Track-Check: Carlos Nilmmns – Heebie Jeebies (Ornaments, 2017)

Im neuesten Track-Check befassen wir uns mit „Heebie Jeebies“ von DJ und Produzent Ross McMillan alias Carlos Nilmmns. Der Brite steht für einen eklektischen, aber gleichermaßen auch sehr deepen und sinnlichen Sound, der maßgeblich von den Traditionen Chicagos und Detroits geprägt ist. Wir haben mit Carlos über die Entstehung von „Heebie Jeebies“ und seine Produktions-Techniken gesprochen. 

Vorneweg: Dein Track startet sehr minimalistisch, entwickelt sich aber kontinuierlich in Richtung Peaktime. Wie hast du „Heebie Jeebies“ komponiert und arrangiert? 

Ich beginne meine Musik immer mit einer Kick-Drum. Dann folgen Groove und Bassline und als letztes die Synths und Effekte. Alles, was ich nach der Kick-Drum mache, spiele ich manuell und ohne Metronom. Bei „Heebie Jeebies“ ging das sehr schnell: Das Arrangement wurde fast wie eine Live-Aufnahme recordet, wobei ich live arrangierte und die Basslinie manuell filterte. Ich versuche, immer den ersten Take zu verwenden, da er am besten die Energie einfängt. 

Die rollende Bassline ist eine tragende Säule des Tracks. Wie hast du diesen Sound kreiert?

Der Sound stammt von der skurrilen Roland MC-307. Ich hatte eine ungefähre Vorstellung davon, dass ich diesen speziellen Bassline-Sound in meiner alten Maschine finden würde. Fast alle Sounds des Geräts müssen mit anständigen Effekten und Mastering-Plugins bearbeitet werden, um sie nach heutigen Maßstäben annähernd akzeptabel zu machen. 

Abgesehen von den klassischen Techno-Sounds finden wir auch einige gewöhnungsbedürftige Delay-Vocal-Cuts. Welche Quelle nutzt du für solche Sounds? Sampelst du viel?

Ich glaube, bei der Vocal-Aufnahme handelt es sich um ein altes Tape-Delay. Ich erinnere mich, dass ich nach dieser speziellen Art von Gesangston und Stimme gesucht habe; ähnlich wie die dubbigen Vocals in „I Karumba“ von Slam & Freelance Science. Bezüglich des Samplings: Ich es bevorzuge es, meine eigenen Aufnahmen und Performances zu resamplen. Es macht mir Spaß, Akkorde zu spielen, die ich ein wenig bearbeite, und mir meine eigenen zerhackten Drumloops auszudenken, die ich dann immer wieder resample. Manchmal sammele ich auch einzelne Sounds und Texturen von Vinyl oder anderswo, wenn ich mit meinen eigenen Synthesizern nicht den richtigen Sound hinbekomme.

Es gibt einige schöne Variationen bei den Drums. Besonders die Clap ist unvorhersehbar. Wie gehst du bei der Programmierung von Drums vor? 

Ich spiele die Drums meist manuell in eine DAW ohne Metronom ein. Ich habe das Gefühl, dass ein menschlicher Anschlag die Drumhits und Noten oft ein wenig mehr anschieben oder ziehen kann. Ich benutze meinen alten DX7 (als Midi-Keyboard) für präzisere, ausdrucksstarke Eingaben und meine MPC/MPD für eine groovigere Ausführung.

Wie kreierst du Effekte wie beispielsweise den Noise Riser? 

Für den Track habe ich einige Effekte aus der MC-307 und einem Novation-Xio-Synthesizer verwendet. Die Effekte für das weiße Rauschen stammen von der MC-307, die mit zusätzlichen Plugin-Effekten leicht gefiltert wurden. Andere Riser stammen von ausgehaltenen Akkorden, bei denen der Filter und der LFO des Geräts verwendet wurden. Die moderner klingenden Riser-Akkorde stammen vom Xio.

Welche Rolle spielt Hardware in deinem Setup?

Früher habe ich fast ausschließlich mit meiner Groovebox gearbeitet, aber das hat sich im Laufe der Jahre geändert. Ich versuche nicht, die neuesten Geräte zu kaufen, aber ich habe ein paar der Maschinen, die ich früher hatte, wieder zurückbekommen: die 303, die 909 und den Juno von Roland Boutique. Heute habe ich immer noch viele klassische Detroit-Synthesizer, darunter einige echte Oldschool-Geräte. Ich bin der festen Überzeugung, dass eine begrenzte Anzahl von Geräten der Arbeit eines/einer Künstler*in oft Charakter, Persönlichkeit und Charme verleihen kann. Weniger ist eben doch manchmal mehr. 

Wenn du klassische Techno-Sounds wie mit der TR-808 erzeugst: Welchen Ansatz wählst du beim Mixing, um zeitgemäß zu bleiben? 

Für mich geht es primär um das Gefühl und den Vibe und nicht so sehr darum, welches Instrument ich in meinem Studio verwende. Ich habe die letzten 25 Jahre damit verbracht, Platten zu kaufen und meine Musiksammlung aufzubauen, sodass ich eine Weile gebraucht habe, um zu verstehen, welche Geräte ich für eine bestimmte Aufgabe brauche. Der Akkordspeicher meines alten Chord Poly 800 unterscheidet sich zum Beispiel von dem jeder anderen Hardware oder Software, die ich je benutzt habe. Ich kann es nur so beschreiben, dass es sich anhört, als würde er die Sample-Rate reduzieren oder so etwas, was den Sound rauer und klassischer nach Detroit House klingen lässt, obwohl er nur ein Midi-Chord-Memory-Befehlssignal an die Stelle sendet, von der der Sound kommt. Es sind kleine Tricks wie dieser, die diesen modernen Sound ausmachen.

Aus dem FAZEmag 115/09.21
Text: Milan Trame
www.soundcloud.com/carlosnilmmns