Thies Dry – Malerische Klänge

Aufgewachsen in Ost-Berlin, geprägt sowohl von der DDR als auch von der kulturellen Revolution nach dem Zusammenbruch ebenjener, war Thies Dry schon früh von Musik umgeben. Der Opa Kirchenmusiker, Mutter Musiklehrerin, die Loveparade kurze Zeit später vor der Tür. Er lernte verschiedene Instrumente wie Klavier und Orgel, während Berlin vom Techno-Boom erobert wurde. Nach einigen Jahren in eher konventionelleren Berufen fokussiert sich Dry nun sowohl auf seine Kunst als auch Musik – und das so ganz an der Basis. Er studierte Musiktheorie und Sounddesign. Seine Inspiration zieht der auch als Maler tätige Künstler aus seinen Illustrationen, die er passend zu seinen Releases kreiert. Auch Live-Painting-Performances für Cocoon waren Teil seines Repertoires. Nun stehen beim Berliner einige Veröffentlichungen ins Haus, darunter der Titel „Nomad“, Bestandteil des neuen Balance-Mix‘ von Hannes Bieger.

Künstlerisch austoben kann sich Dry dabei in einem Hangar auf einem alten Militärflugplatz etwas außerhalb von Berlin. Dort fing alles an, berichtet er: „Ich habe in meiner Freizeit zu DJ-Sets gemalt, ganz impulsiv und abstrakt – die meisten Bilder habe ich sogar online verkauft. Der Hangar ist wie die Scheune meines Großvaters, wo ich mich damals als Kind austoben konnte – ich kann dort vieles ausprobieren. Mit der Zeit entstand der Wunsch, selbst Musik zu produzieren.“ In den vergangenen Jahren arbeitete er nicht nur an seinen eigenen Produktionen, sondern kontinuierlich auch an seinem Live- und Hybrid-Set sowie an seinen DJ-Skills. Seinen Sound beschreibt er als „progressiven Tech-House“ und eine Mischung aus „The Prodigy, Stephan Bodzin, Maceo Plex“ sowie aus „intensiven Experimenten mit Hardware, Plug-Ins und Controllern.“ Die Basis dafür kreierte er in der Music-Production-School mit Dole & Kom, Live-Performances mit Second Storey sowie bei einem Sound-Design-Kurs im Funkhaus Berlin. „Das Malen inspiriert mich und es ist ein fließender Übergang von Staffelei zu Laptop. Im Hangar habe ich nur ein kleines Midi-Keyboard und ein paar Boxen. Zuerst kommt die Bassline und dann Chords, Hooks und Riffs. Ich nutze auch Sounds aus dem Hangar selbst. Das elektrisch betriebene 50-Tonnen-Tor ist z.B. in einem Track zu finden. Die restliche Arbeit erfolgt dann im Home-Studio. Mein Live-Ansatz auf der Bühne ist sehr minimalistisch. Ich habe eine Push 2 als Master Controller, zwei Allen & Heath K2 für Effekte und Lautstärke der Spuren und ein Kontrol A25 von NI für die Leads. Ich baue sehr komplexe Racks in Ableton, um Equipment zu sparen. Mein Interface ist das Apollo Twin X von UA und ich kann bei Bedarf noch ein bis zwei Synths anschließen.“

In Sachen Mixing arbeitet der Berliner mit Hannes Bieger zusammen, den er auch als Mentor in One-on-one-Sessions oftmals an seiner Seite hatte. Diese Kollaboration brachte ihm nun die Verewigung auf Disc 1 der aktuellen „Balance pres. Hannes Bieger“-Compilation ein: „Zu einer Mixing-Session im letzten Jahr brachte ich mehrere Songs, die mein erstes Album werden sollten. Dabei erzählte Hannes mir von der Compilation und dass er sich eines meiner Stücke gut darauf vorstellen könnte. Dann verging ein halbes Jahr und als er sich wieder meldete, hatte er ordentlich am Sound geschraubt. Das Album habe ich jetzt auf mehrere Releases aufgeteilt und ,Nomad‘ ist der erste davon.“ Die nächste EP von Thies Dry erscheint am 16. Juni auf dem Berliner Label Deep Tales, darüber hinaus arbeitet er an einer regelmäßigen Newcomer-Night, einer Ausstellung inklusive Live-Set zu seinen Stücken sowie an einem neuen Live-Act mit zwei weiteren Musikern: „Außerdem beschäftige ich mich intensiv mit NFTs und plane einen Drop, der meine Kunst und meinen Sound vereint.“

Aus dem FAZEmag 123/05.22
Text: Lisa Bonn
www.instagram.com/thiesdry