
Mit seinem einzigartigen Zusammenspiel aus Klang, Raum und Narration hat sich das Electronic-Trio TOURING einen festen Platz in der Schnittmenge von Musik, Film und Performance-Kunst erarbeitet. Nachdem man bei der ersten Live-Show bereits mit „Thermal“ im Deutschen Museum für ein spektakuläres Erlebnis gesorgt hatte, laden die beiden Musiker Matthias Hauck und Nepomuk Heller gemeinsam mit Regisseur Marko Roth nun zur nächsten audiovisuellen Liveshow in die Münchner Philharmonie ein. Im Interview sprechen Marko Roth und Matthias Hauck über ihre Konstellation, die kreativen Prozesse hinter dem Projekt und mehr.
Erzählt uns etwas über eure Zusammensetzung. Wie habt ihr zueinander gefunden?
Marko: Wir haben uns über ein gemeinsames Filmprojekt kennengelernt – ich bin Filmregisseur, Matthias und Nepomuk sind Musikproduzenten. Eine eher ungewöhnliche Kombination, die aber genau das Potenzial hatte, etwas Eigenes entstehen zu lassen.
Bei der Arbeit an der Filmmusik hat sich schnell gezeigt, dass wir musikalisch auf einer Wellenlänge sind. Während des Lockdowns hatten wir plötzlich Zeit und haben angefangen, im Studio zu experimentieren – anfangs ohne Plan, aus reiner Neugier. Daraus ist immer mehr elektronische Musik entstanden. Irgendwann war klar: Das muss raus. So ist TOURING entstanden.
Unsere unterschiedlichen Backgrounds prägen auch unsere Live-Shows. Ich denke oft in Szenen, versuche visuell und dramaturgisch zu erzählen – während die Jungs mit viel Detailverliebtheit an Sounds und Beats arbeiten. Diese Fusion aus Film und Musik ist inzwischen unser Signature.
Bei eurer letzten Inszenierung im Deutschen Museum habt ihr mit Wärmebildkameras gearbeitet und die Energie des Publikums in Echtzeit auf die Kuppel des Planetariums projiziert. Was können wir diesmal erwarten?
Marko: Wir passen unsere Shows immer an die Location an, in der wir spielen – das ist uns super wichtig. Im Planetarium zum Beispiel haben wir unsere Live-A/V-Show THERMAL aufgeführt, weil wir dort diese riesige Kuppel als Projektionsfläche nutzen konnten. Das Publikum lag auf dem Boden und hat in die Kuppel geschaut, während wir gespielt haben – das war schon ein ziemlich einzigartiges Setup.
Für die Show in der Philharmonie haben wir uns entschieden, den Fokus stärker auf Sound und Licht zu legen. In so einem Raum geht’s einfach um Akustik, um den Klang – und für uns war klar: Wir wollen diesen beeindruckenden, klassischen Saal komplett in unsere Show integrieren. So viel sei verraten: Diesmal wird niemand liegen – und auch nicht sitzen.
Bei der ersten Begehung des Saals haben wir zusammen mit den Lichtkünstlern von LICHTGESTALTEN ein ziemlich außergewöhnliches Konzept entwickelt. (Ich will hier noch nicht zu viel spoilern) Aber was ich sagen kann: Es wird wieder ein visuelles Erlebnis – diesmal allerdings mit noch mehr Energie. Ein spannender Kontrast aus moderner Konzertsaal-Architektur und elektronischen Club-Sounds, mit einer komplett neuen Interpretation des Raumes.
Mit welcher Technik und welchem Gear arbeitet ihr?
Matthias: Unsere Show ist von der Grundstruktur wie ein hybrides DJ-Set aufgebaut. Zentrale Steuerung läuft über Ableton und einen Allen & Heath Xone Mixer. Synths wie Moog, MFB, Bass Station und Controller (Monogram, Faderfox, Push) liefern die Sounds. Marko spielt viele atmosphärische Elemente und Samples live ein, Nepomuk ergänzt mit einem ausgefeiltes Pedalboard für Effekte.
Spannend wird’s an der Schnittstelle zwischen Sound und Licht: Das komplette Audio-Setup ist via MIDI mit dem visuellen System verbunden. So steuern wir in ausgewählten Momenten die Lichtstimmungen direkt über unsere Controller. Die Visuals entstehen mit TouchDesigner und eigens entwickelten Interfaces der Lichtcrew – das macht jede Show einzigartig.
Die Kombination von Technologie und menschlichen Emotionen ist zuletzt ein immer wiederkehrendes Thema im Bereich immersiver Live-Shows. Was macht euren Ansatz eurer Meinung nach unique?
Matthias: Bei THERMAL war die Verbindung von Technologie und Emotion nicht nur ein Element, sondern der Ausgangspunkt: Über Wärmebildkameras haben wir die Körperwärme des Publikums in Echtzeit visualisiert. Das hat ihre Präsenz und Energie im Raum sichtbar gemacht – und damit eine emotionale Rückkopplung zwischen Bühne und Zuschauer:innen geschaffen. Das Publikum ist bei uns nicht nur Beobachter, sondern wird Teil der Inszenierung – visuell, akustisch, dramaturgisch.
Für die Philharmonie gehen wir einen anderen Weg: Hier nutzen wir den Raum selbst als Akteur. Die Architektur, das Volumen, das Holz – all das fließt ins Lichtdesign ein. Wir wollen den Saal nicht nur bespielen, sondern in Szene setzen, als wäre er Teil der Komposition.
Hat das Ganze auch einen kritischen Hintergedanken oder geht es lediglich um den technologischen (Show-)Aspekt?
Matthias: Natürlich sind wir sehr technikaffin und haben Spaß daran, unsere Ideen praktisch umzusetzen, aber der technologische Aspekt ist für uns nie Selbstzweck oder bloßer Show-Effekt.
Wir versuchen, einen Raum zu schaffen, in dem Technologie hilft, emotionale Tiefe sichtbar zu machen – ein Raum für Ehrlichkeit, Verletzlichkeit und Verbindung. Gerade in einer Zeit, in der wir oft digital voneinander getrennt sind, suchen wir nach Wegen, wie Technik das Menschliche nicht überlagert, sondern einbeziehen kann. Das kann berühren, aber auch herausfordern.
Und vielleicht liegt genau darin für uns der kritische Kern: Wie gehen wir mit dieser Sichtbarkeit um? Was passiert, wenn Technologie uns nicht nur vernetzt, sondern uns auch zeigt, wie wir fühlen?
Wie geht es bei euch weiter? Stehen Releases und weitere Shows an?
Matthias: Wir sind aktuell in Gesprächen, um unsere Live-Show auch außerhalb Münchens zu zeigen. Die positive Resonanz auf THERMAL und die ausgebuchte Premiere in der Philharmonie motivieren uns, den Dialog zwischen Raum, Klang und Licht weiter zu erforschen – und an neuen Orten umzusetzen.
Musikalisch geht’s ebenfalls weiter: Einige Tracks sind bereits fast fertig produziert, andere entstehen gerade erst. Wir arbeiten kontinuierlich an neuem Material und denken dabei immer auch im Zusammenhang mit Raum, Performance und Inszenierung.
Die Live-Show von Touring findet am 11. Münchener Philharmonie statt und ist bereits ausverkauft. Über die Warteliste erhaltet jedoch Zugang zur Warteliste und die Möglichkeit, zwei Gästelisteplätze zu gewinnen.
Beitragsbild: Lisa Ngyuen
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