Víkingur Ólafsson – Bach Reworks (Deutsche Grammophon)

Der isländische Pianist Víkingur Ólafsson hat sich als Interpret für den großen Komponisten Johann Sebastian Bach schon einen Namen gemacht, die New York Times nannte ihn schon den „Glenn Gould Islands“. Mit „Bach Reworks“ transportiert Ólafsson Bach in die Gegenwart, kombiniert dessen Kosmos mit der Welt der elektronischen und experimentellen Musikwelt. Dafür hat er sich illustre Gäste an Bord geholt und so ist ein Album entstanden, das den barocken Meister in den verschiedensten elektronischen Schattierungen glänzen lässt. „… And At The Hour Of Death“ ist eine Kooperation mit Hans-Joachim Roedelius, Mitbegründer von Cluster und Harmonia. Der Krautrocker fügt dezent und unaufdringlich seine Elektronikelemente zu, so dass man hier von einer Art Dialog sprechen kann, den die beiden halten. Der Tontechniker Valgeir Sigurðsson lässt beim „Prelude, BWV 855a“ die Elektronen schwirren und brutzeln und kitzelt verschiedene Klangfarben raus. Ben Frosts Ladder Mix von „Prelude, BWV 855a“ ist eine wunderbar klare und fragile Klangkathedrale, fein verästelt, unter Minimalspannung und mit sphärischen Ambientklängen. Und der große Ryuichi Nakamoto taucht mit seinem „BWV 974 – II Adagio“-Rework in düstere, cinematoskopische Landschaften ein. Insgesamt 12 Tracks umfasst das Album, das Anfangsstück „For Johann“ – ein wunderbar behutsamer Pianotrip – hat er dem im vergangenen Jahr Alter von 48 Jahren verstorbenen Komponisten (u. a. Soundtracks für „Sicario“ und „Arrival“) Jóhann Jóhannsson gewidmet. Die beiden waren Freunde und musikalische Partner und Ólafsson setzt dieser Verbindung eine kleines musikalisches Denkmal, bevor dann der andere Johann in den Vordergrund rückt. „Bach Reworks“ ist ein sehr inspiriertes und inspirierendes Album voller Poesie, Kreativität, Kraft und Unendlichkeit. So verschieden die einzelnen Interpretationen sind, Víkingur Ólafsson und seine Partner lassen Johann Sebastian Bach den Platz, den er verdient hat. 10/10 Dieter Horny