Track-Check: L.S.G. – Hearts (Superstition, 1994)

Track-Check: L.S.G. – Hearts (Superstition, 1994)

Endlich wieder Track-Check – und was für einer! Mit „Hearts“ und seiner „Blueprint“-EP schuf Oliver Lieb alias L.S.G. einen DER Trance-Klassiker der 1990er-Jahre. Nach der Remastered-Version aus dem Jahre 2014 ist die legendäre Platte nun abermals als Reissue auf Superstition erschienen. Wir haben mit Oliver über die Entstehung des Tracks gesprochen.

Oliver, wie sah dein Studio-Workflow zu dieser Zeit aus?

Ich war damals just auf Cubase Audio umgestiegen. Neben den MIDI-spielenden Geräten konnte man endlich auch direkt im Rechner mit Audio arbeiten, aber natürlich noch nicht so wie heute. Alle Geräte gingen in einen analogen Mixer und die Titel wurden auf DAT aufgenommen. Für die Effekte kamen externe Rack-Teile (analog und digital) zum Einsatz.

„Hearts“ ist ein Paradebeispiel für Trance, eine Stilrichtung, in der es auf der Tanzfläche darum geht, sich in sphärischen Harmonien verlieren und sich dem Flow hinzugeben. Wie kommt man früh morgens im Studio in einen solchen Modus, um diese Musik zu produzieren?

Das war kein besonderer Modus. Ich wollte schon immer in viele verschiedene Richtungen produzieren und experimentieren, weshalb ich verschiedene Projekte hatte, die jeweils für einen anderen Sound standen. Somit ging es eher um eine Trennung und das Umschalten zwischen einzelnen Projekten.

Wie sah damals die Technik aus, um Flächen zu zerstückeln und damit den prägnanten Trance-Gate-Sound zu erschaffen?

Ich habe das mit der Korg Wavestation A/D gemacht. Da konnte man externe Signale reinsenden und per Midi „gaten“. Meistens hatte ich dazu Flächen vom Matrix 6r oder Matrix 1000 genommen.

Aus welchen Quellen kommen deine Drums, die ja sehr dynamisch zusammen klingen?

Ein Mix aus verschiedenen Samples von der TR-909, 808 etc., die von einem Akai S1100 kamen. Zusätzliche Toms, Snares und Percussions kamen oft von einer digitalen Roland R70 Drum Machine.

Wie ist der sehr harmonisch-verzerrte Pad-Sound von „Hearts“ entstanden?

Auch hier kam ein Matrix 6r-n-Sound zum Einsatz, den ich in die Wavestation geschickt und anschließend einen Gate-Effekt drübergelegt habe. Die 16tel-Noten habe ich zum antriggern genommen und mit dem internen Effektgerät der Wavestation noch Verzerrung und andere Effekte beigefügt. Den Rest erledigte der Filter.

„Hearts“ ist deutlich schneller und treibender als dein Track „Blueprint“ aus der gleichnamigen EP. Wie findest du das richtige Tempo für deine Tracks?

Das ergibt sich intuitiv und automatisch. „Blueprint“ war für mich schon sehr langsam, hatte für den Groove aber das richtige Tempo. Andere meiner Projekte hatten damals auch gerne 140 bis sogar 160 BPM.

Wie entsteht bei dir ein Arrangement?

Ich starte meistens mit Drums und Bass und jamme, um Ideen für Melodien, Sequenzen oder Flächen zu bekommen. Dann arrangiere ich zunächst alles durch und schaue, wo und ob etwas fehlt. Damals war ja alles „live“ von Midi an alle Synths, die ins Mischpult gingen und vom DAT-Tape aufgenommen wurden. Mit dem Mixer konnte man zusätzlich manuell das Panorama, die Lautstärke usw. beeinflussen.

Auf welche Dinge hast du bei den Harmonien von „Hearts“ geachtet?

Das klingt sehr theoretisch. Ich arbeite meist eher intuitiv. Ich kann mich aber erinnern, dass ich relativ lange an Feinheiten der Fläche gebastelt habe und der Mischung aus dem originalen Padund der Gate-Version. Wichtig war mir dabei, dass sich der verzerrte Sound im Laufe des Titels verändert: mit mehr gespielten Noten oder dem Filter des Verzerrers.

Die Bassline ist einerseits sehr lebendig und nuancenreich, anderseits sehr druckvoll. Wie gelingt dir dieser Kontrast?

Die Juno-106-Haupt-Sequenz sollte nicht auch noch den unteren Bassbereich ausfüllen. Da hatte ich dann gleich den Matrix 6r im Kopf, der hier noch den fehlenden Druck bringen sollte, ohne aggressiv zu klingen. Der klingt sehr edel mit viel Druck und „lebt“ einfach.

Welche drei Techniken im Studio waren für dich im Laufe der Zeit am wichtigsten?

Drumloops zu editieren und zu zusammen zu setzen war für mich eine wichtige Entwicklung von frühen Samplern zur heutigen Software, ebenso wie das schnelle Hin-und-Her-Wechseln zwischen verschiedenen Titeln, was ja früher sehr aufwendig war. Unkompliziertheit ist das Stichwort. Heute geht einfach alles viel schneller.

„Blueprint“ ist am 27. Januar als Blue Marbled Coloured Vinyl via Superstition erschienen.

Aus dem FAZEmag 132/02.2023
www.oliverlieb.com
www.superstitionrecords.bandcamp.com

 

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