Von Putzlicht zu Putzlicht – die Autobiografie des Dr. Atmo

Von Putzlicht zu Putzlicht – die Autobiografie des Dr. Atmo

Es könnte das Jahr der Biografien von Techno-Recken der ersten Stunde werden. Sven Väth hat in der letzten FAZE-Ausgabe die Katze aus dem Sack gelassen. Seit einiger Zeit kursiert eine Autobiografie der Chill-Out-Legende Amir Abadi aka Dr. Atmo in der Szene. Und wie wir erfahren haben, wird noch mindestens ein weiteres Werk eines Frankfurter Urgesteins folgen.
Dr. Atmos Rückblick ist schon insofern besonders, da sich um das musikalische Gravitationszentrum die Einwanderungsgeschichte eines kleinen Jungen aus dem Iran spinnt. Als Produzent und DJ ist er heute nur noch tätig, wenn es sein Hauptberuf als Architekt erlaubt. Und so bunt wie der Inhalt des Buches ist die musikalische Reise von Hippy Trippy Garden Pretty – einer Radioshow, die immer sonntags ab 23 Uhr auf dem Sender Flux FM ausgestrahlt wird.

Amir, du bist nun schon seit einigen Jahren eher randläufiger Teil der Szene. Was hat dich veranlasst, eine Autobiografie zu schreiben?

Es hatte sich so viel in meinem Kopf angesammelt, das einfach mal raus musste. Es fing mit ersten Notizen an. Und beim Aufschreiben sind mir dann immer neue Geschichten eingefallen, sodass schlussendlich ein 500-seitiges Buch mit rund 23 Storys draus geworden ist. Inklusive unzähligen musikalischen Wegweisern und persönlichen Schnappschüssen. Zunächst gebunden nur für den kleinen Bekanntenkreis. Aber die Nachfrage ist inzwischen so groß, dass ich eine leicht überarbeitete Version in zweiter Auflage habe drucken lassen.

Der Titel klingt bereits ungewöhnlich.

Diese Idee hatte ich schon sehr früh, Anfang der 90er-Jahre. Während meines Architekturstudiums und durch meine Arbeit in einem Plattenladen lernte ich einige Frankfurter Musiker und DJs kennen, deren Clubs wie z.B. das Omen oder XS ich dann gestaltete. So bin ich ja auch selbst ins DJing und Produzieren hineingeraten. Zeitweise arbeitete ich dann für drei oder vier Clubs gleichzeitig. Immer wenn der eine Laden schloss und das Putzlicht anging, war ich schon wieder auf dem Weg zum nächsten, der gerade startete und das Putzlicht ausknipste.

Von irrwitzig über tragisch bis gefahrvoll hast du einen wilden Strauß an Begebenheiten zusammengetragen. Manche Geschichten erscheinen geradezu filmreif bizarr …

So war es halt damals. Wild, ekstatisch, aber auch abgründig. Dabei habe ich noch nicht einmal Hörensagen-Geschichten Dritter verarbeitet.

Bemerkenswert ist, dass du auch die Schattenseiten beschreibst.

Eine reine Selbstfeierei war ja generell nie so mein Ding. Es würde die Zeit auch nicht angemessen widerspiegeln. Vielleicht konnte ich es auch ungeschönt darlegen, weil ich hauptberuflich auf anderem Terrain unterwegs bin. In der Architektur gibt es übrigens ebenso genug Abfucks [lacht]. Vielleicht schreibe ich darüber auch mal ein Buch.

Was machte dir damals am meisten zu schaffen?
Ich würde sagen, die verbreitete Unehrlichkeit. Das liebe Geld spielte schon damals eine Rolle. Ich war einige Male komplett auf den Nullpunkt und sogar dahinter zurückgeworfen. Aus den Löchern musste ich erst einmal mühsam herauskrabbeln. Als gebürtiger Iraner hatte ich wohl auch mit einem Mentalitäts-Crash zu kämpfen. Wir sind halt sehr offenherzig erzogen, geben gerne – und das lässt sich leider schnell ausnutzen. Viele Freundschaften basierten zum Teil auf Drogen, machen wir uns nichts vor. Aber wenn man einen Joint teilt und eine Familiy beschwört, hat das für einen Perser schon eine große Bedeutung. Die Erkenntnis, dass diejenigen, mit denen man die meisten Zigaretten gerollt hat, einem am übelsten in den Rücken fallen, war schon bitter. Wie langjährige Freundschaften oder Geschäftsbeziehungen teilweise an Kleinigkeiten zerbrochen sind, hat mich lange belastet. Das niederzuschreiben, hat mich wirklich ein stückweit gereinigt. Nenne es meinetwegen Selbsttherapie.

Love and Peace galt also schon in der Anfangszeit nicht hinter den Kulissen?
Naja, Frankfurt hatte ja seine eigenen Gesetze, in allen Bereichen. Die Szene war überschaubar, am Anfang zählte noch ein Handschlag. Als es groß wurde und die Konkurrenz zunahm, benahmen sich zwar alle immer noch wie Buddies, gleichzeitig hat aber keiner dem anderen irgendetwas gegönnt.

Du bist ja dann nach Berlin umgezogen, was wie eine Flucht wirkte.
Nein, gar nicht. Meine Frau hatte in der New-Economy-Zeit eine Projektleitung in Berlin angenommen. In das Projekt war ich als Architekt ebenfalls involviert. Aus dem Projekt wurde eine eigene Firma und deshalb sind wir zusammen rüber. Ich von meiner Seite kann den Leuten in Frankfurt gerade in die Augen schauen, ich habe mir nichts zu Schulden kommen lassen. Umgekehrt mag das im Einzelfall anders sein. Es wird deshalb durchaus Leute gegeben haben, die sich über meinen Abgang freuten.

Der Kampf um die Krone der deutschen Technohauptstadt wurde zwischen Frankfurt und Berlin ausgetragen. Du hast den direkten Vergleich. Was war in menschlicher Hinsicht der Unterschied?

Die Berliner kamen mir offener und lustiger vor. Es ist aber auch ein Unterschied, ob man in eine Szene hineinwächst oder dazustößt. Klar, so Leute wie Westbam, Tanith oder die Kid-Paul-Crew kannte ich. Aber dem Rest musste ich neu begegnen. Durch die Frankfurter Zeit war ich aber auch viel vorsichtiger geworden, was neue Freundschaften betrifft. Und geschäftlich sagte ich sofort, was meine Erwartungen sind.

Ende gut, alles gut?
Naja, am Ende bin ich ja noch lange nicht [lacht]. Aber bis hierhin so weit, ja. Trotz aller Rück- und Tiefschläge möchte ich die Zeit nicht missen. All die vielen positiven Momente und auch fantastischen Leute, die ich kennenlernen durfte, darf man ja nicht außer Acht lassen. Und es hat mich auf verschlungenen Wegen dorthin gebracht, wo ich heute stehe. In Berlin konnte ich einige Traumprojekte verwirklichen. So zum Beispiel den Umbau des AQUA-Butzke-Gebäudes, das ich in 50 Künstlerateliers verwandelte. Und mit den dortigen Musikern aus völlig verschiedenen Genres dann die Gemeinschaftsproduktion Atmo and The Lightz realisierte.

Befindet sich dort nicht auch der Club Ritter Butzke?
Ja, damals noch Geheimtipp und komplett illegal.

Dein Buch ist nicht im Handel erhältlich. Wo können es Interessierte bekommen?
Ja, ist halt immer noch keine Millionenauflage. Einfach eine E-Mail an mich schreiben: atmo@brillianttree.com. Kostet dann 40 Euro plus Versand.

Atmo music: dratmo.bandcamp.com
Atmo on air: Flux FM, Hippy Trippy Garden Pretty, sonntags 23 Uhr

Aus dem FAZEmag 158/04.2025
Text: Matthias Tienel
Web: www.dratmo.bandcamp.com