Track-Check: Booka Shade – Mandarine Girl (Get Physical Music)

Zusammen mit M.A.N.D.Y., Peter Hayo und DJ.T gründeten Books Shade 2002 das Label Get Physical Music, auf dem sie große Erfolge feierten, u. a. mit den Tracks „Body Language“, einer Kooperation mit M.A.N.D.Y., und „Mandarine Girl“. 2013 starteten sie ihr neues Label Blaufield, auf dem sie u. a. ihre letzten beiden Alben „Galvany Street“ (2017) und „Cut The Strings“ (2018) veröffentlicht haben. Am 20. September erscheint ihre neue Single „Torch/The Highs Are Higher“.

 

Könnt ihr euch noch an den Vibe erinnern, als ihr den Track veröffentlicht habt?

Der Song entstand 2005, damals war unser – mit DJ T. und M.A.N.D.Y gegründetes – Label Get Physical in full swing. Alles, was wir damals veröffentlichten, wurde zum Erfolg und T. und die M.A.N.D.Y.s kamen voll euphorisiert von ihren Gigs zurück. Wir waren damals die Produzenten der Tracks im Studio und wollten dieses Erlebnis auch teilen, was schließlich dazu führte, dass wir anfingen, live aufzutreten. Die Stimmung war euphorisch, gemischt mit einer „Wir gegen den Rest der Welt“-Einstellung und jeder Menge positiven Vibes. Wir werden nie vergessen, wie wir den Track zum ersten Mal in der Fabric in London gespielt haben – ein magischer Moment.

Die Drums enthalten altbekannte, klassische Sound-Elemente, die jedoch sehr frisch klingen. Wie habt ihr eure Drums einzeln und in der Gruppe bearbeitet und woher stammen sie?

Einige der Drum-Sounds sind von alten Platten aus der Sammlung von DJ T. und den M.A.N.D.Y-Jungs. Der Song war sehr beeinflusst von den sehr noisigen und superfresh klingenden Tracks von James Holden. Unser Gesetz im Studio war, keine Delays mehr und nur wenig Reverb nutzen, da wir das Gefühl hatten, dass das im Club alles nur zusuppt – keep it simple! Kraftwerk war da natürlich auch mal wieder ein großer Einfluss. Die Noise-Hihat kommt aus dem Arturia Minimoog und der Clap ist, glaube ich, sogar von James Holden gesamplet. Thank you James!

Schon im Intro hört man ein Ambient-artiges, flächiges Pattern. Wie habt ihr dieses gestaltet?

Das ist ein sequenzierter Orgelsound eines kostenloses Plug-ins einer Firma, die es nicht mehr gibt und an deren Namen ich mich nicht mehr erinnern kann. Wir haben damals viel mit Noise-Fahnen gearbeitet, um die Sounds interessant, charaktervoll und lebendig zu gestalten.

Der melodiöse Lead-Synth klingt sehr crisp und rau in den Höhen, wie habt ihr diesen Effekt erreicht?

So weit ich mich erinnern kann, ist der Lead-Sound eine Mischung aus einem kostenlosen Download-Synth des englischen Synt-Magazins „Computer Music“ und einem Noise-Flute-Sound aus dem Albino von Linplug. Mit dem Sound und Riff haben wir dann endlos rumgespielt. Zerschnitten, rückwärts abgespielt, langsam Verzerrung einfadet und gleichzeitig den Noise-Anteil erhöht etc. – weshalb es auch sechs Wochen gedauert hat, bis die Produktion abgeschlossen war. Damals war die Plug-in-Welt noch recht jung und es gab noch nicht so viele Möglichkeiten wie heute. Eigentlich auch ein Vorteil.

Welches Equipment stand im Fokus bei dieser Produktion? Würdet ihr diesen Track mit der heutigen Technik anders angehen?

Ich frage mich manchmal selbst, wie wir manche Dinge an dem Track gemacht haben. Wir würden nichts anders machen. Durch die Detailverliebtheit wirkt der Track nie statisch oder langweilig, der Riff hat auch heute noch eine euphorisierende Wirkung und war Vorlage für viele Riff-orientierte Dancehits der folgenden Jahre. Einzig der Bassanteil wäre heute um einiges höher. Wir hatten damals die Soundästhetik der Italo- und Disco-Hits der 80er-Jahre und auch der ersten Chicken-Lips-Veröffentlichungen im Kopf. Das klang für uns alles unheimlich frisch nach all dem jahrelangen und sehr vorhersehbaren Techno-Minimal-Gedudel der frühen 2000er. Wir waren anscheinend nicht die einzigen, die das so gesehen haben. Von der „Mandarine EP“ wurden letztendlich über 25 000 Vinyl-Einheiten (!) verkauft.

Booka Shade stehen für viele für einen sehr eigenen Sound, den ihr geprägt habt. Wie entsteht dieser klangliche rote Faden bei der Komposition. Gibt es eigene Presets, ähnliche Tools oder bestimmte Effektketten, die ihr immer nutzt?

Ich glaube nicht, dass man unseren Sound an gewissen technischen Geräten festmachen kann, es ist einfach eher die Art, wie wir mit Harmonien umgehen und Grooves erzeugen. Es ist immer die Mischung aus ein wenig organischen Sounds, Techno-Elementen, einfachen aber groovigen Beats und von den 80ern und 90ern beeinflussten Harmonien und Basslines.

Das Arrangement begeistert mit vielen kleine Details und Breaks. Geht ihr sehr Loop-basiert an solch einen Track oder doch eher wie ein Songwriter?

Wir hatten uns damals überlegt, wie wir wohl die Euphorie der Techno-Trance-Anthems der early 90ies in ein neues Gewand verpacken könnten. James Holden brachte uns dann auf die Idee, wie wir es machen könnten. Nicht alles zusuppen mit Delays und Pads, sondern eher minimal und mit vielen Cuts, Reverse-Tricks, Noise und softer Distortion den Track interessant gestalten – auch das Versetzen des Main-Riffs in den Off-Beat war ein Trick, der bis heute seine Wirkung nicht verloren hat. Wir haben den Track eher wie ein Puzzle zusammengesetzt, als in einer Live-Session komponiert. Typisch für die damalige Zeit durch das aufkommen der Plug-ins und dem Produzieren nur am Computer.

 

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