Turi Agostino – Klavier x Synthesizer

Foto: Edith Buttingsrud

Der in Berlin lebende australische Pianist und Elektronikkomponist Turi Leng Seong Agostino, kurz Turi Agostino, veröffentlicht mit seinem Debütwerk „Self Portraits“ eine Art Momentaufnahme aus Emotionen, die über einen Zeitraum von zehn Jahren und über verschiedene Kontinente hinweg komponiert wurde. Das Ergebnis sind schmerzlich raue selbstreferenzielle Klanglandschaften voller Melancholie eines Künstlers, der bereits mit vier Jahren die Welt des Klavierspielens für sich entdeckte. Das Werk erscheint am 11. November auf dem Label Torrents.

Aufgenommen und komponiert wurden die Titel in Brisbane, Kuala Lumpur und Berlin. Dabei handelt es sich um Semi-Improvisationen, die um hypnotische Akkorde herum strukturiert sind, auf verschiedenen Klavieren gespielt werden und sich in neuen Versionen und Wiederaufnahmen verändert haben. Erstmals hat Agostino das Klavier mit elektronischen Sounds um 2009 herum kombiniert, kurz nach der High School: „Mein Bruder und ich hatten unglaublich viele Stunden in klassischer Musik hinter uns. Im Rahmen dieser Stunden hatten wir ein ,Noise-Project‘. Darin enthalten waren eine Menge synthetischer, industrieller Sounds gepaart mit Klavier-Sounds. Das war das erste Mal, dass für mich beide Welten zusammengefügt harmoniert haben. Daraufhin habe ich mich mit dem Thema Synthesizer beschäftigt. Ich erinnere mich noch, wie riesig die meisten damals waren. Für meine Bedürfnisse viel zu groß. Ich fing also an, bei und mit Freunden Musik zu produzieren, so zum Beispiel auch für befreundete Bands. 2012 herum habe ich mir dann den Juno 6 zugelegt und war sofort Feuer und Flamme. Ich habe daraufhin ein Fable für vermeintlich einfach gestrickte Synths entwickelt.“ Zur Musik gekommen ist er durch seine Mutter, berichtet er: „In China, wo meine Mutter herstammt, kommt man recht früh mit Musik in Verbindung. Und so hat sich das auch auf uns ausgewirkt. Mein Bruder und ich spielen also schon recht lange, und es ist so etwas wie die natürlichste Sache der Welt und der logischste Zugang zu Musik gewesen. Generell war Musik schon immer in meinem Leben und hat einen recht selbstverständlichen Charakter für mich.“

Vor zwei Jahren fing Turi dann an, Sounds und Entwürfe aus dem letzten Jahrzehnt erneut aufzugreifen und zu finalisieren: „Ich hatte 2012 nicht wirklich vor, ein Album zu produzieren. Es war eher so, dass ich 2020 damit anfing, Sounds aus der Zeit wieder hervorzuholen und mich diesen wieder zu widmen. Es ist also ein Mix aus vielen Sounds aus diesem gesamten Jahrzehnt, in dem ich Musik produziert habe. Es beinhaltet eine Menge sehr softer Klavierklänge, die ich sehr mag. Einige davon hört man jetzt auf dem Album, so z.B. auf ,Can You Hear The Birds?‘. Ein paar Parts klingen auch ziemlich Lo-Fi, aufgrund ihres Alters. Aber das gefällt mir. Mittlerweile bin ich bei Ableton und modularen Synthesizern angekommen. Auch die Zeit ist zu hören, die ich mit etwas zeitgenössischeren Menschen verbracht habe. Irgendwann kam dann der finale Impuls, aus dem gesamten Material ein Album zu machen. Es war ein interessanter Blick in meine persönliche Vergangenheit vom heutigen Standpunkt aus.“ Der Titel des Albums ist dabei mitnichten zufällig gewählt. Besonders sein Umzug von Australien nach Berlin beeinflusste „Self Portraits“ enorm: „Ein für mich unfassbarer Schritt. Der Beginn in Berlin war unglaublich schön. Nach einigen Jahren aber hat sich mein Freundeskreis so etwas wie aufgelöst. Viele sind aus der Stadt raus aufs Land, einige sind Eltern geworden. Erst dann habe ich gemerkt, wie schnelllebig diese Stadt ist. Es hat dann eine Weile gedauert, bis ich mir einen etwas nachhaltigeren Freundeskreis aufgebaut habe. Während der Pandemie hatte ich dann unglaublich viel Zeit, das Album fertigzumachen. Für diese Möglichkeit bin ich unglaublich dankbar.“ Und genau dort, in Berlin, in der Kuppelhalle des Silent Green, wird Turi am 20. November seine Record-Release-Show zelebrieren: „Ich freue mich wahnsinnig auf diesen Abend. Ich kollaboriere für die Show mit Amy Evans, sie ist eine Künstlerin und Architektin aus Melbourne. Sie kümmert sich an dem Tag um Licht und Visuals und wir werden eine Skulptur, die sie angefertigt hat, im Raum platzieren, diese wird Teil der Show sein. Ein weiterer Freund, Hydropsyche, wird den Support spielen.“ Für 2023 stehen bereits neue Projekte bevor, darunter auch einige Kollaborationen.

Aus dem FAZEmag 129/11.2022
Text: Triple P
Foto: Edith Buttingsrud
www.instagram.com/turi_agostino