Track-Check: Coldcut ft. Robert Owens – Walk A Mile In My Shoes/Henrik Schwarz Remix (Ninja Tune, 2006)

Track-Check: Coldcut ft. Robert Owens – Walk A Mile In My Shoes/Henrik Schwarz Remix (Ninja Tune, 2006)

Mit ihrer Version des Joe-South-Klassikers „Walk A Mile In My Shoes“ schufen Coldcut und Robert Ownes vor 17 Jahren einen Track für die Ewigkeit. Begleitet wurde das Release im Jahr 2006 von einem Remix des deutschen Künstlers Henrik Schwarz, dessen Karriere zu jener Zeit an Fahrt aufnahm. Wir haben mit ihm über das legendäre Stück gesprochen.

Henrik, was hast du gefühlt, als du das erste Mal den Originaltrack gehört hast? Was wolltest du ändern, als du die Remix-Anfrage bekommen hast?

Der Song stammt von zwei meiner ganz großen Helden, Coldcut und Robert Owens. Und dann auch noch Ninja Tune als Label. Wow! Ich fand den Track schon immer super. Die Originalversion wurde ja 1970 von Joe South geschrieben und unter anderem auch von Elvis Presley gesungen. Coldcut hatten daraus dann etwas völlig Neues gemacht und den Song in die Moderne geholt. Als ich die Anfrage bekam, wusste ich sofort, wie ich an die Sache herangehen wollte. Die Vocals und das Streichermotiv sollten als Kern erhalten bleiben und durch zusätzliche Facetten ergänzt werden. Damals habe ich noch sehr lange gebraucht, um mir über die Noten und Harmonien klar zu werden. Ich hatte ja von Musiktheorie zu der Zeit noch keine Ahnung. Das hat mich viel Zeit gekostet.

Ein wesentlicher Unterschied zum Original ist die orchestrale Ausarbeitung mit vielen zusätzlichen Instrumenten wie dem Balafons-Solo. Wie gehst du an solche Recordings von echten Instrumenten heran? Wie verständigst du dich als Elektronik-Künstler mit klassischen Musiker*innen? Sammelst du hier zuerst Takes und editierst im Anschluss oder weiß du immer sofort, wo alles seinen Platz hat?

Zu der Zeit kam ich gerade aus Chicago, wo ich eine Woche mit dem Ethnic Heritage Jazz Ensemble gespielt hatte. Das war zum ersten Mal, dass ich überhaupt mit echten Musiker*innen mit echten Instrumenten live gespielt hatte und im Studio war. Diese Unerfahrenheit hat den Remix sehr beeinflusst – in einer frischen, positiven Art und Weise! Die Sounds für den Remix kamen alle aus dem Sampler. Das Balafon und die Kalimba sind, glaube ich, Kontakt-Instrumente, die Strings waren eine spezielle String-Library. Das habe ich einfach Spur für Spur gespielt, ohne irgendeine Ahnung von Harmonien zu haben. Im Anschluss habe ich viel editiert und mit MIDI die Dynamik der einzelnen Elemente bearbeitet. Selber aufgenommen habe ich nur eine Art Beatbox, die man leise hört. Das Recording ist mit einer großen Trommel und einer Bierflasche auf dem Fußboden entstanden. Beim Kontakt mit klassischen Musikern ist ein gemeinsames Verständnis sehr wichtig. Es macht Sinn, Noten und eine visuelle Anzeige mit Bars und Beats zu haben. Ein großes Problem ist aber das Tempo, das in der Klassik sehr variabel ist. In der elektronischen Musik hat man ja meist eine konstante BPM.

Ganz subtil, aber doch entscheidend sind die detailverliebten Shaker. Was ist dein Rezept für gute Shaker-Recordings und welche Objekte benutzt du als Shaker?

Ich benutze alles, was mir über den Weg läuft. Damals habe ich häufig mit den ganz kleinen Lavalier-4060-Micros von DPA gearbeitet. Sie klingen fantastisch. Wenn ich in einem Percussion-Geschäft bin, klopfe ich überall mal drauf und höre mir an, was mir gefällt. Besonders bei Klanghölzern und Shakern muss man genau hinhören und solche mit ausgewogenem Klang aussuchen.

Wir müssen auch über die wabernde Rhodes-Basslinie und den Sub-Bass des Intros reden. Wie sind die beiden Komponenten entstanden?

Ich mag Basslines. Die fallen mir oft als Erstes ein und sind das, worum sich bei mir alles dreht. Wenn ich mich richtig erinnere, habe ich die mit Massive eingespielt. Erst suche ich eine gute Line am Klavier und dann spiele ich sie mit verschiedenen Synths und Sounds und sehe, was am besten passt, verdrehe die Filter und Hüllkurven etc. Der subtile Bass am Anfang ist, glaube ich, das sehr tief spielende Balafon oder vielleicht auch die gefilterte Beatbox.

Was ist der Unterschied beim Mixen von akustischen Instrumenten im Gegensatz zu einem rein synthetischen Sound?

Akustische Instrumente sind menschlich, komplex, unperfekt, körperlich und immer bezogen auf den Raum, in dem sie spielen. Die elektronischen sind artifiziell, maschinenartig, sehr präzise, kristallklar, larger than life. Zwischen der absoluten Perfektion der Synths und der Beinahe-Perfektion der akustischen Instrumente entsteht eine winzige Lücke. Die ist sehr interessant, weil hier das Menschliche sichtbar wird.

Bock auf eine Runde Nostalgie? Hört mal rein in den Klassiker:

Aus dem FAZEmag 135/05.2023
www.henrikschwarz.com