Track-Check: Egoexpress — Knartz IV (Ladomat 2000, 2005)

Foto: Katja Ruge

Mit „Knartz IV“ landete das Hamburger Duo Egoexpress – das sind Mense Reents und Jimi Siebels –  im Jahr 2005 einen seiner größten Hits. Die 1995 gegründete Formation kommt ursprünglich aus dem Indie-Umfeld und entwickelte schon früh eine rockige Klangästhetik, die sie in Einklang mit verspielten Electronic-Projekten brachte. Egoexpress gelten heute als Wegbereiter des Electroclash. Wir haben mit Mense Reents über die Entstehung von „Knartz IV“ gesprochen.

Wir müssen über die genialen Sprachschnipsel am Anfang sprechen. Wo kommt die erste Aufnahme her, die sagt: „Sind das Laptops oder PCs, mit denen sie hier live spielen?“
Während der Aufnahmen zu unserem dritten Album hatte ich mir ein altes Diktaphon gekauft. An einem Samstagabend bin ich damit durch St. Pauli gezogen und habe – man könnte sagen – Field Recordings gemacht. Ich war bei einer Ausstellungseröffnung in einer kleinen Galerie, habe einen Bluesgitarristen auf der Reeperbahn aufgenommen und später am Abend ging ich in die Tanzhalle, einen kleinen Houseclub in der Nähe des Hans-Albers-Platzes. Dort spielten Errorsmith aus Berlin. Der Satz wurde in den frühen Morgenstunden aufgenommen und stammt von Cosmic DJ, den man auch von International Pony und Fischmob kennt.

Das zweite Sample ist ein absoluter Klassiker, der aber das erste Mal in „Knartz IV“ aufgetaucht ist. Woher kommt „Oh my god, it’s techno music“?
Der Satz ist von mir, aber mir war nicht klar, dass er auch in anderen Tracks benutzt wurde. Während des Errorsmith-Konzerts habe ich ihn aus Überschwang ins Diktaphon gesprochen. Das ganze nächtliche Material wurde am nächsten Tag gesichtet und zu einem Intro für „Knartz IV“ zusammengeschnitten.

Der Titel ist Programm. Wie erschafft man den knarzigen, trockenen Anteil des Tracks?
Das ist einfach: Man nimmt zwei Sägezahnwellen, die leicht gegeneinander verstimmt sind. Wenn die Bassdrum gemutet ist, wird der Hallanteil des Synthesizers erhöht. Setzt die Kick wieder ein, nimmt man den Effekt zurück. Das war’s eigentlich schon. Der Raum war groß – plötzlich ist alles wieder nah und direkt. Die Kick kommt zurück und alle freuen sich. Euphorie entsteht. Dieses Vorgehen hat sich bewährt und wird im Clubbetrieb eigentlich seit Jahrzehnten mit guten Ergebnissen praktiziert.

Zu den knarzenden und nach vorne gehenden Sounds gehört auch ein sehr swingender Beat. Wie habt ihr den programmiert, und wie kam der Swing dazu?
Bei den Hi-Hats haben wir ohne Raster gearbeitet, einige Noten verschoben oder rückwärts abgespielt – so fing es an zu swingen. Trial and error …

Wie entstand – als ihr alle Zutaten zusammenhattet – das ausgefallene Arrangement mit den vielen kleinen Breaks?
Wir haben den Track, bevor er fertig war, schon mit den groben vorhandenen Elementen live im Club gespielt und dabei gemerkt, wie das Arrangement funktionieren könnte. Eigentlich ist es nur ein primitiver zweitaktiger Loop, der sich durch die Breaks immer wieder erneuert. Mit dem Wissen ging es beim Arrangieren dann sehr schnell.

Das Low-End ist auch für heutige Verhältnisse sehr druckvoll. Wie seid ihr an den Mix drangegangen? Wie viel hat das Mastering noch ausgemacht?
Kick und Bass sollten im Lautstärkeverhältnis und in der Tonhöhe gut aufeinander abgestimmt sein. Das ist kein Hexenwerk. Wenn der Ton zur richtigen Zeit mit der richtigen Länge und Höhe gespielt wird, mischt sich das Stück wie von selbst. In diesem Fall hat das Mastering nur eine untergeordnete Rolle gespielt.

Mit welchem Element hat die Studiosession von „Knartz IV“ angefangen – und wie lange ging sie?
Jimi hatte sich einen Virus-Synthie gekauft. Wir begannen, an einer Sequenz zu experimentieren, und kamen zügig zu einem Ergebnis. Zum Glück habe ich damals die Zeit gestoppt: Die Session dauerte genau vier Stunden und 18 Minuten.

Findet ihr die Attitüde des Electroclash auch in heutigen Produktionen?
Ich finde, Charli XCX spielt stark mit einem 2000er-Electroclash-Sound. Bedient sich „Knartz IV“ einer Electroclash-Attitüde …? Ich weiß es nicht.
Mit Electroclash kamen Performance, Glam und der 80er-Bezug zurück in den Club. Ich mochte Peaches sehr, aber wir wollten eigentlich etwas anderes: eher rohen, rappeligen Chicago-House der zweiten Generation – Green Velvet, DJ Sneak und so weiter … Keine Ahnung. Vielleicht war alles nur ein Missverständnis. Haha.

Am 12. September erschien eine Werkschau der Band mit dem Titel „A Piece Of The Action (1995-2005)“ auf dem Label Bureau B.

Aus dem FAZEmag 164/10.2025
Foto: Katja Ruge
www.bureau-b.com