Trance im April

Zugegebenermaßen bin ich sehr positiv überrascht worden, was für ein musikalisches Brett mir Perfecto, von dessen Releases ich in letzter Zeit eher mäßig zufrieden war, diesen Monat lieferte. Fast, als ob meine Bitten erhört worden wären, wird hier im Original ein höchsttalentierter britischer Vocalist mit iranischen Wurzeln und eine gefühlvolle Popballade mit großem Geheimtipp-Potential vorgestellt. Sena Verdi alias Senadee, der sich das Musizieren weitgehendst selbst beigebracht hat, wurde 2008 entdeckt, als Ben Gold ein Sample eines seiner selbstgeschriebenen Songs für eine Co-Produktion lizensiert hatte, was mit dem Titel „Say The Words“ einer der größten Undergroundhits des Jahres mit einer Heavy Rotation bei Radio One und Support von Judge Jules und Dave Pearce geworden ist. Damit wurden Sena für die Zukunft Möglichkeiten gegeben, mit Pionieren der elektronischen Musik wie BT oder Dubstep-Legende Akira Kiteshi zusammenzuarbeiten. Mit „Life Support Machine“ feiert er sein erstes kommerzielles Release, das von einem grandiosen Remixpaket abgerundet wird. Die Holländer Peter Kriek und Ariaan Olieroock, besser bekannt als 16 Bit Lolitas, die mir schon mehrmals durch ihre Remixarbeit höchst positiv aufgefallen sind, haben auch hier wieder ein Qualitätssiegel abgeliefert und könnten stilistisch nicht besser passen. Mit einer ausgewogenen Rezeptur aus einer sanft rockig-perkussiven Basslinie, perfekten Breaks in Kombination mit Pianoeinsätzen und harmonischen Flächen werden die Vocals und der Originalcharakter des Songs beibehalten, machen diesen jedoch clubtauglicher. Mein neuer persönlicher Favorit für ein Setfinale mit emotionalem Höhepunkt! Des weiteren steuert der kanadische Newcomer Richard Beynon eine Interpretation mit Avicii-ähnlichem Akkord bei, Georg Bissen aus New York hingegen lässt es sehr uplifting angehen und Yurij Mihailov alias meHiLove aus Kiev lässt balearische Wärme durchklingen.

Atmosphärischer Vocal-Trance ist ebenso auf Armadas S107 Records Label ständig im Programm. Jüngst kamen Releases von zwei Künstlern, die man normalerweise anders einordnen würde, aber deren Flexibilität hiermit unter Beweis gestellt wird. Alexander Popov aus Saratow, der mit Hymnen wie „Everest“, „Revolution In You“ und zuletzt „Elegia“ auf sich aufmerksam machte, verwöhnt den Hörer durch „When The Sun“ mit einer leicht zu verköstigenden Rocktronica, dessen himmlische Vocals sich sofort ins Gedächtnis prägen. Alexander Zhukov und Dmitriy Momzikov‘ bzw. Eximinds‘ Version aus Moskau verleiht dem Gesamtkonzept einen angenehm progressiven Touch.

Mit Newcomer-Sängerin Gemma Pavlovic aus Australien verspricht der Beat Service Estländer Madis Sillamo eine „masquerade“ Mischung aus warmen Vocals, mit auf Emotionen aufbauender tiefer Epik. Absolute Überzeugung beschert der Ukrainer Sunn Jellie, bürgerlich Artem Kleptsov, mit zwei eigenen Ausarbeitungen (Remix & Dub Mix) liefert er einen Feelgood-Faktor mit leicht sonnigem Flair. Was die Russen, Ukrainer, Balten etc. können, praktizieren unsere Ossis auch schon lange! Es ist zwar nicht bekannt, ob der Dresdner und die zwei Görlitzer „wussten dass sie nach Liebe suchten“ als sie Johanna einluden, musikalisch gefunden haben sie sich trotzdem und „I didn’t know I was looking for love“ spricht für sie. Die Rede ist von Ronny Schneider, Matthias Gierth und Henry Nix, die mit Ronski Speed und Stoneface & Terminal überwiegend auf Kyau & Alberts Löbauer Euphonic Records zu Hause sind, hier jedoch ausnahmsweise einen labeltechnischen Abstecher von Sachsen aufs holländische Zouk Recordings machen. Ergebnis ist eine peaktime-taugliche poppig-trancige Houseperle mit eingängiger Melodie und tollen Hooks! Und weil das die finnischen Kollegen Marcus Maison & Will Dragen auch gut finden, steuern sie einen rockig-qualitativen Prog-House Remix, der gut nach vorne geht, obendrauf. Auf dem gleichen Label ist der unermüdliche Fleiß von Stefan Dabruck und Frank Klein frei nach ihrem Erfolgsrezept „the luck of the hard workers“ zu erkennen. Mit „Light Coming Out Of Your Eyes“ feat. Stella Attar aus London, die bereits für die Singleauskopplung „Heartbeat“ aus dem „2:48am” Debütalbum der beiden Frankfurter eingebunden war, liefert das Duo direkt aus der Hitschmiede des Junkx-Studios aus Mülheim an der Ruhr ein neues Highlight, mit dem dieses Jahr wieder Clubs in über 20 Ländern beschallt werden, inklusive zwei zur Auswahl stehenden bigroom Remixen jeweils von Falko Niestolik & Steve Wish oder DJ Eako. Zusätzlich steuern die Jungs eine setkompatible Elektro-Neuinterpretation des Klassikers „The Ultimate Seduction“ von 1992 des gleichnamigen Projekts von Koen Groeneveld & Addy van der Zwan auf Mischa Daniels‘ Fame Recordings bei. Auch als Soloprojekt beweist Stefan Dabruck individuelles Feingefühl mit seinem Beitrag zu Roger Shahs balearischer „Shine“ auf Magic Island, für das sogar Kosheen begeistert werden konnten. Nicht nur als DJ und Produzent, sondern auch aufgrund seiner Tätigkeiten als Manager diverser Acts, Label-A&R und Artistförderer ist Stefan einer der wichtigsten und meistgeschätzten Vertreter der deutschen Progressive-House Szene. Nachdem Markus Schulz seine grandiose Los Angeles ’12-Compilation veröffentlicht hat, die vorerst nur aus exklusiven, unveröffentlichten Tracks bestand, werden jetzt die Meisterwerke einzeln mit der Zeit released. Eins davon erschien auf seinem eigenen Label Coldharbour Recordings mit Newcomer Branislav Klinko aus der Slowakei, alias Styller. Das Original von „All That Remains“ ist eine techig-orientierte Produktion mit wunderschön dahinschwebenden Melodien. Haris Vasiloglou, der hinter dem griechischen Neuling Basil O’Glue steckt, verleitet dem Original durch seine typisch dunklere und finstere Überarbeitung eine mystische Wirkung. „Quantum Mechanics“ ist clubbiger gestaltet und zeichnet sich durch eine konstant aufbauende energische Melodie aus, die am Höhepunkt sicherlich für viel Hands-Up sorgen wird. Torsten Stenzel tut sich auf seinem eigenen Label Planet Love Records mit Andrew Bennetts und Mario Hammers Projekt Rebels Without A Cause zusammen und bringt „Red Violin“ hervor – ein prägnant-progressives Original mit einer mächtigen Basslinie und verträumt-virtuosen Violinenklängen. Stenzels York-Interpretation bringt einen leicht kommerzielleren Touch mit mehr Melodien und flüsternden Vocals ins Konzept und Mario Hammers Lonely Robot Mix schlägt mit gezielten Verzerrungen in eine techigere Richtung. Auf Armin van Buurens eigenem Imprint Armind geht Mark Ottens „Hyperfocus“ direkt unter die Haut und lässt spätestens nach dem melodischen Break Glücksgefühle nur so ersprießen. Sein holländischer Landsmann Wessel Grift alias Wezz Devall steuert eine mindestens genauso gute Version bei die einen ebenso qualitativen Wert auf die melodische Ausprägung legt, aber das Ganze etwas mehr uplifting gestaltet.

Allgemeines Fazit ist, dass Trance zweifellos das uneingeschränkte Popgenre der elektronischen Musik mit einer sehr hohen Variabilität und Kombinierbarkeit ist.


Bis nächsten Monat
Damian Duda