Vitalic – Back To The Roots

Credit: Yann Rabanier

Im Oktober 2021 veröffentlichte der französische Techno-Pionier Pascal Arbez-Nicolas alias Vitalic die erste Episode seines Album-Zweiteilers „DISSIDÆNCE“ auf Clivage Music. Dreckige Kopfkino-Tracks und romantische Synthie-Balladen formten den ersten Part und lieferten eine Zusammenfassung seiner musikalischen Tätigkeit der letzten 20 Jahre. Rund ein halbes Jahr später erscheint nun endlich der zweite Part, der sich zusehends an den Wurzeln Vitalics orientiert: Hardcore, Industrial und Rave. Es geht also puristischer und mechanischer zur Sache, Rave-Techno der 90er-Jahre straight auf den Punkt gebracht. Wir haben mit Vitalic gesprochen.

Zunächst einmal: Wie kam Vitalic überhaupt auf die Idee, das Album in zwei Parts zu unterteilen? Hierzu erklärt er: „Am Ende der ersten Episode hatte ich noch einige Demos übrig. Aber als ich sie mir anhörte, merkte ich, dass ihnen etwas fehlte, das ihnen mehr Kohärenz verleihen würde, etwas, das die beiden zu einer Einheit verschmelzen lassen würde.“ Während die erste Episode also etwas breiter aufgestellt ist und dezent poppiger klingt, ist der zweite Teil der Inbegriff von Hardcore, Industrial und Rave. Eine große Gemeinsamkeit vereint die beiden Parts aber dennoch: der Frust über die Corona-Misere der letzten beiden Jahre. Kanalisiert wird diese soziale und politische Wut nun in einem schweißtreibenden roughen Electro-Sound ohne Kompromisse, wie etwa im Track „The Light Is A Train“ zu hören ist, den Vitalic zudem als Brücke zwischen den beiden LPs betitelt.

Gänzlich ohne Kompromisse kam Arbez-Nicolas dann allerdings doch nicht aus, denn als er während des ersten Lockdowns in Südfrankeich mit der Albumproduktion begann, fand er sich schnell in einem Kreativitätsloch wieder. „Ich beschloss also, zwei Monate lang absolut keine Musik zu machen und Dinge zu tun, für die ich nie Zeit hatte. Dann kehrte ich nach Paris zurück und machte während des zweiten Lockdowns von morgens bis nachts Musik, wie besessen“, so der 46-Jährige, der ein Faible für schräge Synthesizer-Sounds, verzerrte Vocals und schwere Beats besitzt. Umgesetzt hat er diese Vorliebe im Produktionsprozess vor allem mit dem GRP-A4-Synthesizer, dessen satter und voller Sound es dem Franzosen angetan hat. Zum Einsatz gekommen ist darüber hinaus der Sequential Pro III, ein weiterer Analog-Synth.

„DISSIDÆNCE“ kann in gewisser Hinsicht als ein „Back To The Roots“-Album betrachtet werden, das „ein Bein in den 70ern, ein anderes in den 90ern und das Gehirn im Jahr 2022 hat“, wie Vitalic erklärt. Für die anstehende Zeit schmiedet er bereits vielversprechende Pläne: „Es befinden sich eine Menge Dinge in der Pipeline, wie zwei Film-Soundtracks und ein Album mit Emel, einer tunesischen Sängerin, das fast fertig ist.“ Zudem plant Vitalic eine weitere Platte als Kompromat. 2019 hatte er das Projekt mit der Sängerin Julia Lanoe und einer Coverversion des D.A.F.-Hits „Der Räuber und der Prinz“ ins Leben gerufen. Und auch eine Tournee steht wieder an. „Ich bin also sehr beschäftigt, und das gefällt mir“, schließt Nicolas-Arbez mit einem Lächeln ab.

DISSIDÆNCE“ – Episode 2 erscheint am 4. März via Clivage Music.

Tourdaten Deutschland:

07.04.22 München – Muffathalle
09.04.22 Frankfurt – Zoom
21.04.22 Hamburg – Übel & Gefährlich
22.04.22 Leipzig – Felsenkeller
29.04.22 Köln – Luxor
30.04.22 Berlin – Astra

 

 

Aus dem FAZEmag 121/03.2022
Text: Hugo Slawien
Foto: Yann Rabanier
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