Wellen.Brecher: „Unser Sound ist für alle gedacht“

Wellen.Brecher: „Unser Sound ist für alle gedacht“. Credit: Chris Hartl

Das Berliner Inklusionsprojekt Ick Mach Welle eröffnet seit 2018 Menschen mit Behinderung den Zugang zur elektronischen Musik. Im hauseigenen Studio lernen die Teilnehmenden Musikproduktion und entwickeln eigene Tracks – immer mit Blick auf zukünftige Bühnenauftritte. Aus dem Projekt ging auch die Band Wellen.Brecher hervor – das sind Uwe Locati, Dave Senan, Hanni und Werner Soyeaux – die seit sechs Jahren mit ihrer Mischung aus Electro, Punk und Techno für Furore sorgt. Ihr Sound: roh, direkt und voller Haltung – irgendwo zwischen EBM, Breaks und 90er-Techno. Nun ist ihr Debütalbum „Liebeserklärung“ auf KILLEKILL erschienen. Wir haben mit Dave Senan gesprochen.

Electronic trifft Punk. Ein altbewährtes Rezept, mit vielen Vorläufern und Pionieren. Wie sieht euer persönlicher Ansatz aus?
Wir jammen ohne Plan und wenn uns etwas gefällt, machen wir weiter. Nur wir vier entscheiden, was Wellen.Brecher ist. Wir sind frei mit unseren individuellen Einflüssen. Wir machen uns keine Gedanken über die Wirkung eines Stücks, bis es für uns fertig klingt. Wir haben alle unterschiedliche Hintergründe und individuelle Meinungen zu Musik, aber um das Chaos zu bändigen, lassen wir sie einfach alle zusammenfließen, ohne auf die Normen zu achten.

Wo wir von Vorreitern und Pionieren sprechen: Welche sind eure größten Einflüsse und Inspirationen in diesem Bereich?
The KLF sind eine Gruppe, die ich gerne als Vorbild nenne. Sie nehmen die Dinge nicht einfach so hin und sind bekannt dafür, die „Industrienormen“ zu sprengen. Wellen.Brecher ist, was es ist, und wir verbringen die meiste Zeit damit, über Musik zu reden, nicht darüber, was es bedeutet, Wellen.Brecher zu sein oder was es bedeuten sollte. Andere Leute können uns interpretieren, wie sie wollen. Auf die Gefahr hin, widersprüchlich zu sein: Geht es bei der Inklusion nicht in erster Linie darum, aufgeschlossen zu sein?

Im Pressetext heißt es, die Veröffentlichung orientiere sich „nicht an den schlechten Trance-Traditionen moderner Buffaloschuh-Träger“. Ein Seitenhieb in Richtung der aktuellen Entwicklung der Clubmusik? Ist das die Punk-Attitüde, die da zum Vorschein kommt?
Ja, darüber haben wir sehr gelacht. Wir haben nie einen festen Plan, wenn wir auf der Bühne stehen – das ist spontan und sorgt für eine dynamische Show. Ob man das Punk nennt oder nicht, ist am Ende egal. Was die aktuelle Entwicklung angeht – welche eigentlich? Clubmusik setzt heute oft auf Drops und Recycling statt auf echte Innovation. Eigentlich sollte man sich aber über den Elitismus vor der Corona-Pandemie beschweren, der diese Reaktion der jungen Leute fast unvermeidlich gemacht hat. Das ursprüngliche Gefühl, zu rohen, energiegeladenen Kicks zu tanzen, ist toll, und was auch immer für eine Poptrance-Platte darüber gesampelt wird, scheint derzeit auszureichen. Wir wollen, dass Innovation die treibende Kraft ist, aber wir müssen erkennen, dass jüngere Leute sich einfach nur bewegen und sich nicht intellektuell austauschen wollen.

Die Vorab-Single „Tierisch Verboten“ im Speziellen, aber letztlich das ganze Album, ist ein Soundtrack zur Inklusion. Wie schätzt ihr den Status quo von Inklusion im Kontext der elektronischen Musikbranche ein?
Inklusion bedeutet vor allem Offenheit – für neue Ideen, andere Perspektiven und dafür, Dinge ohne Vorurteile zu hören. Die elektronische Musikszene entstand aus Experimentierfreude und als sicherer Raum für Menschen, die anderswo ausgeschlossen wurden. Unsere Erfahrung zeigt: Viele in der Branche wünschen uns Erfolg, fragen sich aber, ob sich der Fokus auf Inklusion mit wirtschaftlichem Wachstum vereinbaren lässt. Das ist verständlich. Doch letztlich geht es uns darum, die gesamte Community zu erreichen: Artists, Veranstalter, DJs, Security, Medien – und vor allem das Publikum. Unser Sound ist für alle gedacht.

Tracklist „Liebeserklärung“:
1. Türöffner
2. Robot Girl
3. Kaputt
4. Voice of a Generation
5. Julia
6. Tunnel Trance
7. Techno DJ
8. Tierisch Verboten
9. Tierisch Verboten (L.F.T. Remix)
10. Kaputt (Ben Pest Remix)
11. Kaputt (Fuzz Alien Remix)
12. Techno DJ (Tooflez Allstarz BATTLEBLASTER mix)
13. Türöffner (Alienata Remix)
14. Voice Of A Generation (Senator Remix)

Hier könnt ihr in das Album „Liebeserklärung“ reinhören und euch die digitale Version oder die Vinyl-Variante holen:

Das Album „Liebeserklärung“ von Wellen.Brecher ist am 14. März via KILLEKILL erschienen.