren präzise, digitale Darstellung und beim Austritt wiederum die originalgetreue, praktisch rausch- und verzerrungsfreie Rückwandlung. Die internen Mixprozesse übernimmt ein DSP mit 96-kHz/64-Bit- Fließkomma-Technologie. Mit dem daraus resultierenden, kristallklaren Klang gab sich der Hersteller aber keinesfalls zufrieden. Es mangelte offenbar an der gewissen Wärme und Harmonie, um auch die härtesten Klangfetischisten vom Rotary-Mixer zu überzeugen. Also wandte man sich an die unangefochtenen Meister des High-End-Feelgood-Sounds: Rupert Neve Designs, beheimatet im texanischen Wimberley. Die Lösung der dortigen Ingenieure lautete: Transformatorenschaltung. Der gesamte Klang, der aus dem Euphonia kommt, wird deshalb im Master durch dieses individuell angepasste Bauteil geleitet. Durch Hinzufügen von Obertönen gelingt der Transformatorenschaltung das Kunststück, den digitalen Sound in ein analoges Lagerfeuer zu verwandeln. Mit ordentlich Schub bei den Kicks und Bässen, Präsenz und Strahlkraft im Mitteltonbereich und seidiger Natürlichkeit in den hohen Frequenzen. Man ist ob des grandiosen Klangs tatsächlich dazu geneigt, euphorische Lobgesänge anzustimmen. Beim Blick auf den Preis verschlägt es einem allerdings gleich wieder die Stimme: 3.790 UVP. Zweifellos für ein Ausnahmewerkzeug, das so umfassend und überzeugend wie kein anderer Rotary-Mixer die Brücke zwischen der analogen und digitalen Welt schlägt. Gleichzeitig verdeutlicht es einmal mehr, dass sich die Stoßrichtung von AlphaTheta von der der Schwestermarke Pioneer DJ unterscheidet. Hier wird offenbar nicht zugunsten eines bestmöglichen ROI an gewissen Stellen die zweitbeste Lösung für den Massenmarkt gewählt. Sondern mit hohem Risiko das technisch und haptisch Maximalmögliche umgesetzt. Ein Nischen-Tool, wie ein Rotary-Mixer nun mal ist, wird es mit dieser Ausstattung und zu diesem Preis unter dem Label Pioneer DJ vermutlich nie gegeben.