Trotz aller Umstände, die nicht nur die Musik- und Veranstaltungswirtschaft, sondern nach wie vor den gesamten Globus beeinträchtigen, ist das Jahr 2021 für Techno-Head Thomas Hoffknecht ein außerordentlich gutes gewesen. Ein Grund dafür war unter anderem seine von Kritiker*innen durchweg gefeierte EP „Antaris“ auf Drumcode, wo er nach den beiden Tracks „Code 1“ und „Escaping“ in 2020 seine erste Solo-EP bei Adam Beyer zelebrierte. Aber auch seine „Refuse Mutation“-EP im Juli auf dem eigenen Label #STRGHT sorgte für einen weiteren Meilenstein in seiner Diskografie. Nun kündigte der Hamburger seine EP „Connection 1“ an, auf der er für jeweils einen Titel mit Künstler*innen wie Pan-Pot, Juliet Fox, Mark Broom und Jeroen Search kollaborierte. Das Werk erscheint am 20. Dezember, ebenfalls auf seinem eigenen Imprint.
Thomas, deine Liebe zu deiner Heimatstadt ist groß – dies wird mitunter auf deinen sozialen Kanälen immer wieder klar. Wie sehr hat Hamburg dich, aber auch deine Musik beeinflusst?
Mit knackigen 14 Jahren habe ich das DJing im Jugendclub „Alter Teichweg“ angefangen zu lernen. Herzlichste Grüße an dieser Stelle an Andy. Auflegen mit 15 Jahren aufm Kiez aka Reeperbahn und danach die ersten Cluberfahrungen haben mich früh in die Clubwelt bzw. Feierszene katapultiert, Techno-Parties im TUNNEL und Frühclubs inbegriffen. Ich habe vieles aus meiner Stadt mitgenommen, sowohl die Mentalität als auch das Feiern und verschiedene Feierkulturen. Das prägt mit Sicherheit, ja.
Anfang dieses Jahres durften wir vermelden: „Thomas Hoffknecht veröffentlicht erste Drumcode-EP“. Wie blickst du persönlich auf deine aktuelle Diskografie, deren Labels immer renommierter werden?
Absolut geil, würde ich sagen. Wahnsinn, dass ich auf so vielen guten Labels meine Musik veröffentlichen darf und dass so viele etablierte Künstler*innen ihr Vertrauen in mich und meine Produktion legen. Es geht ja noch weiter, das finde ich auf jeden Fall sehr spannend.
Wie beurteilst du die Feedbacks zu „Antaris“ bis dato? Inspiriert wurde die EP ja durch Besuche im Hamburger Planetarium.
Das Feedback war durch die Bank weg mega. So viel gutes Feedback und Kommentare. Ich finde es schön, so viele Leute mit der Musik abzuholen und ihnen damit eine Freude zu machen. Umso schöner ist es dann auch, so etwas auf einem Label wie Drumcode machen zu dürfen, das natürlich ein sehr hohes Standing hat. Mach einfach deine Augen zu, bei allen Tracks dieser EP, und du wirst verstehen, was ich meine (lacht).
Mitte des Jahres wurdest du von Pan-Pot zu einem Stream nach Berlin eingeladen, wo ihr b2b gespielt habt. Nun erscheint mit „Crawler“ eine Kollaboration.
Der Stream war mal superlustig, vor allem, weil ich eigentlich nicht so der b2b-Fan bin. Aber mit den beiden hat es Mega-Laune gemacht. Die Jungs sind unglaublich cool und wir verstehen uns ziemlich gut, auch auf menschlicher Ebene. Was hätte also dagegen gesprochen, es auch einmal auf musikalischer Ebene auszuprobieren. Hammerhart, dass sie auch in Sachen EP sofort zugesagt und Bock drauf hatten. Ich habe angefangen und die Files dann an die Jungs geschickt, die haben dann daran gearbeitet und es wieder zurückgeschickt, das Ganze ging dann ein paar Mal hin und her. Zwischendurch waren wir fertig, aber durch weiteres Jammen entstand eine neue Idee, die dann sofort umgesetzt wurde. Pingpong, ding dong und zack, war das Ding im Kasten!
Der erste Track der EP ist eine Kollaboration mit der australischen DJ und Sängerin Juliet Fox und trägt den Titel „Time’s Running Out“. Ein recht dunkler und treibender Track.
Juliet hat mich mit ihren Tracks „6am“ und „Click the Bottom“ geflasht. Sie hat ein tolles Gespür für Gesang und ihre Stimme ist wunderbar auf den Punkt. Ich persönlich arbeite sehr gerne mit ihr zusammen und wenn ich an eine Künstlerin mit Gesang denke, ist sie die erste, die mir einfällt. Sie wusste, was sie wollte, ich wusste, was ich wollte, und am Ende war die Zusammenarbeit eine Eins plus.
Ebenfalls dabei sind Acts wie Mark Broom und Jeroen Search.
Für mich ist Mark eine lebende Legende mit einem unverwechselbaren Stil und Groove. Meine ersten Techno-Schritte wurden von seinem Sound begleitet. Ich verstehe mich sehr gut mit ihm und in meinen Augen ist er ein DJ durch und durch, dessen Produktionen absolute Geniestreiche sind. Hut ab vor ihm, dass er die Kollabo mit mir durchgezogen hat. Die Produktion war ziemlich schnell erledigt, weil wir beide genau wussten, in welche Richtung es gehen sollte. Jeroen ist einer meiner Lieblingsproduzenten und Liveacts. Ich habe seine Art des Produzierens immer bewundert. Wenn es um Live-Aufnahmen on the fly geht, ist er einzigartig. Ich bin superglücklich, dass ich ihn dazu bringen konnte, eine Kollabo mit mir zu wagen. Ich war sofort zufrieden damit. Ein One-Taker!
Was hat dich im Studio bei dieser EP besonders beeinflusst?
Beeinflusst hat mich die Idee, in jedem Track den Hoffknecht raushängen zulassen (lacht). Aber auch sofort raushören zu können, mit wem ich die Kollaborationen gemacht habe, ohne mich von dem jeweiligen Artist beeinflussen zulassen. Das hat wunderbar geklappt und das Ergebnis ist sensationell.
Wie hat sich deine Studioarbeit generell entwickelt, was sind deine aktuellen Favorites in Sachen Soft- und Hardware?
Naja, vom Workflow her hat sich nicht viel geändert, ich stehe zwischen fünf und sechs Uhr auf, gehe pinkeln, wasche mir mein Gesicht und setze mich direkt ins Studio. Ohne irgendwelche Einflüsse aus dem Alltag oder besser gesagt: Bevor die Dinge des Alltags durch meinen Kopf knattern, kommt zuerst die Musik, und damit fahre ich am besten. Ich bin momentan, was VST angeht, superangetan vom Arturia Buchla Easel und der Dune 3 Hardware. Nix geht ohne meine Roland TR-8S und den Pioneer Toraiz SP-16. Beide zusammen in Kombination sind einfach poww, Digga. POWW! Der Moog Sub 37 ist auch super, aber darin verliere ich mich mehr, als dass ich etwas Produktives rauszaubere.
Mit #STRGHT führst du dein eigenes Baby, das neben seiner Funktion als herkömmliches Label z.B. auch als Shop dient für Samplepacks oder Masterclasses. Erzähle uns etwas zu Vergangenheit, Gegenwart und geplanter Zukunft der Plattform.
Bezüglich Vergangenheit: #STRGHT war dafür gedacht, meine eigene Produktion frei zu releasen und meine favorisierten Artists ebenso darauf zu bringen, sei es nun als Originaltrack oder als Mutation, wie ein Remix meiner Produktionen. Es ehrt mich, dass so viele Top-Acts auf #STRGHT releast haben, darunter Truncate, Thomas Schumacher, Mark Broom, Jeroen Search und Co. Zum Sampleshop – ich produziere allgemein sehr viel, und wenn ich mal keine Ideen habe, bastle ich mir meine eigenen Loops und sample, was das Zeug hält. In den Jahren hat sich jede Menge angesammelt. Im Endeffekt so viel, dass ich eigentlich nicht alles für mich verbrauchen kann. Also kam ich auf die Idee, die Sachen unter die Leute zu bringen, denn bekanntlich heißt es ja „sharing is caring“. Ich finde es superklasse, was andere Künstler*innen aus den Loops und Samples basteln und kreieren. Ob es nun ein UMEK ist, der meine Samplepacks benutzt, oder ein Hobby-Musiker. Jedes Ergebnis freut mich immer wieder aufs Neue. Weitere Samplepacks sind in Arbeit. Wie schon gesagt habe ich jede Menge Ahnung und Erfahrung, was das Auflegen angeht; was Leute in den Clubs zum Schwitzen, Weinen oder zum Abhauen von der Tanzfläche bringt. Wie man einen Track arrangieren sollte, sodass der Kollege DJ deine Platte spielt, weiß ich auch. Auch hier bin ich dafür, den Leuten etwas beizubringen oder deren Wissen zu ergänzen, wie ich persönlich meine Tracks produziere und wie ich das alles angehe. Daher ist auch die Masterclass, die superlustig war und online zur Verfügung gestellt wurde, im Shop erhältlich. Weitere Masterclasses sind schon geplant, mit Pioneer DJ und auch mit der SAE. Stay tuned.
Du bist wahnsinnig breit aufgestellt als Künstler. Wie wichtig bzw. als wie unabdingbar schätzt du dies heutzutage ein?
Jeder und jede so, wie er kann und wie er möchte, finde ich. Ich denke, das macht eine*n Künstler*in zu dem, was er oder sie ist oder wie er sich präsentieren möchte. Ob das am Ende eine wichtige Rolle spielt? Kann ich dir nicht sagen. Letztendlich entscheiden immer noch die Leute da draußen, ob sie dich feiern oder nicht. Ich mache das, was mir am meisten Spaß macht. Und das ist halt Musik in allen Formen.
Deine Social-Media-Kanäle sind großartig gefüllt – sowohl mit Humor, Inhalt als auch Facts und Insights. Wie leicht oder schwer fällt dir dieser Aspekt des Jobs?
Manchmal ist es supernervig und fühlt sich auch mal falsch an. Aber im Großen und Ganzen habe ich Spaß daran, sonst würde ich mich ja permanent verstellen. Ob es nun aus meinem Privatleben ist, Studio oder Sport. Ich find’s cool, mein Leben und manche Situationen mit meinen Follower*innen zu teilen.
Deine Sets sind weitaus mehr als nur 08/15-DJ-Sets. Vielmehr verschmilzt du mit deinen vier Decks, Samplern und deiner Drummachine. Du selbst nennst es „Remix On The Fly“. Pioneer dient dir dazu als Basis. Wie sehr hat sich dein Auftritt im Laufe der Jahre entwickelt aufgrund technischer Neuheiten? Was beeindruckt dich an diesen Möglichkeiten besonders?
Es geht mir dabei immer um die Horizont-Erweiterung der Möglichkeiten beim Auflegen. Vier Decks plus Sampler plus Drummachine und der richtige Mixer – und es eröffnen sich Möglichkeiten für Ideen und deren Umsetzung während des Sets. Ich feiere das sowas von, dass ich mich immer mehr austoben und immer einen draufpacken kann in meinen Sets. Dieses mit zwei CDJs und einem Mixer Auflegen flasht mich absolut nicht mehr bzw. hatte ich so in der Form auch noch gar nicht. Ich will mein eigenes Ding machen in meinen Sets; die Ideen, die mir währenddessen kommen, intuitiv umsetzen.
Was steht für die kommenden Wochen und Monate an – sowohl beruflich als auch privat?
Es steht so einiges an, wo soll ich anfangen? Eine Masterclass zusammen mit Pioneer DJ, wie bereits erwähnt. Außerdem mein Debüt auf CLR von Chris Liebing. Das nächste Release auf Drumocde und auf #STRGHT. Wunderbare Shows in Ungarn, Spanien, Deutschland und Co. Wunderbare Zeiten mit der Familie, und Sport! Und natürlich wunderbare Zeiten im Studio, mit vielen neuen Tracks, die die Dancefloors aufwirbeln werden.
Aus dem FAZEmag 118/12.21
Text: Triple P
Credit: Joanna Witek
instagram.com/thomas_hoffknecht